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Nachfolgend dokumentieren wir eine Einladung zu einem Kongreß der antideutschen Zeitschrift Bahamas

Einladung zum Kongress:

"10 Jahre später: eine antideutsche Bilanz"

Absage
Die in BAHAMAS Nr. 29 unter dem Titel “Der Hauptfeind ist das eigene Land” angekündigte Konferenz findet nicht statt. Die BAHAMAS-Redaktion ist aus den Vorbereitungen ausgestiegen, weil die mitveranstaltende Gruppe sur l’eau es für nötig befand, originäre MG-Ziehkinder auf ein Podium setzen zu wollen und solchermaßen ihren eigenen, der “Minima Moralia” entlehnten Namen ad absurdum zu führen. Wegen dieses und weiterer Ärgernisse drohte die Konferenz eine Neuauflage des Debakels von Hannover im Oktober 1998 zu werden. Damals hatte das Junge Linke-Spektrum bewiesen, daß man am 3. Oktober durchaus eine antinationale Konferenz durchführen kann, ohne dabei von Deutschland zu reden. Es blieb auf Seiten der Veranstalter einer Minderheit – insbesondere sur l’eau – vorbehalten, den antinationalen Gemeinplätzen wenigstens teilweise eine antideutsche Spitze entgegenzusetzen. In BAHAMAS Nr. 27 wurde die Konferenz von der Redaktion scharf attackiert. Mit dem Ergebnis, daraufhin von sur l’eau ersucht zu werden, gemeinsam zum 3. Oktober 1999 etwas Besseres zu veranstalten. Es war jedoch ein Fehler, sich vor antinationalen Plattitüden in Sicherheit zu wähnen. Denn obwohl die kritischen Einsichten der sur l’eau-Vordenker eine gewisse Übereinstimmung mit denen der BAHAMAS aufweisen, hat sich die parteiförmige Struktur der Jungen Linken stärker erwiesen als die Stimme der Vernunft. Den sur l’eau-Leuten und ihrem antinationalen Anhang wurde die rote Karte gezeigt.
Diese unerfreulichen Dinge aber werden die BAHAMAS-Redaktion nicht davon abhalten, zusammen mit der Freiburger ISF und dem Antinationalen Plenum Detmold, am 2. Oktober 1999 eine antideutsche Konferenz zu veranstalten. Nicht erst die Auseinandersetzungen mit den Jungen Linken haben bestätigt, daß die Frage „Antideutsch oder nur antinational?” entscheidend ist. Hier verläuft der Schnitt zwischen Mitmachern und Kritikern, zwischen Lehrstuhl-Aspiranten und Feinden der bürgerlichen Wissenschaft, zwischen interesselosen Freunden der Theorie und denen, die Kritik als Waffe begreifen.

Durchblick mit der Bahamas, 4.5k

Einladung
Anläßlich des diesjährigen deutschen Jubeltages wollen wir eine kritische, antideutsche Bilanz ziehen. Diese Bilanz sollte sowohl eine Bestandsaufnahme des deutschen Vormarsches seit ’89 beinhalten als auch eine Abrechnung mit dem Versagen der linken Kritiker der deutschen “Wiedervereinigung”.
Das Gros der radikalen Linken begreift sich heute vor allem als antinational, jedoch nicht als antideutsch. Noch zu Beginn der 90er Jahre galten antinationale und antideutsche Positionen als synonym und wurden zusammen vom Mainstream der Linken bekämpft. Zwar war einem die deutsche Entwicklung alles andere als sympathisch, doch wollte man sich die “nationale Frage”, als tendenziell emanzipatorisch und antiimperialistisch begriffen, nicht aus den Händen nehmen lassen. Heute hingegen positionieren sich auch die alten Freunde des nationalen Befreiungskampfes als ebenso antinational wie ehemalige Antideutsche. Das hat seinen Grund in der offenkundigen Ausweglosigkeit nationalstaatlicher Alternativprojekte und Neugründungen. Ihrer, den Zeitläufen des Kalten Krieges geschuldeten, sozialistischen Hülle entkleidet, zeigen sie sich als ganz gewöhnliche Herrschaftsprojekte, unter den Bedingungen des „globalisierten” Weltmarktes vielfach als besonders brutale Menschenschindereinrichtungen.
Das Einschwenken von Anhängern der nationalen Befreiung auf Antinationalismus kann also als ideologischer Reflex auf die veränderte Weltsituation interpretiert werden. Warum aber übt Antinationalismus als Phrase auch in der vor kurzem noch antideutschen Linken gewissermaßen eine „ideologische Hegemonie” aus, während die explizite Kritik an der besonderen Form des deutschen Nationalismus und Imperialismus oft als störend empfunden wird?
Deutschlands „Wiedervereinigung” und sein Aufstieg zur Großmacht wurde von Anhängern wie Gegnern mit Argumenten begleitet, für die gleichermaßen das Nationale im Mittelpunkt stand. Während die einen das „nationale Selbstbestimmungsrecht” auch für Deutsche einforderten, verwiesen die anderen auf die grauenvolle deutsche Geschichte als Resultat eines „Sonderweges”. Heute behauptet Deutschland seine nationale „Normalität” und stellt seine Ansprüche an die Welt vor allem mit Verweis auf globale und universalistische „Werte”. Die Linken haben sich dieser Entwicklung offenkundig angepaßt und präsentieren sich so antinational, wie es notwendig ist, um als Opposition in Deutschland nicht aus dem Spiel der politischen Alternativen herauszufallen.
Die antinationale Linke könnte also als kritische Begleiterin eines Aufstiegs der deutschen Weltmacht verstanden werden, bliebe nicht der Unterschied einer – immer noch als grundsätzlich begriffenen – Ablehnung jeder Nation, was auch die Feindschaft gegenüber Deutschland einschließen müßte. Doch ihre Feindschaftserklärung gegenüber dem deutschen Staat und seinen Ambitionen wird den Antideutschen von den antinationalen Linken zum Vorwurf gemacht: Sie seien zu fixiert auf Deutschland und lieferten damit einen Beitrag zur Relativierung des Nationalismus und zur Abschwächung eines umfassenden Antinationalismus.
Antinationalismus bleibt aber eine politisch hilflose Geste, berücksichtigt er – vor allem in diesem Land – nicht die besondere Erfolgsformel, die es gerade der deutschen Großmacht ermöglicht, trotz internationaler Kapitalverwertungskrise ihren Einfluß zu stabilisieren und auszubauen. Deutschland hat durch seine politische Vergesellschaftungsform – die historisch als „Sonderweg” zwar unzureichend beschrieben aber dennoch einigermaßen zutreffend gekennzeichnet ist – vorweggenommen, was anderswo durch den ökonomischen Selbstlauf erst durchgesetzt wird: Den als selbstverständlich begriffenen Konsens von Bevölkerung und Staat, die Aufhebung jedes partikularen „Klassen”-Interesses in der (demokratischen) Volksgemeinschaft. Inzwischen wird das organisierte Deutschtum ja nicht nur von den völkischen Rassisten der kosovo-albanischen UCK zur Hilfe gerufen, auch von den bislang einem rein politischen Nationalismus frönenden Helden der kolumbianischen ELN wird das deutsche Modell der sozialen Integration favorisiert.
Die Konjunktur der antinationalen Phrase in der deutschen Linken steht für mehr als nur eine Kurskorrektur linker Theorie und damit auch Praxis. Eine vermeintlich auf hohem Niveau diskutierende seminaristische Linke arbeitet sich an einer Kritik der Nation, des Rassismus, der nationalistischen Verblendung des Parteikommunismus usw. ab. Ihre fast immer strukturalistischen „Erklärungsansätze” wandeln auf dem Weg demokratischer Diskurse und bilden mit ihrer Kritik am „totalitären” Wahrheitsanspruch ein Bollwerk des Antitotalitarismus heran. Die linksradikale „Praxis” wird zur ratlosen Fortsetzung von „Bewegung” in deren Zentrum die soziale Frage und der Antirassismus stehen. Die darauf beruhende „radikale” Realpolitik bleibt vom nationalen Konsens oft ununterscheidbar. Beispielsweise wird gelegentlich sogar offen ausgesprochen, daß die jüngste „Existenzgeld”-Debatte direkt dem Arbeitsministerium entsprungen sein könnte. Doch würde man daraus ernsthafte Konsequenzen ziehen, müßte unweigerlich die Einsicht in den Bankrott des gesamten linksradikalen Politikmachens erfolgen. Nicht zufällig erfolgte der Durchmarsch des phraseologischen Antinationalismus zusammen mit dem letzten Regierungswechsel. Schließlich war ein ganzes gesellschaftliches Terrain vakant geworden: das der linken, demokratischen Opposition. Dabei darf man so radikal sein wie Jürgen Trittin beim Gelöbnis 1998. Sowohl der Walsersche Schlußstrich als auch der dritte deutsche Krieg gegen Serbien wurden in diesem Sinne geradezu als Einladungen zum Engagement begriffen. Der Schlußstrich unter die lästige Vergangenheit gerade der deutschen Nation wird nicht mehr mittels verdrucksten Schweigens, sondern durch fortwährendes Geschwätz über Auschwitz gezogen.
Daß der erste deutsche Krieg seit 1945 als „antinationaler” deklariert war, dessen Legitimität sich niemand mehr völlig entziehen sollte, dementiert und bestätigt zugleich die antideutschen Prognosen. Wer im Pogromjahr 1992 voraussah, daß die „national befreiten Zonen” im deutschen Osten ein notwendiges Resultat der rassistischen Mobilisierung sein würden, hat gegen diejenigen Recht behalten, die den deutschen Rassismus als Kennzeichen europäischer Normalität interpretierten. Wenn auch kein neuer deutscher Faschismus stattfindet, hatten noch die krudesten Warnungen vor einem „Vierten Reich” den Vorteil, daß ihnen das Erschrecken über Deutschlands Zuwachs und die sich wieder formierende Volksgemeinschaft zugrunde lag. In diesem Sinne war jeder antideutsche Irrtum ergiebiger als die differenzierteste Debatte um eine prinzipielle Kritik der Nation. Es gibt keine Wahrheit über die „Nation an sich”, doch eröffnet die Wahrheit über Deutschland die potentielle Wahrheit über jede Nation. Eine Kritik der Nation – und das gilt besonders für die Linke hierzulande –, die ihren Fluchtpunkt nicht im deutschen Spezifikum, also der Fortexistenz und Erneuerung als eine nationale „Wertegemeinschaft”, findet, produziert eine Wahrheit, die so gleichgültig und unspezifisch ist, daß sie schließlich zur Lüge wird.
Die antirassistische Empörung, die sich nach der ersten Pogromwelle antideutsch aufzuladen schien, lebte großenteils von der Notwendigkeit, das andere Deutschland zu zeigen. Heute wird die Kontinuität als Bruch mit den faschistischen Eroberungsplänen verkauft, mit Deutschland auf der Seite der „Guten”, emanzipiert von jeglichem Anspruch auf „Sonderwege”. Zur Legitimation des jüngsten deutschen Krieges reichte eine „antinationale” Medienkampagne gegen „die Serben” und gelegentlich gegen „den nationalen Egoismus” der USA völlig aus. Das Resultat war die Kapitulation einer Linken, die von der Ablehnung moralisch begründeter Kriege ebenso überfordert ist wie von einer fundierten Kritik des staatlich inszenierten „Antirassismus” und der öffentlichen Rituale der „Vergangenheitsbewältigung”. Wie sehr die Kontinuität des Nationalsozialismus gerade in solchen, ihm scheinbar entgegengesetzten Phänomenen waltet, darüber wollen wir auf der antideutschen Konferenz am 2. Oktober 1999 diskutieren.
BAHAMAS-Redaktion, August 1999
Bahamas, 1.2k
PF 62 06 28
10796 Berlin
Tel./Fax: 030-6234469
e-mail: bahamas@mail.nadir.org


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last modified: 28.3.2007