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Am 25. September 2010 stand im Conne Island als lokaler Support (für die
legendären Youth of Today und die nicht weniger legendären
Spermbirds) die aus gänzlich anderen Gründen legendäre
Band Suffer Survive auf der Bühne. Am Abend selbst war kaum etwas
zu spüren von den langwierigen Auseinandersetzungen und Diskussionen um
den 20minütigen Auftritt der Band. Dabei stand Suffer Survive nicht
wegen ihrer Musik oder ihren Texte zur Diskussion, sondern allein deren
Sänger Andreas (bekannt unter dem poetischen Spitznamen Rastelli) und die
ihm umgebenden Gerüchte und Vorwürfe.
Die Ausgangslage für eine solche Diskussion war dabei denkbar schlecht.
Nicht nur, dass durch das Versäumnis einiger Conne
Island-MitarbeiterInnen, das Thema rechtzeitig anzusprechen, die Zeit bis zum
Konzert sehr knapp und die Band bereits gebucht war, auch wurde das Thema
schnell zum Gesprächsstoff für sämtliche politischen und
kulturellen Stammtische. Für das Conne Island-Plenum ergab sich hieraus
eine schwere Situation, in der sich ein langer, sich über vier, teilweise
mitternächtliche Plena hinziehender Diskussionsprozess entwickelte.
Vorwiegend ging es um sein Verhalten auf Konzerten, dem manchmal gewaltbereiten
Auftreten gegenüber Gästen und seiner vermeintlichen Gewohnheit,
Konflikte mit körperlicher Gewalt zu klären. Außerdem
kamen seine (vergangenen und mutmaßlich andauernden) Verstrickungen in
die Nazi-Szene zur Sprache. Dabei ging es dem Conne Island-Plenum jedoch nicht
darum, als Richter für andere Läden und Shows zu fungieren. Auch
ignorierten wir alle jene Vorfälle, die mehrere Jahre zurücklagen, da
wir jedem Menschen Reifungsprozesse zugestehen und jugendliche
Verirrungen nicht zu einer lebenslangen Stigmatisierung führen sollten.
Da Andreas als langjähriger Stammgast bei Hardcore/Punk-Konzerten im Conne
Island und durch freundschaftliche Beziehungen zu Conne
Island-MitarbeiterInnen eine zumindest oberflächliche Ladennähe
besitzt, gab es auch im Conne Island schon mehrfach Diskussionen um ihn. So
wurde aufgrund seines aggressiven Auftretens vor der Bühne und
gegenüber Gästen sowie Conne Island-MitarbeiterInnen im Dezember 2009
beschlossen, dass er bei Konzerten im Conne Island keine Aufgaben mehr
übernehmen darf. Dies geschah in Auseinandersetzung und
Übereinstimmung mit ihm und hatte zumindest im Conne Island einen
positiven Effekt, da es im Bezug auf seine Person keine neuen negativen
Vorfälle gab.
Die im Herbst 2010 sehr emotional und umfangreich geführte Diskussion um
den Auftritt der Band Suffer Survive drehte sich also auch um die Frage,
ob jemand, der als Sänger auf der Conne Island-Bühne steht, den Laden
gleichermaßen repräsentiert, wie jemand, der für ihn arbeitet.
Anfänglich waren viele im Plenum der Meinung, dass ein Arbeitsverbot im
Conne Island automatisch auch ein Auftrittsverbot nach sich ziehen müsste.
Wir stellten dann aber fest, dass bei einem solchen Automatismus gewiss viele
Bands bei uns nicht spielen könnten wir aber (zum Glück) die
Verfehlungen von den meisten Bandmitgliedern, die bei uns auf der Bühne
stehen, nicht kennen; und dass es bei Diskussionen um Bands uns in erster Linie
um die Bands gehen sollte und nicht um das Privatleben der Mitglieder.
Es gab trotzdem noch genug Gewalttätigkeiten von Andreas, von denen Conne
Island-MitarbeiterInnen gehört oder die sie selbst erlebt hatten
und die in den Augen dieser für ein Auftrittsverbot ausgereicht
hätten. Andreas kam zwei Mal in unser Plenum (was wir ihm anrechnen) und
versuchte seine Sicht auf die Dinge zu schildern sowie die Vorwürfe
auszuräumen, was auch teilweise gelang.
Bis zum Schluss gab es jedoch Personen, die dem Auftritt der Band im Plenum
sehr kritisch gegenüber standen bzw. konsequent dagegen argumentierten.
Dadurch kam ein eher schlechter als (r)echter Konsens zustande.
Mit der Diskussion wurde auch versucht, ein Stück des Mythos um
Andreas zu dekonstruieren. Dieser Mythos besteht unserer Meinung nach darin,
dass auf jemanden, der so umstritten und bekannt wie Andreas ist, immer die
Augen ruhen und jede noch so kleine Verfehlung sofort aufgebauscht wird und die
Runde durch die gesamte Szene macht. Bei vielen Vorwürfen, die gegen
Andreas kursierten, war es uns leider nicht möglich, im Nachhinein
festzustellen, ob sie berechtigt sind. Viele Vorwürfe gegen Andreas wurden
leider auch nicht auf unserem Plenum geäußert, sondern nur an den
Stammtischen Leipzigs. All dies können und wollen wir nicht ernst
nehmen. Einige Vorwürfe relativieren sich auch vor dem Hintergrund, dass
die Hardcore- und Punkszene keine Kuschelveranstaltung ist, sondern in weiten
Teilen recht aggressiv, und es somit verkehrt wäre, nun ausgerechnet an
der Band ein Exempel zu statuieren, die schon genug Probleme hat, Auftrittsorte
zu finden, obwohl es genug andere Bands gäbe, die auch nicht besser
sind.
Unsere Entscheidung, die Band bei uns auftreten zu lassen, sollte Andreas
helfen, aus diesem Teufelskreis (der sich selbst reproduzierender
Gerüchteküche) auszubrechen. Ob er diese Chance nutzt, wird sich
zeigen. Auch wir sind da skeptisch. Mit der Auftrittserlaubnis geht es uns also
nicht darum, Andreas von allen Vorwürfen freizusprechen, denn seinen
schlechten Ruf hat er sich zu großen Teilen gewiss auch selbst
erarbeitet.
Natürlich ist sich das Conne Island bewusst, dass es sich um eine
umstrittene Entscheidung handelt, die nicht überall auf Verständnis
trifft. Auch intern wurden Fehler gemacht und eine Unstimmigkeit ist auch
Monate nach dem Konzert noch spürbar. Nicht zuletzt deswegen ist das Conne
Island jederzeit bereit, neue Vorwürfe gegen Andreas (und jede andere
Band), zu diskutieren.
Conne Island, 17.01.2011