home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[26][<<][>>]

Das Jahr, in dem wir nirgendwo waren

Ernesto Che Guevara und die afrikanische Guerilla.

Am Samstag, den 12.Oktober, wird Paco Ignacio II, einer der bekanntesten Romanciers Lateinamerikas, jenes Buch im Leipziger Frauenkulturzentrum in der Braustraße vorstellen, in dem er zusammen mit den beiden kubanischen Journalisten Froilan Escobar und Felix Guerra das bestgehütetste Geheimnis der kubanischen Revolution lüftet, das „zu einer Neubewertung der revolutionären Laufbahn Guevaras führen“ wird (FAZ).

„Großes Rätselraten löste Mitte der 60er Jahre das plötzliche Verschwinden Che Guevaras aus. Im März 1965 wurde er das letzte Mal auf Kuba gesehen. Erst 1967 tauchte er in Bolivien wieder auf, an der Spitze eines kleinen Guerillatrupps.“
So wird im Einband des vom Edition ID-Archiv in Deutsch veröffentlichten Buches jenes Kapitel des Lebens Che Guevaras eingeleitet, das der Öffentlichkeit bis dato unbekannt ist. Das plötzliche Verschwinden Ches 1965, der zu jenem Zeitpunkt kubanischer Industrieminister war, bot Anlaß zu vielerlei Spekulationen. Am hartnäckigsten hielten sich dabei die Gerüchte, er sei in Santo Domingo, bei der ETA in Europa oder das Opfer von Meinungsverschiedenheiten zwischen Castro und ihm. Letzteres suggerierte dann in antikommunistischer Lesart explizit, daß sich Che Guevara nur in der Psychatrie oder „unter der Erde“ (Die Beute #11) befinden konnte.
spiegel cover, 10.3k
„Che ist der letzte Revolutionär, mit dem sich Geld machen läßt.“
„Der Mann ist im Untergrund, drei Fuß tief; war ein gängiger Spruch im CIA-Hauptquartier“ (Der Spiegel 38/96). Bereits im Oktober 1965 verlas Fidel Castro auf einer Kundgebung in Havanna einen Brief Ches, in dem er mitteilte: „Andere Gegenden der Erde verlangen nun nach meiner bescheidenen Anstrengung“, um „die ehrwürdigste aller Pflichten zu erfüllen: Gegen den Imperialismus zu kämpfen.“
„Den USA drohte er ‘zwei, drei viele Vietnam’ an und meint das so wörtlich, daß er sie selbst entflammen will, erst in Afrika, dann in Amerika“ (Spiegel 38/96). Er begann im Kongo (heute Zaire).
Das Buch „Das Jahr, in dem wir nirgendwo waren“ ist „eine Montage aus Interviews mit Überlebenden jenes afrikanischen Abenteuers, historischen Dokumenten sowie aus Fragmenten eines bislang unveröffentlichten Textes, den Che Guevara selbst auf der Basis eines Tagebuches über die Mission im Kongo schrieb“ (taz).
Ches Kongo-Mission endet mit einer „Botschaft an die Völker der Welt“: „Jedenfalls läßt die politische und soziale Entwicklung Afrikas keine revolutionäre Situation im kontinentalen Maßstab voraussehen.“
Ein Streitpunkt des Buches ist seit der Veröffentlichung des kubanischen Journalisten Reynaldo Escobar in der „taz“ die Entstehung des Buches; „mindestens genauso spannend wie sein Inhalt“. Denn, so Escobar, es „ist mit Sicherheit davon auszugehen, daß der Kongo-Bericht des Che in jene Kategorie kubanischer Staatsgeheimnisse fällt, die nur durch eine explizite Genehmigung Fidel Castros aus dem Gefrierfach gezogen werden können“.
Damit tritt er direkt der Geheimnisumwitterung entgegen, die jene Quelle umgibt, die nebulös als „ein wichtiger Angehöriger des kubanischen Staatsapparates“ umschrieben ist.
Richard Gott, ehemaliger Redakteur des britischen „Guardian“, stellt im Mai diesen Jahres in der „FAZ“ fest: „Eine genauere Untersuchung der Episode im Kongo wird sicherlich zu einer Neubewertung der revolutionären Laufbahn Guevaras führen. Sein Ruf als findiger Guerillastratege und charismatischer Führer bleibt dabei wohl unangetastet, aber sein politisches Geschick erweist sich vor diesem Hintergrund als durchaus unzulänglich.“
Sicherlich läßt sich der Moralismus Guevaras kritisieren. Doch der Bildersturm, den DER SPIEGEL gern lostreten würde („Che ist der letzte Revolutionär mit dem sich Geld machen läßt.“), könnte genau das verdrängen, worum es bei einer linken Veranstaltung wie der am 12.Oktober gehen muß.
„Auf alle Fälle glauben wir, daß die Veröffentlichung dieses Buches im Vorfeld des 30. Todestages Guevaras eine gute Möglichkeit bietet, an historisch abgebrochene Diskussionen über einstige Vorstellungen von Imperialismus und internationaler Befreiung anzuknüpfen“, so der Verlag Edition ID-Archiv in seinem Begleitschreiben zur Buchveröffentlichung. Ralf buchcover, 11.3k

Paco Ignacio Taibo II, Froilan Escobar, Felix Guerra:
„Das Jahr, in dem wir nirgendwo waren. Ernesto Che Guevara und die afrikanische Guerilla.“
Aus dem Spanischen von Jens Adermann, Edition ID-Archiv (Berlin), September 1996, 253 Seiten, DM 29,80.


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[26][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007