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Die Big Brother Show = Menschenverachtung!

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Die 68er-Hörsaal-Revoluzzer wollten nächst sich selbst vor allem das Proletariat emanzipieren und die Unterschichten zur Teilhabe am Diskurs ermuntern; ihre Nachfahren, die politisch korrekten Linken der 90er, hielten sich viel darauf zu gute, jede Randgruppe zum vermeintlichen Opfer der Gesellschaft zu erklären und vor den Emanzipationsaltar zu zerren. Heute hocken teleemanzipierte Prolls vor der Kamera und nehmen ihr Recht auf öffentliche Mitsprache beim Wort, während die einstigen, längst etablierten Umstürzler betreten auf das unerfreuliche Ergebnis schauen.
(aus: Focus 10/2000)

Anschließend trat auch noch Karl Moik („Musikantenstadl“) mit einer Big Brother-Mütze auf.
Bild, 14. März 2000)

, 0.0k „Eine Performance, von der der Kunstbetrieb nur träumen kann. Die wie alle gute Kunst Opfer fordert, den Exzess, die Überschreitung“, so kommentiert der Tagesspiegel, was unter dem selten dämlichen Namen Big Brother – dummenfängerischer auf abrufbaren Halbbildungsniveau geht’s nimmer – PR-Wellen des inszenierten Interesses schlug. Sauer darüber, nicht selbst die Rechte am „Hype des Jahres“ (taz) ergattert zu haben, gibt man sich seriös interessiert am „Psycho-TV“ (AP).
Der Voyeurismus der Tat wird beklagt, das „Spanner-TV“ (LVZ) sei nun da und wachse sich zur „flächendeckenden Volksverdummung“ (Roman Herzog) aus. Nur wenige gehen gelassen an die Sache heran: die „Game-Show in Echtzeit“ löse „die üblichen kulturpessimistischen Reflexe aus“ (Tagesspiegel), so als Bedrohung des „Wertegerüstes unserer Vefassung“ (Ministerpräsident Kurt Beck).
Das individualisierte Bedürfnis und seine Befriedigung ist die gleichmacherische Wechselwirkung, die selbst bereits Teil der Kulturindustrie im Kapitalismus ist. Ohne sie gäbe es den Fortschritt als gesellschaftliche Markt-Normierung nicht.
Die Dichotomie von Interessensgegensätzen gelte gegenwärtig laut FAZ als Übergang von der Phase „Kluge machen Programm für Dumme“ zur nächsten Phase des „Dumme machen Programm für Dumme“, woraufhin der Focus sehnsüchtig fragt, ob das „der gute alte Klassenkampf (...) in neuem Gewande, (...) ausgetragen über Kabel und Satellit“ sein könne. Wäre das nämlich so, dann wär mal wieder auf längere Sicht was los.
Karl Moik mit Big Brother-Cap als Revoluzzer? Und im Fernsehen dann Musikantenstadl 24 Stunden lang? Nun, die aktive Opferrolle, jene die vorgibt, von „den Medien mißbraucht“ worden zu sein, ist nichts anderes als die Selbstbejahung des Täter-Status. Somit ist die beklagte mediale Menschenverachtung im Individuum selbst verdinglicht: alle verhalten sich so, wie sie denken sich verhalten zu müssen. Dazu ist das Denken geprägt von dem Bewußtsein, daß sich der Wert eines Menschen in Geld ausdrücken ließe.
Ja richtig, bürgerliches Denken nennt man das seit I. Kant. Und da wären wir auch schon bei der Vernunft – der quadratisch-praktisch-guten: Die Big Brother-Show leide unter massivem Einschaltquotenschwund heißt es, was der kritisch-neidvollen Medienwelt bedeutet, daß sich hier nur die Vernunft des Konsumenten-Individuums offenbaren könne. Und Schwuppdiwupp wird das Zappen von Big Brother zu Birte Karalaus oder sonstwem zu einem Sieg des Gesellschaftsystems, den die Aufklärung, nur allein die Aufklärung, bewirkt hätte, so daß einer der „umstrittensten Sendungen der Fernsehgeschichte“ (FAZ) die große Nachfrage abhanden gekommen sei.
In solchen Fällen kommt einem Linken logischwerweise das Kotzen. Das Gegenmittel fand ich rein zufällig diesmal in einer älteren Ausgabe der Zeitschrift 17deg.: Die Ablehnung des Ganzen, „soll diese nicht reaktionär ausfallen, (muß jedoch) zugleich eine andere Gesellschaft als Forderung beinhalten“.
Na bitte, alles klar. Ralf


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last modified: 28.3.2007