• Titelbild
• Editorial
• das erste: On the streets
• teaser: November 2011 im Conne Island
• Die Psyche im Zeitalter leerer Geldbeutel
• Elmatic Tour
• Pop mit Widerhaken
• Das Ende der Konspirativität?
• Halftime
• Warum K.I.Z. in den KIEZ gehören
• doku: Die Opfer des Vernichtungskrieges
• Anzeigen
• neues vom: ... wenn Farbe, dann richtig!
Anfang Oktober ist das renovierte Vorderhaus des Conne Island mit zwei
Farbbeuteln beworfen worden. Da uns die Hintergründe nach wie vor nicht
klar sind, bleibt zu mutmaßen, aus welcher Intention dies geschehen ist.
Dabei ist folgendes denkbar:
Es gibt Menschen, denen liegt am Conne Island so viel, dass sie das sanierte
Vorderhaus in einen Zustand versetzen möchten, der dem des alten
Gebäudes ähnlich sieht. Dies würde sicher viele Sympathisanten
und Nachahmerinnen finden, allerdings scheint das Vorhaben schon auf den ersten
Blick misslungen; Teer-ähnliche Farbe macht keine graue Wand lebendig.
Vielleicht ist der Angriff aber auch eine Antwort auf einen Dissens mit der
Einlasspolitik des Conne Island. Gäste, die Stress aus welchen
Gründen auch immer suchen, werden nach Hause geschickt, daran werden auch
zwei in der selben Nacht geworfene Farbbeutel nichts ändern.
Vielleicht gibt es auch einen anderen Grund, dazu müssten sich die
AngreiferInnen äußern, aber wahrscheinlich wollen oder können
sie das nicht.
Sieht man sich im Stadtteil Connewitz um, gibt es ähnliche Markierungen an
anderen Häusern. So ist das Bürgeramt der Stadt seit Wochen zum
wiederholten Male entglast, sogenannte Stadtvillen werden mit Farbeiern
attackiert und das Sanierungssobjekt non grata bewegt schon seit Wochen die
Gemüter. Bei dem Haus handelt es sich um ein mehr als zehn Jahre leer
stehendes, baufälliges Gebäude in unmittelbarer Nähe zu Park,
Spätverkäufen, veganen Imbissen und vielem mehr. Seit Wochen wird
versucht das Bauende hinauszuzögern. Das passiert nicht wie vielleicht
vermutet in einer nächtlichen Aktion mit drei oder vier Leuten, nein, die
gemeinen KiezkämpferInnen treffen sich zu zwanzigst Sonntagabend,
vermummen sich, rufen Parolen wie Hass, Hass, Hass wie noch nie und
greifen mit Farbe und Steinen an.
Hierbei geht es in erster Linie um eins: Die Präsentation der eigenen
Radikalität. Bemühungen, solche Aktionen politisch zu rechtfertigen,
gibt es erst gar nicht. Obwohl die Vielzahl der Aktionen auf eine Gruppenpraxis
hindeutet, bekennt sich dazu niemand. Es gibt keine Erklärungen, kein
politisches Motiv. Das Einzige, was nachwirkt, sind unansehnliche Fassaden.
Einige StadtteilbewohnerInnen nehmen das zum Anlass, über
Kiezkiller und Gentrifizierung zu debattieren. Man ist sich
einig, der Vermieter ließe keine WGs einziehen und verkaufe gar
Eigentumswohnungen. An Häusern des gleichen Besitzers in unmittelbarer
Nachbarschaft stört sich dabei niemand und dass kleinere Immobilienfirmen
eventuell ebenso handeln, wird genauso ausgeblendet. Ins romantischen Bild
passt ein zerfallenes Haus eben besser als das frisch renovierte und
das, obwohl genau diese Leute den Wohnraum in Connewitz brauchen, um sich dem
Kiez erst richtig angehörig zu fühlen.
Warum gerade Connewitz zur Spielwiese von militanten Aktionen wird, liegt nicht
nur daran, dass die besten Fluchtwege schon bekannt sind. Die AkteurInnen
denken, ihr Handeln sei politisch relevant, denn jeder und jede Neuzugezogene
würden die linksalternative Szene bedrohen. Platz ist nur für Leute,
die schon lange in Connewitz wohnen oder deren Style dem stringenten Bild
der/des praxisorientierten Autonomen entspricht. Einen Einblick in diese
Vorstellung bieten die unzähligen verklebten Aufkleber, deren Motivwahl
den einzigen Inhalt solcher Zusammenhänge charakterisiert: Krawalle und
martialische Sprüche. Statt wenigstens diesen Worten Taten folgen zu
lassen und Nazis das Leben auch in anderen Stadtteilen schwer zu machen, wird
lieber vor der eigenen Haustür agiert, denn kein anderer Ort bietet den
AktivistInnen die Bühne wie Connewitz. Eine inhaltliche Auseinandersetzung
spielt für sie keine Rolle, militantes Auftreten und Radikalität sind
wichtiger als politische Ziele, Selbstdarstellung einziger Inhalt des Handelns
und das Gefühl, sich auf der richtigen Seite zu wähnen, die
Rechtfertigung für jede Tat.
Der Farbbeutelanschlag aufs Conne Island kann nur einen Grund haben: Die
AngreiferInnen können sich nicht anders artikulieren. Es wird sich nicht
die Mühe gemacht, Kritik beispielsweise im Conne Island-Plenum zu
äußern oder es per Text mit seinen vermeintlichen Fehlern zu
konfrontieren.
Conne Island-Plenum