home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[24][<<][>>]

hardcore festival, 1.0k
am 30. Auguist 1996
Es ist wieder mal soweit. Ein Jahr ist vorbei und wir treffen uns zum Eröffnungskonzert nach der Sommerpause wieder. Grund dazu, gleich unser 5-jähriges Jubiläum zu feiern. Das heißt 5 Jahre HC im Conne Island, 5 Jahre die verschiedensten Bands, Musikeinflüsse, verschiedene Persönlichkeiten, Höhen und Tiefen, sowie Tonnen Papierschnipsel und Personaländerungen. Grund genug, eine ausführliche Ankündigung etc. zu schreiben.
Vorweg noch eins: Leider, leider kommt unser vielerwarteter Herdcore-Sampler (Doppel LP/CD) erst Ende des Jahres, weil der Studioumbau nur langsam vonstatten geht, aber was lange währt, wird (endlich) gut. Nichtsdestotrotzarbeiten wir daran und es soll auch an gleicher Stelle gesagt werden, daß unser Saaldach neu gemacht wird, und wir daher einen Haufen Streß am Hals haben, das heißt, nach mehreren Umbaupausen immer wieder von Null anzufangen, um langfristig einen niveauvollen Laden zu haben, in dem ihr euch wohlfühlt.
palme, 3.5k Deshalb wird unser Jubiläumskonzert nur an einem Tag stattfinden, da wir uns außer stande sehen, den Saal, der zu diesem Zeitpunkt eigentlich eine Baustelle ist, für zwei Tage herzurichten.
Conne Island, daß bedeutet 5 Jahre nicht nur Hardcore, aber kontinuierliche Arbeit. Hervorgegangen sind wir aus selbstorganisierten Parties im Mockauer Keller (einer Räumlichkeit der Kirche), wo Bands wie die Goldenen Zitronen schon zu DDR-Zeiten auftraten, wo sich Leute trafen, die der Staatsmacht ein Dorn im Auge waren und die als „staatsfeindliche Randgruppe“ nirgendwo sonst Plattformen erhielten. Bis hin zu diversen Stasigeschichten (IM Schwarz??!!!) oder Abschiebungen, Ausreisegesuche, ...
Im Zuge des politischen Umschwungs (auch Mauerfall genannt) gab es die Möglichkeit, breiter in die Öffentlichkeit zu gehen, daß heißt, mit der dazugehörigen politischen Meinung entschieden an den Montagsdemonstrationen teizunehmen. Aus diesen Leuten ist die Gruppe „Reaktion“ (unter diesem Namen liefen damals die Konzerte) hervorgegangen.
„Reaktion“ - der Name stand für selbstorganisierte Parties, für Konzerte, für Antifaschismus ud mehr Anspruch als 80 Millionen Bundesbürger, 80 Millionen Mantawitze, Einheitsgefasel, Beate Use.
Nach anfänglichen Konzerten im Anker (EA80) und im Clubhaus „Jürgen Schmidchen“ (Assassits of God), bei denen die Faschogefahr ständig zunahm, wurden auch zwischendurch auch Parties in der naTo organisiert. Legendäre Konzerte wie Spermbirds, Flowerbuds, Profax, Schwarzer Kanal, um nur einige zu nennen, brachten Leipzig als Partyort Nr. 1 ins Gerede. Doch durch den kulturellen Umschwung wurde es diesen Leuten nicht mehr ermöglicht, weiterhin Konzerte in diesen Räumlichkeiten durchzuführen. Ein neuer Ort mußte her.
Doch dazu mehr im beiliegenden Artikel, von einem, der von Anfang an dabei war. (außerdem siehe Artikel „Die Qual der Wahl“ in diesem Heft).
Bleibt die Frage, wo Hardcore hingeführt hat und welche Rolle er heute noch spielt.
Eine politische Musikbewegung, wie sie HC immer dargestellt hat, ist zum Mainstream verkommen. Ohne das Publikum zu dissen, aber die von Bands, egal ob aus den Staaten oder aus Europa, hochgepriesene Unity, trifft man nur vor diversen Merchandiseständen wieder.. Anhand von T-Shirts werden Leute festgenagelt. Jeder, der ‘ne Kette an der Hose, jeder, der ‘ne Plattensammlung hat, ist cool, bis hin zum Modewettbewerb „vegan leben“. Hardcore der Neunziger heißt, hart vor der Bühne rumpogen, corig mit der Bierflasche im Mob grölen und großkotzig „Ich bin besser als Du.“-auftretende Mittelklassepeople, die denken, die Moralapostel der ganzen Welt zu sein.
Von der Rebellion, die Hardcore mal ausgemacht hat, ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Angefangen bei ReUnios der Bands, wo es, denk ich, auch ums große Geld geht (D.R.I.) bis zur Konsumhaltung der potentiellen Konzertbesucher.

hc-ler, 5.3k Zitat ZAP Heft 49 (1992) Martin Büsser
Das „andere“ Denken, was Hardcore sein wollte, ist zum Ritual verkommen, hat sich eine eigene Grammatik angewöhnt, eine Alchimisten-Sprache, über die hinaus diese Welt nicht wahrnehmbar geworden ist. Das es massenweise Fanzines gibt, heute mehr als je zuvor, und fast niemand in dieser Szene mindestens bei zwei Bands gespielt und eine Single aufgenommen hat, zeugt nicht unbedingt davon, wie schön kreativ wir doch alle sind. HARDCORE ist die Religion der Atheisten geworden. Mit unerschüttbarer Selbstsicherheit bewegen sich die Priester, die Amtsinhaber, vom Labelchef bis zum Drummer, vom Fanzineschreiber bis zum GIG-Organisator (keiner ist ohne Funktion) aufeinander zu und schauen sich auf die Finger. Die Inquisition findet monatlich in den verschiedenen Fanzines statt. Die Freiheit, die Hardcore garantiert, ist beschränkt worden auf die Freiheit über Produkte und Interessen. Wer wen kennt, wer welchen GIG besucht hat, wer welche Aktion gestartet hat - dadurch entscheidet sich der Wert einer Person. Vic Bondi nannte Hardcore eine tragische Komödie: komisch, weil sich jeder einzelne in der Gemeinschaft nur noch über Äußerlichkeiten identifizieren kann und tragisch, weil er damit genau das erfüllt, was die Gesellschaft von ihm erwartet. Das Insidertum hat in allen Bereichen, wo Hardcore hätte wirksam werden können, von der ANTIFA bis zur Sexismus-Debatte, nur Schaden angerichtet.
Hardcore ist die Fortsetzung von PUNK mit anderen Mitteln (um eine alte Politphrase leicht abzuwandeln) und wird sich bei der Fortführung des grassierenden Selbstmitleides bei gleichzeitiger Vervielfältigung von Belanglosigkeiten dahin bringen, wo es nie hinwollte und auch nicht hingehört: ins endgültige Abseits!
Das passende Zine dazu trägt den Namen GHETTO PROST


Und ich zitiere weiter:
Hardcore, so wie er sich jetzt entwickelt hat, ist nur noch eine Spielwiese von Bürgerskindern, die sich mit Schlamm beschmeißen, um gegen die Schminke zu protestieren.
Oberpfannestiel

home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[24][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007