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Ein Leipziger Antifaschist sollte wegen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verknackt werden. Doch nicht nur, daß er freigesprochen wurde. Ein Polizeibeamter, der angeblich von dem Antifa verletzt worden sein soll, konnte des Meineides und der Körperverletzung genau dieses Antifaschisten überführt werden. Na das ist doch was. Lest im Folgenden die Schilderungen der Geschehnisse durch den betroffenen Antifa selbst.
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Selbstständige und unabhängige Entscheidungen.

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Am 9. November diesen Jahres war es amtlich: Freispruch vom Vorwurf der Staatsanwaltschaft, „einen Amtsträger, der zur Vollstreckung von Gesetzen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt Widerstand geleistet und ihn dabei tätlich angegriffen zu haben“.
Ganze zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis diese Wahrheit an’s Licht gekommen ist. Damals, am 25. Mai 1996, fand der „Bundeskongreß“ der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Leipzig-Meusdorf im dortigen „Siedlerheim“ statt. Zusammen mit dutzenden anderen Antifas fuhr ich in der Frühe zum Kongreßort, um dort klarzumachen, daß für die Nazis kein ruhiges Hinterland existiert. Das massive Polzeiaufgebot verdrängte uns gewaltsam aus der unmittelbaren Nähe des „Siedlerheimes“, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon eine spontane Kundgebung mit dem Einsatzleiter direkt am „Siedlerheim“ abgesprochen war. Die Polizei ging ziemlich brutal vor. Plötzlich stürmte aus der hinteren Reihe einer der Beamten auf mich zu und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Danach bearbeiteten mich mehrere Beamte, um mich aus dem Kreis der anderen DemonstrantInnen zu lösen. Nach einigem Gezerre gelang ihnen das auch. So wurde ich „vorläufig festgenommen“. Bei der anschließenden Durchsuchung und Personalienaufnahme wurde mir nach zigmaligem Nachfragen gesagt, daß ich wegen angeblicher „Tritte in die Genitalien“ des mich durchsuchenden Beamten festgenommen sei. Vermutlich durch die direkte Anwesenheit eines Bundestagsabgeordneten hatte mein ständiges Fragen nach dem Namen des Polizeibeamten Erfolg. So wußte ich nicht nur, wen ich angeblich getreten haben soll und wer mich durchsuchte, sondern auch, wer mir ins Gesicht geschlagen hatte. Denn dummerweise hat genau jener Beamter kurz vor dem Faustschlag laut ausgerufen: „Denn hol’ ich mir!“ Daß er damit vermutlich genau mich meinte, ging mir spätestens da auf, als der Beamte zur Personalienfeststellung und Durchsuchung vor mir stand. Im weiteren Verlauf kam ich bis zum Nachmittag des nächsten Tages, demzufolge anderthalb Tage, in „Unterbindungsgewahrsam“ mit den üblichen Sperenzchen wie Vernehmung, Leibesvisitation und ED-Behandlung. Aussagen habe ich dort logischerweise keine gemacht und auch meiner ED-Behandlung konnte ich mich erfolgreich widersetzen, da ich darauf verwies, schon einmal ED-behandelt worden zu sein. Wie mir später bekannt wurde, hatte man sich auch schon anderweitige Gedanken gemacht. In Absprache mit der Landespolizei erwog man tatsächlich, mich in Haft(!) zu nehmen.
Schon in Gewahrsam, bestand ich darauf, einem Arzt vorgeführt zu werden. Das passierte dann nach geraumer Zeit auch. Gegenüber dem Arzt verwies ich
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„komischerweise keine ärztliche Behandlung“ – Pressemitteilung der Leipziger Polizei zum Vorgehen beim Protest gegen den „Bundeskongreß“ der Nazi-Truppe „Junge Nationaldemokraten“
auf die Stelle im Gesicht, wo der Beamte hinlangte. Der Arzt nahm dies auf und so war die inzwischen eingetretene Schwellung auch aktenkundig.
Nach meiner Entlasssung suchte ich umgehend den ärztlichen Bereitschaftsdienst auf, um mir unabhängig vom „Knast“-Arzt bescheingen zu lassen, daß ich von dem Schlag des Beamten gezeichnet war. Zwei Tage später ging ich dann zur „normalen“ Ärztin. Diese attestierte mir unter dem linken Auge eine Prellung und ein Hämatom im Jochbeinbereich mit dem Verdacht auf Gehirnerschütterung.
Natürlich wollte ich die Geschehnisse des 25. Mai nicht auf mir sitzen lassen, zumal ich davon ausgehen mußte, daß gegen mich Anklage erhoben würde. So suchte ich einen Rechtsanwalt auf. Dieser beantragte erst einmal Akteneinsicht. Nach etlichen Wochen wurde meinem Anwalt mitgeteilt, daß eine Akte nicht existiere. Daraufhin besorgte sich der Anwalt – siehe da – das Aktenzeichen meines Vorgangs. In einem erneuten Anschreiben teilte er dieses Aktenzeichen mit und nach einiger Zeit wurde zurückgeschrieben, daß der gesamte Vorgang „nicht auffindbar“ sei. Meinem Anwalt und mir ging es in erster Linie darum, Anzeige gegen den Polizeibeamten zu erstatten, nur gibt es dafür eine ganz bestimmte Frist, innerhalb derer die Anzeige eingehen muß. So mußten wir am 21. August 1996 die Anzeige „wegen Körperverletzung im Amt“ ohne Akteneinsicht erstatten.
Es dauerte daraufhin nicht lange und es wurde meinem Anwalt mitgeteilt, daß gegen mich ein Ermittlungsverfahren laufe. Auch eine Akte tauchte nun auf.
Nach dem relativ üblichen Prozedere mit Aussagen, Zeugen- und Beschuldigtenvernehmung flatterte am 26. August 1997 ein Schreiben der Staatsanwaltschaft ins Haus. Und, wer hätte das wohl gedacht, dort stand schwarz auf weiß: „Das Ermittlungsverfahren“ gegen den Polizeibeamten „wird (...) eingestellt. (...) Dem Beschuldigten ist ein strafbares Verhalten nicht nachgewiesen“. Gegen diesen Bescheid der Staatsanwaltschaft Leipzig legten wir Widerspruch ein. Doch auch dieser wurde abgewiesen. Selbst ein Klageerzwingungsverfahren, das mein Rechtsanwalt anstrengte, wurde vom Strafsenat des Oberlandesgerichtes in Dresden zurückgewiesen.
So ging es schließlich nur noch gegen mich als Angeklagten. Schon ende Juli 1997 erhielt ich einen Strafbefehl wegen des „Vergehens der Körperverletzung“ und des „Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“. In diesem standen Dinge, die in keinster Weise den Tatsachen entsprachen. So soll ich angeblich einen Platzverweis am Tagungsort der Jungen Nationaldemokraten erhalten haben, dem ich nicht Folge leistete, soll vermummt gewesen sein. „Vielmehr“, so hieß es im Strafbefehl, „traten Sie den Beamten XY im Bereich des linken Knies und trafen ihn ferner im Genitalbereich. Dies hatte zur Folge, daß der Geschädigte XY sich in ärztliche Behandlung begeben mußte. Bei der daraufhin durchgeführten vorläufigen Festnahme schlugen Sie mit den Fäusten um sich und traten weiter auf den Geschädigten“.
Aufgrund dieses „Strafbefehls“ wurde gegen mich „eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu je 20,- DM (= 1.000,- DM) festgesetzt“. Weiter hieß es: „An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Ein Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Sie haben die Kosten des Verfahrens und Ihre notwendigen Auslagen zu tragen“.
Gegen diesen „Strafbefehl“ erhoben wir Einspruch, so daß es zu einer Hauptverhandlung kommen mußte.
Einen besonderen Skandal stellt die Tatsache dar, daß die Leipziger Staatsanwaltschaft am 2. Mai 1997 in einer Mitteilung an die Kriminalpolizei Leipzig festellte, das Verfahren gegen mich einzustellen. In einem Schreiben stellte mein Anwalt dazu folgendes fest: „Nur auf Grund eines Schreibens der Polizeidirektion Leipzig vom 20. Mai 1997, in dem der Sachverhalt äußerst einseitig dargestellt wird und Herrn Z. zu Unrecht ein massives Vorverhalten gegenüber Polizeibeamten unterstellt wird, wurde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft nicht eingestellt, sondern (...) Strafbefehl beantragt. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Staatsanwaltschaft selbständige und unabhängige Entscheidungen trifft, wenn sie eine Einstellung für richtig hält, demnach einen Strafbefehl erläßt.“
Am 30. März kam es zur Hauptverhandlung gegen mich. Im Verlaufe dieser wurde der Beamte, der mich schlug, vernommen. Komischerweise gab er dort zu Protokoll, daß er sich keiner ärztlichen Behandlung unterzogen hat, wie es noch im Strafbefehl hieß. Und von einer Verletzung eines Polizisten durch einen „26jährigen Demonstranten aus der linken Szene“, wie es in der „Pressemitteilung zum Polizeieinsatz am 25.05.1997“ der Poizeidirektion Leipzig hieß (siehe Faksimile), wußte der Beamte, der ja eigentlich der Verletzte gewesen wäre, auch nichts mehr. Befragt nach den Anwendung von Faustschlägen verneinte der Polizist kategorisch.
Mein Anwalt regte im Verlaufe der Verhandlung an, das Verfahren gegen mich einzustellen. Das wurde jedoch abgelehnt. So beantragten wir die Einsichtnahme von Polzeivideos, die am Tag meiner Festnahme gemacht wurden und von denen wir durch Aktenvermerke im Verfahren geen den Beamten wußten.
Am 9. November nun wurde eine wegen Terminprobleme notwendig gewordene völlig neue Hauptverhandlung eröffnet. Auch der betreffende Polizeibeamte war als Zeuge geladen. Was der jedoch nicht wußte: Wir haben uns die Polizeibänder angeschaut und mittels Videofocus nachweisen können, daß der als Zeuge geladene Beamte auch derjenige ist, der mich schlug.
Während der Verhandlung wurde also der Polizist vernommen und wiederum danach gefragt, ob er geschlagen hätte. Wieder verneinte er kategorisch. Mein Anwalt beantragte daraufhin die Zeugenvereidigung des Beamten. Dies passierte dann auch. Nicht nur, daß damit die Glaubwürdigkeit des betreffenden Beamten tief erschüttert war, nein, außerdem hat er sich des Vergehens eines Meineides schuldig gemacht.
Mit diesen Trümpfen in der Tasche errangen mein Anwalt und ich den Freispruch.
In der Folge wird mein Anwalt prüfen, inwieweit die Staatsanwaltschaft gedenkt, von Amts wegen gegen den Beamten wegen Meineides und Körperverletzung zu ermitteln. Sollte das nicht der Fall sein, so werden wir dran bleiben und nötigenfalls Anzeige erstatten. Außerdem zeichnet sich für mich in einer Zivilklage die Chance auf Schmerzensgeld ab.
Ich hoffe, daß die Leserinnen und Leser dieser Zeilen meine Freude und die meines Anwaltes über den bisherigen Ausgang teilen können. Es ist wirklich zu selten, daß die Polizei derart überführt werden kann und der Klüngel zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft so offensichtlich wird. In diesem Sinne: Nicht verzagen, hartnäckig dranbleiben und nicht frühzeitig aufgeben – no pasaran!

Ein, wie sich festellen läßt, friedlicher Bürger



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last modified: 28.3.2007