Offener Brief des Kultur- und Jugendzentrums Conne Island zur Berichterstattung der Leipziger Volkszeitung in ihrer Lokalausgabe vom 6. Februar 1999
In der Leipziger Volkszeitung vom 6. Februar 1999 nimmt
sich Ihre Zeitung des selbst so betitelten Themas rechte und linke
Jugendliche über ihre Ansichten an. Hintergrund dafür seien, so
Ihr Blatt weiter, Krawalle der zurückliegenden Wochen in Leipzig.
Dabei wird mehrmals das Conne Island erwähnt, weil dort jeweils
donnerstags das Offene Antifaschistische Plenum stattfindet, das nach Auskunft
des recherchierenden LVZ-Journalisten Jens Rometsch selbigem ein Interview
versagte, wo er doch nur, nach eigenen Worten, Vertretern von
Rechts und Links eine Stimme (...) geben wollte. Wir können gut
nachvollziehen, warum einem Menschen, der seiner wahrscheinlich als
natürlich begriffenen journalistischen Mission zwanghaft nachgehen
muß, indem er offenen Nationalsozialisten und Rassisten des
Treff 2 im Leipzig-Grünauer Jugendzentum Kirschberghaus eine
Stimme gibt, ein Interview verweigert wurde. Es versteht sich nach
unserem Dafürhalten von selbst, daß man der dummdreisten
Gleichsetzung von Links und Rechts als
mutmaßliche Extremisten-Pole nicht auf den Leim geht und sich
dieser widerwärtigen ahistorischen Interpretation entzieht und das
Spielchen einfach mal nicht mitspielt. Daß der arme, karierreorientierte
Journalistentropf Jens Rometsch mit dieser Situation womöglich völlig
überfordert war, liegt wohl daran, daß es ihm während seines
bisherigen Journalistenstudiums kein Prof. sozusagen am
Reißbrett erklärt hat, wie in diesem Falle zu verfahren sei.
Der beim Studium eingetrichterte Journalisten-Ethos der
Objektivität und Neutralität kam bei
Rometschs Berichterstattung über sogenannnte rechte und linke
Jugendliche in Leipzig voll zum Tragen.
Frei von der Leber hackt er sodann hanebüchenen Blödsinnn auf seiner
Tastatur in den Computer: Der Treff 2 im Grünauer Kirschberghaus, so
Rometsch, sei der einzige Klub in Leipzig, der für extrem rechts
orientierte Jugendliche reserviert ist. Nur ein bißchen
Verständis von der Eigendynamik subkultureller Hegemonie und der Rometsch
verstünde, wie es in sehr vielen offenen Jugendeinrichtungen Leipzigs
aussieht genauso nämlich wie auf den Straßen Leipzigs
dominiert der rechtsradikale, dem NS anhängende rassistische Mainstream
das Straßenbild. Doch um das zu verstehen und zu reflektieren
müßte Rometsch etwas über subkulturelle Kleidungscodes, Musik
und der damit transportierten Werte wissen. Daß dies absolut nicht der
Fall ist, offenbart sich, wenn Rometsch völlig sinngemäß Zitate
eines Nazis aus dem Treff 2 wiedergibt Wenn sein Treff
schließe, müßten auch Werk II oder Conne Island dichtmachen,
wo Glatzen niemals reinkommen. Ohne zu wissen, daß wir
als Conne Island seit Jahren antirassistische bzw. nicht-rassistische
Oi!-Skin-Konzerte veranstalten und wirkliche(!) Skinheads tagein tagaus im
Conne Island wie auch im Werk II verkehren, übernimmt Rometsch die vor
Dummheit strotzende Annahme der Nazis aus dem Treff 2 und um nichts
anderes wie offene Nazis mit entsprechendem Weltbild handelt es sich bei diesem
Klientel , die dortigen Faschoglatzen seien so eine Art Skinheads.
Vielmehr aber sind diese Männer und Frauen, die den Treff 2 frequentieren,
Leute, die seit Jahren versuchen, die Geschichte der Skinheadbewegung für
sich unnd ihre Nazi-Bewegung zurechtzulügen. Dagegen arbeiten wir seit
Jahren erfolgreich und präsentieren die wirklichen Oi! Skin-Bands aus Europa und Übersee.
LVZ-Rometsch zitiert auch von den Nazis des Treff 2 genannte Fakten: Die
Hälfte der Leute im Treff 2 sei nicht politisch aktiv. Ohne auch nur
ein Fünkchen Sensibilität an den Tag zu legen, läßt
Rometsch diesen Fakt einfach so stehen, als wäre das das schönste von
der Welt, wo alle ja immer nur über Politikverdrossenheit bei
der Jugend jammerten. Reden wir also mal Tacheles, weil es Rometsch in seinem
beschönigend-affirmativen Betroffenheitsduktus nicht für nötig
hält: 50 Prozent aller im Treff 2 verkehrenden Nationalsozialisten sind
also politisch aktiv. Daß die Sozialarbeiter im
Kirschberghaus auch noch in hundert oder besser: tausend Jahren diese
Selbstbezichtigungen klein reden werden und verharmlosen, nehmen wir als
dortigen praktizierten alltäglichen, distanzlosen Täterschutz einmal mehr zur Kenntnis.
Die Hälfte aller im Treff 2 verkehrenden Nazis sind also politisch
aktiv. Was mag das wohl bei überzeugten Nationalsozialisten
heißen? Sind sie alle aktive Greenpeacemitglieder? Engagieren sie sich
für den Tierschutz und betreuen Eltern-lose Tiere im Tierheim
um die Ecke? Oder sammeln sie gar Unterschriften gegen die sogenannte doppelte
Staatsbürgerschaft für die CDU? Die Antwort steht beispielsweise in
der vom Zentrum demokratische Kultur veröffentlichten Studie
über die Situation um das Grünauer Kirschberghaus. Doch LVZ-Rometsch,
nicht müde, peilt die didaktisch angelesene Ausgewogenheit der
Berichterstattung an und zitiert sofort im nächsten Satz den
Ex-Kirschberghaus Sozialarbeiter namens Andreas Strobel, der mir nichts
dir nichts rausposaunt, daß die Studie zum großen Teil
faktenwidrig sei. Was der Strobel aber damit meint, ist nicht das, was er
sagt, sondern daß, was er weiß: Die Studie belastet den Treff 2
schwer und somit auch seine geleistete Arbeit. Und wer kann dazu schon ja
sagen... Der Chef des jbv, dem Trägerverein des Treff 2, Wolfgang
Dreßler, läßt Rometsch offenkundig lügen:
Gewalttätige Übergriffe gingen in den letzten Jahren
nachweisbar nicht vom Kirschberghaus aus. Was Dreßler damit sagen
will, meint eines der Grundessentials der Kritik am sozialarbeiterischen Ansatz
im Treff 2: Wenn die dort verkehrenden Nazis nur ein bißchen Grips in der
Birne haben bei den meisten ist das ja der Fall und sie werden deshalb
ja auch von Antifaschistinnen und Antifaschisten ernst genommen , lassen
sie ihre Aktionen nicht direkt vom Kirschberghaus starten, sondern nutzen den
Treff 2 nur für Absprachen, als sozialen Ort allgemein und
Rekrutierungsfeld im besonderen. Daß trotzdem immer wieder Aktionen vom
Kirschberghaus direkt ausgegangen sind, spricht zum einen für die
Bedeppertheit der dort verkehrenden Nazis und zum anderen für die
Unverfrorenheit, mit welcher die verantwortlichen Sozialarbeiter die Situation
in und um den Treff 2 verharmlosen, entschuldigen und schützen. Jens
Rometsch, der aufstrebende, halbgebildete Journalist und mutmaßlich
eifriger Verfechter der Totalitarismusthese, springt, um beim Provinzblatt LVZ
Karriere machen zu können, blindlings den Kirschberghausverantwortlichen
zur Seite, in dem er deren Verharmlosungsstrategie in der Öffentlichkeit
via Zitate kolportiert. (Was eine Kolportage ist, dürfte Rometsch
mittlerweile durch sein Journalismusstudium gelernt haben.)
Ungeprüft bringt Rometsch sämtlichen Blödsinn, der ihm ins
Diktiergerät gequasselt wird, zu Protokoll: Er läßt einen
Sozialarbeiter des Kirschberghauses vom Leder ziehen, ohne richtigzustellen:
Von den Leuten, die sich pausenlos zu unserem Klub äußern, war
niemand hier und hat mit den Kids gesprochen. Die Fakten liegen jedoch
anders: Trotzdem die Gefährdung der Gesundheit für alle Kritiker des
Treffs 2 bei einem Besuch allgegenwärtig ist mit Angriffen gegen
die jeweiligen Personen muß jederzeit gerechnet werden, selbst wenn die
Sozialarbeiter dabei sind suchten etliche Kritikerinnen und Kritiker die
Einrichtung trotzdem auf, um sich selbst ein Bild zu machen. Auch wenn sie aus
Angst Blut und Wasser geschwitzt haben, ist den meisten wohlgemerkt den
meisten nach unserem Kenntnisstand nichts passiert. Für die
Sozialarbeiter ist dieser Fakt Beleg genug, um sich schützend vor die
Nazis zu stellen. Und Rometsch, der gutmenschelnde Rometsch, liefert dafür
dann die entprechenden O-Töne der Nazis frei Haus: Wir wollen nur
unsere Ruhe und etwas Spaß, nach der Arbeit mit Kumpels quatschen.
So nebenbei fliegt der Stuß von der Verelendungstheorie auf, nach der ja
bekanntlich Nazis deshalb zu Nazis würden, weil sie keine Arbeit
hätten. Doch Rometsch ficht solch Nebensächlickeit nicht an. Viel
lieber zitiert er genußvoll den Drummer der schlimmsten Nazi-Band
Leipzigs, ODESSA, der sich darüber ausheulen kann, wie Rometsch schreibt,
daß der Probenraum im kommunalen Teil des Objektes für seine
Band gestrichen wurde. Warum und weshalb die Band dort nicht mehr probt,
darüber verliert Rometsch keine Silbe wir aber wissen es:
Stillschweigend nahmen die Sozialarbeiter eine Ewigkeit in Kauf, daß die
Band allenthalben den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt und die
Aufstachelung zum Rassennhaß proklamiert. Selbst als die Titel der Band
indiziert wurden, konnte die Band weiter proben. Erst als beherzte Leute auf
allen administrativen Ebenen Informationen lieferten und Druck ausübten,
flog die Band aus dem Proberaum im Kirschberghaus raus.
Auch dafür, daß im Treff 2 ein, wie Rometsch zitiert,
orthodoxer Nationalsozialist sich outet, der zudem noch 30
Jahre ist und deshalb wohl noch weniger dort etwas verloren haben
muß, wie seine jüngeren Kameraden, hat Rometsch keine kritische Würdigung parat.
Es ist ein alter Hut, was sich in dem Artikel der LVZ vom 6. Februar
widerspiegelt: Die Täter werden zu Opfern gemacht! Mutmaßlich
handelt es sich dabei um die Kollektivpsychose, mit der auch 1945 die
Stunde Null herbeigelogen wurde: Es gab weder vor 33 eine
NS-Massenbewegung noch zwischen 33 und 45 ein deutsches Volk,
daß in der Mehrheit mitgemacht hat. In die entprechenden Relationen des
Geschichtsbewußtseins gesetzt, läßt sich der LVZ-Artikel des
Autors Rometsch als gründlicher Persilschein für nazistische
Betätigung und Denkweise lesen gewürzt mit der fast schon
hierzulande obligatorischen Gleichsetzung mit einer ominösen Linken.
Was sollen wir von einem Autoren wie J. Rometsch halten, der einige Tage vorher
in der LVZ (Ausgabe vom 2. Februar) indirekt zugibt, daß er noch nie
etwas von dem wirklich medial omnipräsenten Rechtsextremismus-Experten
Bernd Wagner gehört hat? Rometsch entblödete sich tatsächlich
nicht, den von fast allen Medien letztendlich zum Experten geadelten Wagner zu
einem selbsternannten Besserwisser in Sachen Rechtsextremismus zu degradieren.
Das läßt hinsichtlich tatsächlicher Sachkomptenz des Herrn Rometsch tief, sehr tief blicken.
Dem Ganzen die Krone auf setzte Rometsch in besagtem Artikel vom 6. Februar
aber mit der bloßen Diffamierung und Denunziation unseres
Vereinsmitgliedes, der Soziapädagogin Ilona Weber. Es riecht hier
förmlich nach einem persönlichen Nachtreten, für etwas, was
niemand weiß, wenn Rometsch unvermittelt schreibt, daß Ilona Weber
letzten Sonntag bei der Demonstration von Antifaschisten in
Connewitz mitlief und dann anfügt: sicherheitshalber
vermummt. Unbenommen der Vermutung, daß Rometsch bei seinem
Journalismusstudium scheinbar nicht über das Versammlungsgesetz und dem
dort fixierten Vermummungsverbot gestolpert zu sein scheint der Ilona
Weber also hier eine Straftat unterjubelt , schreibt sich der arme
Rometsch womöglich um Kopf und Kragen: Es gab schon Fälle, da ist das
Nichtanzeigen eines solchen Straftatbestandes als Strafvereitelung abgeurteilt
worden... Aber schaun mer mal, wie der Kaiser in ähnlich gelagerten
Fällen zu sagen pflegt. Warum dieses Pamphlet so ausführlich geworden
ist, erklärt sich allein aus der Tatsache, daß wir es selbstredend
nicht zulassen, daß unsere langjährige Arbeit mit der Gedankenwelt
von Rassisten und Nazis auf eine Stufe gestellt wird, wie wir es in besagtem
Artikel als Grundtenor herauslesen können. Für uns steht fest,
daß wir keine Rassisten akzeptieren. Und Nazis schon gar nicht! Über
das Wie diskutieren wir gern. Nicht aber über das Wann! Bei uns gilt
jederzeit: Kein Platz für Nazis und Rassisten!
Daß wir mit dieser Herangehensweise in der LVZ keinen Bündnispartner
gefunden haben, ist uns schon seit längerem klar. Deshalb gibt es auch von
seiten des Conne Island keine Kooperation mit der LVZ. Was wir aber von allen
verlangen ist, daß sie zur Kenntnis nehmen, was wir machen nur
verstehen müssen sie es nicht auf Gedeih und Verderb. Genau das haben wir
auch 1995 der Leipziger CDU anläßlich unserer Beteiligung an dem
Hausbesetzerkongreß mitgeteilt. Und wir tun dies auch gern gegenüber der LVZ.
Leipzig, den 09. Februar Das Conne Island-Team |