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Freiheit im Wendeschlußverkauf
Am 26.01.00 wurde vom Bundeskabinett eine Änderung des bundesdeutschen Passgesetzes beschlossen, nach dem sogenannte Hooligans an der Reise zur Fussball-Euorpameisterschaft in Belgien/Niederlanden gehindert werden sollen. Damit schreitet die Konstruktion des kriminellen Fussballfans und dessen gleichzeitige Verfolgung voran.
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Mit der Beschlusslegung des Bundeskabinett, vom 26.01.00 zur Änderung des Passgesetzes verschärft sich die Verfolgung sogenannter „Fussball-Krawalltäter“ seitens der bundesdeutschen Regierung. Schon seit Jahren enthält das bundesdeutsche Passgesetz die Hooligans, 8.2k Möglichkeit, gegen bekannte „Hooligans“ Ausreisebeschränkungen zu verhängen. Bis dato werden etwaige Verstöße jedoch lediglich als Ordnungswidrigkeit behandelt. Nach den Vorstellungen der Innenministerkonferenz und des Innenministers der Bundesrepublik Deutschland Otto Schily sollen solche Verstöße nun jedoch als Straftaten geahndet und verfolgt werden.
Nach den Worten Schilys soll die Europameisterschaft 2000 in Belgien/Niederlande „ein schönes, großes und friedliches Fussballfest“ werden, „bei dem die Spieler und die Zuschauer nicht durch Randalierer oder gar Kriminelle gestört oder gefährdet werden“. Hintergrund seien die Ausschreitungen deutscher Hooligans bei der WM 1998 in Frankreich, bei der der Polizist einer französischen Spezialeinheit, Daniel Nivel, von deutschen Hooligans fast zu Tode geprügelt wurde.
Augenscheinlich sind die Bemühungen der deutschen Bundesregierung, das Bild des neuen Deutschlands als humanitäre Weltmacht zu lancieren und gleichzeitig Fussball als sauberen Sport der kritiklosen konsumierenden Masse zu verkaufen. „Randalierer“ oder „Kriminelle“ stören bzw. gefährden das profitheischende Spektakel und sollen somit isoliert werden.
Konkret sieht die Vorgehensweise so aus, dass bekannte „Hooligans“ unter allen Umständen an der Ausreise gehindert werden sollen. Zu den Mitteln zählen neben dem Pass-Entzug „Meldeauflagen und Ingewahrsamnahmen“ (Bundesinnenministerium) für die Betroffenen. In Deutschland wären, laut Innenminister, derzeit ca. 8.000 Personen von derartigen Maßnahmen betroffen. Das Gesetz soll im April im Bundestag beschlossen werden und bereits im selben Monat in Kraft treten.
Dem Treiben der Bundesregierung liegt das Verständnis von Fussball als „sauberen Sport“ zugrunde, welches von Hooligans jeglicher Couleur zu zerstören versucht wird. Ihr ist dabei keine Pauschalisierung und Diskriminierung zu dreckig, um sie nicht gegen missliebige Personen anzuwenden. Aus diesem Ansinnen heraus wird das Bild des kriminellen Hooligans konstruiert. Menschen, die in ihrer „Karriere“ als Fussballfan in irgendeiner Weise in Konflikt mit den bestehenden bundesdeutschen Gesetzen geraten sind, werden der anderen Seite der Medaille zugeschrieben, den Chaoten, den Krawallmachern, den Kriminellen als solchen. Sie erhalten in der medialen Zuschreibung die Attribute „Randalierer oder gar Kriminelle“ (Schily).
Sind jene Fussballfans einmal von den bundesdeutschen Ordnungsbehörden als solche „Kriminelle“ demaskiert, bedeuten ihr Leben und ihre Menschenrechte nicht mehr viel. Sie werden als Randgruppe identifiziert, isoliert und schließlich bekämpft. Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte auf Menschenwürde, Handlungsfreiheit, Freiheit der Person etc. gelten für jene, angeblich gegen das Gesetz Agierende, nicht mehr.
Die Gesetzesänderung sieht vor, dass sich solche Personen regelmäßig bei der Polizei ihrer Wohnorte zu melden haben oder dass sie, wenn es denn gewollt ist, für eine bestimmte Zeit in Gewahrsam genommen werden können. Konkret bedeutet dies, dass willkürlich Personen, die nach den Kriterien der Staatsorgane die Vorgabe des „Hooligans“ erfüllen, bis zu 2 Wochen in ein Gefängnis gesteckt werden können. Ihr Verbrechen dabei ist allein, Fussball zu mögen und in diesem Zusammenhang einmal gegen bestehende Gesetze verstoßen zu haben.
Dass mit dieser Praxis Fussballfans und Hooligans pauschal kriminalisiert werden, ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Tatsächlich bedeutet die Änderung des Passgesetzes einen weiteren Schritt zum Abbau demokratischer Grundrechte für Randgruppen. Das Verfahren, ist es einmal im Passgesetz verankert, findet natürlich nicht nur bei der Fussball-Europameisterschaft Anwendung, sondern ist auf all jene Ereignisse ausdehnbar, bei denen der Staat dissidentes Verhalten von Teilen seiner BürgerInnen zu befürchten hat. Ist es schon jetzt der Fall, dass im Vorfeld von verbotenen Demonstrationen (z.B. bei den jährlichen Rudolf Hess-Gedenkmärschen von Faschisten) Personen willkürlich in Gewahrsam genommen werden, wird diese Praxis nun vollständig legalisiert und ausgeweitet. Auch bei Demonstrationen handelt es sich um legale Ereignisse, dessen Besuch verschiedenen Menschen jedoch vorenthalten werden soll. Allein die „Befürchtung“ der Polizei, es könnten Straftaten begangen werden, sind in Zukunft ausreichend, um Personen in Gewahrsam zu nehmen, bzw. ihnen Meldeauflagen zu erteilen. Das Recht auf Meinungfreiheit wird damit also nicht nur eingeschränkt, es wird de facto abgeschafft. Um unliebige Meinungsäußerungen zu unterbinden, werden Personen kriminalisiert und eingeknastet.
Wenn auch dieses Gesetz bisher nur geringe Beachtung erfuhr, so bleibt zu konstatieren, dass es sich hierbei um ein nicht unwesentliches Instrument zur totalen Kontrolle des Staates über Menschen nichtkonformen Gedankengutes handelt. Es reiht sich nahtlos in die aktuellen Bestrebungen der Bundesregierung ein, die Menschen dieses Landes der totalen Überwachung und Kontrolle zu unterziehen. Mittels Videoüberwachung werden widerständige Personen erfasst und katalogisiert, während sie mit anderen Instrumentarien, wie dem veränderten Passgesetz, verfolgt und eingesperrt werden. Die Strategie und das System ist jedoch das gleiche. Auch das Ergebnis ist das gleiche: Die Abschaffung der im Grundgesetz verankerten Grundrechte.
Bis heute bleibt der Protest gegen derartige Beschneidungen der Menschenrechte marginal. Selbst scheinbar linke Parteien wie die PDS kümmern sich einen Dreck um derartige Angelegenheiten, wie die Proteste gegen die Überwachungskameras in Leipzig deutlich zeigen. 10 Jahre nach der sogenannten „Wende“ bleibt festzustellen, dass die Werte, um welche angeblich gekämpft wurde, der Masse heutzutage als lästige Relikte der Wendezeit erscheinen, deren man sich schnellstmöglich zu entledigen hat, um an den Futtertöpfen des Kapitalismus mitfressen zu können.
o.i.


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last modified: 28.3.2007