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veranstaltungsempfehlung:

„Shoah“(1)

, 0.0k

– ein Film von Claude Lanzmann

B12

Braustr. 20,
04107 Leipzig
www.b12.
purespace.de

, 0.0k

aus dem Film, 5.8k
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aus dem Film, 5.8k
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Claude Lanzmann (geb.: 1925) drehte den Film über die Vernichtung der Juden zwischen 1974 und 1985. Nach seiner mehrjährigen Tätigkeit hatte er 350 Stunden Material, das er in eine neunstündige Kinofassung gekürzt hat. Ein Film, der bis heute als der seriöseste über den Holocaust gilt. Ein Film, den in Deutschland bei seiner Erstausstrahlung 1986 – im Gegensatz zum Beispiel zu Frankreich und den USA – gerade einmal 2% der Bevölkerung sahen. Ein Film, in dem Zeugnis für die Toten abgelegt wird, kein Film über das Überleben und die Überlebenden, wie es sie mittlerweile zuhauf gibt. Kein Film über die Rettung der Juden (wie Spielberg „Schindlers Liste“) oder gar Holocaustklamauk wie Benignis „Das Leben ist schön“. Während Spielberg und Benigni Errettung zeigen, stellt Lanzmann klar, daß ein Film über die Shoah nur ein Film über den Tod sein kann.
Lanzmann kommentiert keine einzige Stelle des Films. Der Zuschauer weiß, daß die interviewten Täter lügen, daß ihre Trauer meist geheuchelt ist – ihre Sprache, die die gleiche geblieben ist, verrät sie. Lanzmann zeigt in seinem neunstündigen Werk keine Originaldokumente – keine Photos von ausgemergelten Körpern, Leichenbergen, Gaskammern und Massengräbern. Er führt seine Interviews mit den Überlebenden des Holocaust, ehemaligen SS-Männern, Mitarbeitern der Reichsbahn, polnischen Bauern und anderen Zeugen an den Orten der Vernichtung. Es gelingt ihm, jene Orte des Schreckens, über die inzwischen vielfach im wahrsten Sinne des Wortes Gras gewachsen ist, mit Hilfe der Zeugen dem Vergessen zu entreißen. Er läßt durch die unvermittelte Konfrontation mit diesen Stätten des Todes das Grauen jener Tage in Worten, Stimmen und Gesten wieder lebendig werden. „Die Gaswagen sind hier reingekommen, da, hier waren zwei große Öfen und nachher haben die hier die reingeschmissen, in die, in den Ofen, und das Feuer ist gegangen zum Himmel.“ Simon Srebnik steht auf einer großen Wiese, als er das erzählt. Tief im Osten, Wald drumherum, Vögel singen, sonst ist es still, kein Gebäude, kein Acker, keine Spur. Lanzmanns Kamera fährt langsam – mit dem Tempo der SS-Lastwagen – heran. An den Ort, an dem vierhunderttausend Juden umgebracht worden. An den Ort, wo heute Gras und Wald über die Massengräber gewachsen ist. „Shoah“ ist nicht nur durchzogen, er ist strukturiert von der Bewegung von Fahrzeugen, vor allem der fahrenden Lokomotiven und Züge in einem bestimmten, reduzierten Tempo, das nicht einfach eine „Geschwindigkeit“ ist. Die Züge fahren langsam heran – an die Rampe von Auschwitz oder den Bahnhof von Treblinka. Lanzmann setzt die Originallokomotiven ein, er spricht mit Lokführern der Züge, die noch am Leben sind. All dies nicht nur, um ins Bild zu setzen, welche Rolle die Reichsbahn bei der Durchführung der Vernichtung gespielt hat.(2) Es ist mehr, wozu Lanzmann die fahrenden Züge benutzt: mal sind sie selbst im Bild in ihrer langsamen näherziehenden Bewegung, mal transportieren sie den Zuschauer an die Schauplätze der Vernichtung, das schreckliche Geräusch der schnaubenden Lokomotive im Ohr und den Rauch und Dampf der Verbrennungsöfen im Bild. Das Verkehrsmittel, das die Massentransporte der Juden in die Vernichtungslager bewältigte, wird in Lanzmanns Film zum Vehikel in die Vergangenheit. Eine Erinnerungsmaschine, die sich langsam auf die Lagertore zubewegt. Auf die Lager, die die Interviewten überlebt haben, wo es kein Überleben gab.
Lanzmann fragt in langen Interviews, welche im Film in kleine Pakete zerschnitten sind, schonungslos nach dem, was gewesen ist. Die Methoden, derer sich Lanzmann zu diesem Zweck bedient, sind nicht ohne Brutalität. Daß er Täter heimlich filmt oder sich um seine Zusage der Anonymität einen Dreck schert, bedarf keiner Rechtfertigung. Doch auch bei den Opfer bohrt er immer wieder nach. Ihre verzweifelten Bitten, die Kamera abzustellen, ignoriert er und stellt immer neue Fragen, gibt nicht auf. Eine Methode, für die er heftig kritisiert wurde. Trotzdem ist „Shoah“ der Film, der dem Geschehen am ehesten gerecht werden kann. Während in „Schindlers Liste“ und „Das Leben ist schön“ „Action“ geboten und eine Identifikation mit den Hauptfiguren ermöglicht wird (was zu deren kommerziellen Erfolgen – auch in Deutschland – führte), gibt es in „Shoah“ keine persönliche Geschichte, keine Identifikation, kein Happy-End. „Shoah ist kein Dokumentarfilm, aber auch kein Spielfilm ... Wenn es ein Spielfilm ist, ist es kein Film über den Holocaust“ (Claude Lanzmann).

Der Film wird in drei
sich wiederholenden
Teilen gezeigt:

Samstag, 17.6.00

19.00 Teil I

Sonntag 18.6.00

16.00 Teil II
19.00 Teil III

Samstag 24.6.00

16.00 Teil I
19.00 Teil II

Sonntag 25.6.00

16.00 Teil II
19.00 Teil III

aus dem Film, 5.8k

(1) bedeutet im Hebräischen
Abgrund, Vernichtung,
Dunkelheit, großes Unheil,
Katastrophe, Untergang
(2) Die Rolle der Reichsbahn
während der
Vernichtung hat
Raul Hilberg in
seinem Buch
„Die Vernichtung der
europäischen Juden“
ausführlich beschrieben.


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last modified: 28.3.2007