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Schatten der Wahrheit
Anfang Oktober ging in Ex-Jugoslawien Präsident Milosevic k.o. In Deutschland versuchte man das Ereignis im festen Glauben an die wahrheitsstiftende Wirkung der jahrelangen Propaganda zu feiern. Es mißlang.

Nachdem die Deutschen vor 10 Jahren den Grundstein für ihre nationale Auferstehung gelegt hatten, machten sie sich zielstrebig und wie man heute weiß auch effizient daran, zur Weltmacht zu werden. Ökonomisch war auch schon die BRD ganz vorne dabei, doch das konsequenteste und souveränste aller Machtmittel ist und bleibt – zwei Weltkriege haben daran nichts geändert – die militärische
Adolf Hitler, 9.1k

Adolf Hitler

Intervention. Jahrelang war neben der Blockkonfrontation die nationalsozialistische Vergangenheit das schier unüberwindliche Hindernis, welches den Deutschen den Zugriff darauf versperrte. Als zweitrangiger Geldgeber für die ruhmreichen „Friedenseinsätze“ der anderen verspottete man sich selber und hielt so den nationalen Minderwertigkeitskomplex als Motivationsquelle am Leben. Hatte die Regierung vor Rot-Grün noch über Umwege versucht, zum Ziel zu gelangen, erinnert sei nur daran, daß unter Kohl deutsche Soldaten als Blauhelme getarnt in die Kriesengebiete dieser Welt geschickt wurden, zeigten Fischer, Schröder, Scharping & Co., wie sie mit der deutschen Vergangenheit zu jonglieren verstanden.
Mit dem Angriffskrieg gegen Rest-Jugoslawien bombardierte sich die Neue Mitte von der Vergangenheit los. Schon mit dem ersten Start eines Bundeswehr-Tornados war dieser Krieg für die Deutschen gewonnen. Auschwitz war nicht mehr das Verbrechen der Deutschen, woraus Machtbeschränkung und militärische Enthaltsamkeit folgte. Auschwitz war jetzt im Kosovo und potentiell überall und wer, wenn nicht die Deutschen, sollte dagegen ins Felde ziehen.
Bevor dieser argumentatorische Geniestreich zum Common Sense der neudeutschen Außenpolitik wurde, bedurfte es freilich nicht geringer Anstrengungen, die Serben als „Faschisten“ und Milosevich als „Balkan-Hitler“ zu stillisieren. Getreu ihrer Strategie, den ersten deutschen Anfgriffskrieg nach 1945 als Fortsetzung des Antifaschismus mit anderen Mitteln auszugeben, zeigten sich die Herrschenden und die mit Hingabe gegenüber der Sache gleichgeschalteten Medien besonders erfindungsreich bei der Entdeckung von serbischen „Konzentrationslagern“, „Massakern“, „Deportationen“ und „Kriegsplänen“. Es reichte für die Legitimation, um im „Zeitalter der Menschenrechte“ ein halbwegs zivilisiertes Staatsgebilde mit einem ziemlich demokratisch gewählten Präsidenten zur Freude einiger tausend völkischer Seperatisten auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückzubomben.
Am Wahrheitsgehalt der Schreckensmeldungen zweifeln heute neben dem Häuflein der Linken selbst eine ehemalige Justizministerin, ein Ex-General der Bundeswehr und eine Handvoll von Bundestagsabgeordneten auch außerhalb der PDS-Abteilung, also Personen, deren kritisches Verhältnis gegenüber der Kriegspropaganda sich keineswegs aus dem politischen Bekenntnis zum Vaterlandsverrat ergibt. Wegem letzteren kann man sich mit Danksagungen zurückhalten, denn eigentlich verlangt es schon eine große Portion Desinteresse bzw. politische Verstrickung in die Propagandamaschinerie, um sich nicht von den lange veröffentlichten realen
Adolf Hitler, 4.8k

Adolf Hitler

Untersuchungsergebnissen schockieren zu lassen, die ans Licht brachten, daß nicht eins der in Ex-Jugoslawien gefundenen Massengräber die Toten für das Horrorbild eines serbischen Vernichtungsfeldzuges hergibt.
Da aber das Geschrei vom Verlust der Menschenrechte in Serbien, egal ob es von den Gläubigern der Demokratie oder von knallharten Machtpolitikern ausgestoßen wurde, das allgemein akzeptierte Ergebnis einer von den Beschränkungen der Vergangenheit gelösten weltpolitischen Rolle Deutschlands hervorgebracht hat, geriet die Entblößung der Propaganda aller Fakten zum Trotz nicht zum Skandal.
Für die wenigen, die es merken wollten, brachte nun auch der Abtritt von Milosevic den erneuten Beweis für die dünne moralische Deckung des Jugoslawienkriegs. Natürlich fand sich auch jetzt in den Nachrufen kein Wort über das Ethno-Konzept der deutschen Außenpolitik, kein Wort darüber, wie schon Genscher, Kinkel und Rühe noch den kleinsten Seufzer eines Mini-Volkes zu ihrer Herzensangelegenheit machten. Daß mit ihrer Unterstützung erst in Slowenien, dann in Kroatien und Bosnien-Herzegowina der Zusammenbruch der jugoslawischen Bundesrepublik begann, der sich mit der Separationsbewegung der nicht zuletzt von Deutschland bewaffneten Kosovo-Albaner fortsetzte, stand in keiner Zeitung. Dafür um so öfter, daß der ehemalige Präsident der eigentliche Totengräber des „Vielvölkerstaates Jugoslawien“ (wohlgemerkt nicht der Republik Jugoslawien) gewesen sei. Und natürlich führte man auch die Erzählung vom machtbesessenen Politiker, vom Mann, „dessen einzige Vision der Machterhalt war“ (LVZ), fort.
Aber genau an dieser Stelle bewahrheitete sich ausnahmsweise mal die Bauernregel, nach der Lügen kurze Beine haben.
Der große serbische Hitlerhimmler, jener, welcher nicht nur sein Volk, sondern alle im Umkreis befindlichen unterdrückte, bedrohte, ja die ganze Welt mit seiner hochgerüsteten Armee, seiner furchteinflösenden Polizei und seinem noch viel schrecklicherem Geheimdienst in Schach hielt, gratuliert nach der Wahlniederlage artig seinem siegreichen Konkurrenten und verabschiedet sich, ohne auch nur einen einzigen Schuß auf die Opposition befohlen zu haben, von seinem Regierungsamt. Was für ein Diktator!
Selbst den Dummis in den Zeitungsredaktionen fiel dieser Widerspruch auf. Die kreative Erfindungsgabe beim Gleichmachen der Gegenwart mit der nationalsozialistischen Vergangenheit tendierte nun bei der Berichterstattung gegen Null. Hier und da merkte man den Redakteuren die ehrliche Enttäuschung über das ausgebliebene Blutvergießen an. In dieser unter den Augen der Weltmedien ausweglos undiktatorischen Situation ließen sich die Leichen nicht einmal herbeischreiben. Anstatt also den zweiten Sieg über den Hitlerfaschismus innerhalb von 60 Jahren gebührend feiern zu können, verabschiedeten sich Presse und Rundfunk sang- und klanglos in Richtung Naher Osten.
Die Moral von der Geschichte: im Jugoslawienkonflikt hatte der Westen wieder einmal keine und Deutschland schon gar nicht. So wie die Massengräber nicht hergaben, was von ihnen versprochen wurde, erwies sich auch der „Despot“ Milosevic als Luftnummer. Vielleicht findet sich nächstes mal ein besserer Hitler. Noch einfacher wäre es allerdings, wenn man ihn für den nächsten Krieg nicht mehr bräuchte.
ulle


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last modified: 28.3.2007