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ich hatt einen kameraden, 2.0k

Wie die Gefühlsduselei um vier getötete Zöllner die Verschleierung der rassistischen bundesdeutschen Asylpolitik fördert; ergänzt um einen Nachtrag zu den Prozessen gegen die Oberlausitzer TaxifahrerInnen.

Nach Angaben der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI) sind seit 1993 an bundesdeutschen Grenzen über 50 Flüchtlinge beim Versuch des „illegalen Grenzübertritts“ gestorben; darüberhinaus beträgt die Zahl der MigrantInnen, die sich aus Angst vor Abschiebung in deutschen Abschiebeknästen das Leben genommen haben, ebenfalls über 50. Angesichts dessen ist der Tod von vier bundesdeutschen Zöllnern, die am 10. Februar an den Grenzübergängen Ludwigsdorf/Görlitz und Konstanz/Bodensee von einem kasachischen bzw. einem italienischen Amokläufer erschossen wurden, nur als Peanuts zu bezeichnen. Eine Position natürlich, die dem Bundesminister für Finanzen, Theo Waigel, seineszeichens oberster Dienstherr der deutschen
beerdigung, 13.7k
„nur Peanuts...“
Zollbeamten, den in „ehrwürdigen Gedenken“ verharrenden KollegInnen sowie den betroffenen Ehefrauen, Kindern und Verwandten aufgrund fehlender Reflektion des nur als Handlangerdienst der restriktiven deutschen Flüchtlingspolitik zu verstehenden Berufs nicht liegen kann. Denn der „erste Todesfall in der bundesdeutschen Zollgeschichte“ dient einfach hervorragend zur Stilisierung von deutschen Tätern zu Opfern „ausländischer Amokläufer“. Ausgehend von der relativierenden und massentauglichen Einschätzung, daß die Menschen in den ostdeutschen Grenzgebieten „mehr als anderswo in Deutschland die Folgen des Wohlstandsgefälles zu Osteuropa zu spüren bekommen“, wird nicht nur der Zusammenhang zwischen Abschottung der deutschen (EU-)Außengrenzen und solch einem „tragischem Ereignis“ negiert, sondern auch erneut klargestellt, daß die Grenze zwischen „deutsch“ und „nichtdeutsch“ verläuft. Oder wie ist sonst zu verstehen, daß den Hinterbliebenen der „deutschen Zöllner“ jede erdenkliche Hilfe zugesichert wird, währenddessen sich kein Arsch darum schert, daß äquivalente „erdenkliche Hilfe“ für MigrantInnen sich u.a. in der neuerlichen Kürzung bzw. Streichung von überlebensnotwendigen Sozialhilfebezügen äußert? Auch die monströse Trauerfeier vor 1.500 geladenen Angehörigen, FreundInnen und KollegInnen am 14. Februar in Görlitz unterstrich den heuchlerischen und gleichermaßen identitätsstiftenden Charakter, den der „tödliche Zwischenfall“ inzwischen angenommen hat. Nachdem Waigel die gesamten ZollbeamtInnen mit den Worten: „Das tragische Ereignis in Ludwigsdorf hatte für die Zollverwaltung eine lange Zeit ohne tödliche Gewalttaten beendet“ und „Die Öffentlichkeit habe die Gefahren des Berufes vor Augen geführt bekommen“ auf ihre zu leistende Opferbereitschaft eingeschworen hatte, sorgte die 21köpfige Kapelle des Hauptzollamtes Löbau mit dem Identifikationsschinken deutscher Militaristen, Deutschtümler und Nazis, „Ich hatte einen Kameraden“, für Tränen in den Augen aller Anwesenden und „sich dabei nicht schämenden Kameraden“.

Die Tränen in Görlitz waren noch nicht getrocknet, da forcierte der BGS mit einem neuerlichen Bravourstück seine Bemühungen, die Oberlausitzer Taxichauffeure in das Netz von Denunziation und Abschiebung zu integrieren: Besagter Zittauer Taxifahrer Bernd Ludwig, der im Januar wegen dem „Einschleusen von Ausländern“ zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde (siehe CEE IEH #41), erhielt kürzlich Post von der Grenzschutzdirektion Koblenz, durch welche er aufgefordert wurde, Kosten in Höhe von DM 4443,73 zu tragen. Eine genaue Auflistung gab Auskunft, daß Ludwig, der zwischen den Tagen seiner Verhandlung drei Rumänen kostenlos zum Zittauer Marktplatz befördert hatte, für deren Unterbringung, Transport und Abschiebung sowie für die Dienststunden der begleitenden BGS-Beamten aufzukommen habe. Dabei hat das noch nicht rechtskräftige Urteil gute Chancen als Präzedänzfall in die bundesdeutsche Rechtssprechung einzugehen, da die rechtliche Situation durch eine „Leitentscheidung“ des Dresdner Oberlandesgerichtes (OLG) vom vergangenen Jahr vorgegeben wurde. Dort heißt es u.a., daß die „Massendelikte“ der Einschleusungen und deren „lokale Häufungen“ an der „scharfen“ Grenze nur durch die Abwehr „der Gefahr der Beeinträchtigung der Rechtstreue der Bevölkerung“ bekämpft werden könne. Dem zufolge habe auch das „Bedürfnis des Täters nach Resozialisierung“ hinter der „Gewaltprävention“ zurückzutreten.
Nicht genug damit, daß es der BGS geschafft hat, „Nichtdeutschen“ die Taxi-Beförderung im Grenzgebiet erfolgreich zu verwehren; die „Grenzschützer“ verstehen es auch – sollte dieser Fall Schule machen – daraus die Unverfrorenheit abzuleiten, die reellen Kosten ihrer rassistischen Praxis auf die Schultern der zwangsvereinnahmten „Erfüllungsgehilfen“ umzulegen.
Wer es jetzt noch nicht verstanden hat... Philipp



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last modified: 28.3.2007