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Aktuelles Heft

INHALT #175

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Editorial
• das erste: Wer hat Angst vorm Sozialismus?
Easter Ska Jam 2010
To Rococo Rot
Ashers, Ticking Bombs
Bouncing Souls
„It's a virus.“
welcome to electric island?
OH! OH! OH!
Welcome home!
The Artery Foundation Tour
Shrinebuilder
Good Clean Fun
Fight for Freedom!
Benefizdisco
Katatonia
Sondaschule
electric island - love edition
Inspectah Deck
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• review-corner buch: Hitler war's
• review-corner theater: Die Prinzessin als Anarch
• ABC: M wie Metaphysik
Mit Messer und Axt
• doku: VS wirbt versteckt am schwarzen Brett
• doku: Getrennt in den Farben –Vereint in der Sache
• doku: Wir geben keine Ruhe
• doku: tears please!
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• das letzte: Die Linke Wange auch noch hinhalten

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Mit Messer und Axt

Dänemark und seine muslimischen Migranten

Eine der Meldungen, die um den Jahreswechsel herum meine Aufmerksamkeit forderten, war die vom brutalen Angriff auf Kurt Westergaard, einen jener zwölf dänischen Karikaturisten, die seit der Mohammed-Affäre vor vier Jahren massiv von Islamisten verfolgt werden. Westergaard ist, trotz anklagender Stimmen auch in Dänemark und im westlichen Ausland, standhaft geblieben und verteidigt seine Karikatur, die den Propheten mit einer angezündeten Bombe als Turban zeigt. Er lebt unter Polizeischutz an geheimen Orten. Dessen ungeachtet gelang es am Neujahrstag einem Mann, mit Mordabsicht in Westergaards Haus bei Århus einzudringen. Der Angreifer war somalischer Herkunft, in Dänemark aufgewachsen und unterhielt Verbindungen zu Al-Quaida. Er kam mit Messer und Axt; auch als die Polizei das Haus umzingelt hatte, ergab er sich nicht und wurde folglich angeschossen und überwältigt. Westergaard überlebte in seinem zum Panic Room gesicherten Badezimmer.

Unsereinem – geneigt, kleine Demokratien im tapferen Kampf gegen eine gewalttätige, ideologisch aufgeheizte Übermacht gern zu haben – sei hier die dänische Variante des viel bedachten Konflikts zwischen Islamismus und westlichen Werten erzählt; und zwar zuvörderst als eine Art Reisebericht. Dieser Text wird nicht getragen von intimer Kenntnis der muslimischen Parallelgesellschaft, die sich am Rand der dänischen Öffentlichkeit drängt. Die diesbezüglichen Informationen speisen sich aus der Tagespresse und gefährlich subjektivem Halbwissen. Vom Umgang eines Landes mit seiner spezifischen Migrationsproblematik soll die Rede sein, betrachtet mit den Augen der kritischen, wenngleich sympathisierenden Besucherin aus Ostdeutschland.

1.

Zuerst ein kleiner Exkurs ins dänische Selbstverständnis. Die skandinavischen Länder – zu denen sich Dänemark ausdrücklich zählt, Geographie hin oder her – sind seit jeher die Guten: sozial und säkular, friedliebend und vollbeschäftigt.
Dass man seit der gravierenden Schrumpfung des dänischen Kolonialreichs im 18. und 19. Jh. in einem kleinen, ziemlich unaufregenden Land lebt, dessen kulturelle Exportschlager mit Kierkegaard, Hans Christian Andersen, Lars von Trier und Marmelade von Den gamle Fabrik erschöpft sind, daran hat man sich gewöhnt. Demzufolge treibt der Nationalstolz – ohne den ein moderner Nationalstaat nun einmal nicht auskommt – in Dänemark sonderbare Blüten, fernab von Hurra-Patriotismus und vaterländischen Kriegergöttern.
Der nationale Rückblick fokussiert Grüppchen erfinderischer Wikinger, die in schnellen Booten Ost- und Nordsee durchpflügen und damit die Identität als nordisches Land rechtfertigen, verwandt mit Schweden, Norwegen und Island – und bloß weit weg von Deutschland. Die traditionell enge kulturelle Anbindung Dänemarks an den großen südlichen Nachbarn, die unter Anderm dazu führte, dass die Bildungselite und alles Übrige, was auf sich hielt, Deutsch sprach und in deutscher Literatur, Musik, Philosophie bewandert war, fand mit der deutschen Besetzung 1940-45 ein jähes Ende; seither wird sich nach Norden orientiert.
Signifikant für die dänische Mentalität und Politik ist die Notwendigkeit, sich zu orientieren, sich einem Geflecht aus Mächten und Hegemonien einzufügen – gewissermaßen nach verschiedenen Seiten hin anschlussfähig zu sein. Durch die Lage zwischen zwei Meeren, die seit jeher Dänemarks Konzentration auf Handel und Kriegsführung zur See begünstigte, bildete sich zeitig eine gewisse Weltoffenheit heraus, die als Grundlage des Toleranzgedankens gelten kann, von dem noch die Rede sein wird. Grob gesagt, ist in Dänemark seit langem selbstverständlich, dass Austausch von enormer Bedeutung ist und Differenzen ausgehalten und hingenommen werden müssen. (Soweit ich weiß, ist in Dänemarks Geschichte niemandem der Gedanke gekommen, auf kulturellem, politischem oder wirtschaftlichem Gebiet Autarkie anzustreben, Pläne, wie sie im Deutschen Reich zu manch finsterer Zeit gehegt wurden.)

Im Jahre 1537 wurde das Land reformiert. Seither besteht die Volkskirche – eine lutherische Staatskirche, deren Oberhaupt die Königin ist und in die jeder dänische Bürger hineingeboren wird. Somit erfolgt der Eintritt in die Kirche automatisch, ohne Glaubensprüfung und Bekenntnis; der Kirche obliegt schlicht die Aufgabe, das offizielle Geburten- und Sterberegister zu führen. Außerdem ist die Volkskirche bis heute Trägerin des öffentlichen Schulwesens. (Nach diesen Kriterien ist Dänemark kein laizistischer Staat.) Obwohl die meisten Dänen sich höchstens als „Kulturchristen“ bezeichnen – in Opposition zu „Kirchenchristen“ –, entscheiden sich nur Wenige für den Kirchenaustritt. Die Mehrheit schätzt die Kirche als diejenige Institution, die für die Weiterführung von Traditionen zuständig ist: die Taufen, Hochzeiten, Gedenkfeiern durchführt; die zur Weihnachtszeit ein hübsches Krippenspiel auf die Beine stellt und auch zu Ostern was Feierliches. Die Kirchensteuer wird im ohnehin steuerenthusiastischen Dänemark als karikativer Beitrag zur Wohlfahrtsgesellschaft und als Unterstützung zum Erhalt von Kulturgütern betrachtet.
Vor einigen Jahren sorgte in Dänemark ein Sachbuch für Furore, Society without God, in dem der US-amerikanische Soziologe Phil Zuckerman einigermaßen ratlos fragte, wie Dänen und Schweden zufrieden und um ihr Seelenheil unbesorgt sein könnten, bei derart mangelnder Inbrunst in der Verehrung des Höchsten. Zum Beifall seiner dänischen Leserinnen und Leser stieß er auf einen Zusammenhang zwischen geringer sozialer Sicherheit und religiösem Eifer: Je unsicherer es in einer Gesellschaft zugehe – gemessen anhand Faktoren wie Kriminalitätsrate, Arbeitslosigkeit, Analphabetismus, wirtschaftliche Absicherung –, desto größer die Bereitschaft, daraus resultierende Lebensängste und -zweifel mit Appellen himmelwärts zu kompensieren. Also getreu der alten Marx-Diagnose, dass Religion das Opium des darbenden Volkes sei. – Und die gemeine Dänin will nicht darben; insofern ist sie Materialistin und verteidigt aus ganzem Herzen das kostenfreie Universitätsstudium, die staatliche Krankenkasse, ihr Einfamilienhäuschen im westjütländischen Provinznest um die 5000 Einwohner und ihre zwei umweltfreundlich katalysierenden Familienautos. Dass sie dies besitzt und dass alle Anderen über die Voraussetzungen verfügen, Ähnliches zu besitzen – das ist die dänische Vorstellung von Glück und der vollkommenen Gesellschaft.

Das dänische Grundgesetz, 1848 erlassen von Christian VIII., begründete die konstitutionelle Monarchie, die bis heute besteht. Bezeichnend die Anekdote zu dieser sogenannten „siebenminütigen Revolution“: Vor dem Palast in Kopenhagen versammelte sich frühmorgens aufrührerisches Volk und verlangte bürgerliche Rechte; der König, nachdem er sich unwillig im Bett umgedreht hatte, unterschrieb den Verfassungsvorschlag, um weiterschlafen zu können.
Seither sind alle Bürger gleich; und das Gleichheitsideal leuchtet hoch über allen übrigen dänischen Werten. Dies äußert sich im geringen Gefälle zwischen den Schichten, Gehälter und soziale Anerkennung betreffend; in den äußerst kühnen Steuersätzen, die das Gemeinwesen finanzieren; und in der fortgeschrittenen bürgerlichen Emanzipation der Frau. Zur völligen Hierarchieabstinenz, in der sich der gemeine Däne wähnt, gehört ebenso eine allgemeine harmlose Kumpelhaftigkeit; so ist während der letzten Jahrzehnte das Siezen und die Anrede mit „Herr“ und „Frau“ völlig anachronistisch geworden. Konfliktpotenzial im Studium, am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit wird mit Höflichkeit und gewinnendem Lächeln entschärft; bärbeißigen Gesichtern, wie sie in der Leipziger Fußgängerzone alltäglich sind, begegnet man selten.
Dänemark ist eine ausgeprägte Mittelstands-, böswillig gesprochen: Durchschnittsgesellschaft, in der das Wort „Volk“, das ganz und gar im Demokratischen aufgeht, bis heute einen feierlichen Klang behalten hat. Volkswohlfahrt, Volkskirche, Volksschule, Volksbibliothek, Folketing (das Parlament): Alles wird solidargemeinschaftlich unterhalten und ist für alle gleichermaßen da. Der ausgeprägt egalitären Kultur, die alle Instanzen der Gesellschaft durchzieht, korrespondiert eine Mentalität, die im sozialen Ideal der hygge gipfelt: Dieses dänischste aller dänischen Wörter, dem am ehsten dem deutschen Begriff „Gemütlichkeit“ nahe kommt, bezeichnet eine Form des anheimelnden Beisammenseins mit Kaffee, Kuchen, Bier, Geplauder und Gesang - passend zu einem Klima, das Dreiviertel des Jahres klamm und dunkel ist. Das so entstandene Kollektiv kümmert sich nicht sehr um die Geschehnisse in der großen Welt; es ist mehr introvertiert, selbstgenügsam, trägt den Charakter gemeinsamen dumpfen Brütens bei schlechtem Wetter. Unzufriedenheit kanalisiert sich in Zynismus, Fatalismus, Gehässigkeit gegenüber Überfliegern aus den eigenen Reihen.
Dänemark ist ein Land, das lediglich zwei größere Städte aufweist und in dem das Gros der Bevölkerung auf kleine Orte verstreut lebt – wohlverkabelt mit Fernsehen, Internet und Handy, aber doch so weit ab vom Schuss, dass ein gar nicht kleiner Teil vermutlich in seinem Leben keinen leibhaftigen Ausländer gesehen hat oder mit alternativen Lebensformen in Berührung gekommen wäre (und sei's nur Vegetarismus). In einem solchen Milieu stößt jemand, der irgendetwas nicht auf die urdänische Art tut, auf stumme, undurchdringliche Duldung: Toleranz. Durchbricht jemand mit auffälligem Verhalten, Exhibitionismus im Umgang mit dem Privatleben oder übermäßig großem beruflichem Erfolg die herrschende Gemütlichkeit, wird dies zwar akzeptiert; auf Neugier oder Mitgefühl braucht derjenige nicht zu warten.

In internationalen Erhebungen bestätigen regelmäßig über 70% aller Däninnen und Dänen, glücklich bis sehr glücklich zu sein; auf dies Rekordergebnis – das mit Wohlstand, sozialer Sicherheit und Gleichheit in möglichst vielen Lebensbereichen, mithin einer gerechten Gesellschaft, erklärt wird – hält man sich viel zugute. Die aus der umfassenden Zufriedenheit resultierende Lebenshaltung ist eine gewisse epikuräische Gleichgültigkeit gegenüber den Wunderlichkeiten und Unbilden des Weltlaufs. In einem Gedichtchen des Lyrikers Peter Laugesen wird Dänemark selbstkritisch als hyggelykkeland bezeichnet: als „Glücklich-Gemütlich-Ländchen“.

2. Lars Løkke Rasmussen, Dänemarks Ministerpräsident, verurteilte den Anschlag auf Kurt Westergaard als einen „abscheulichen Angriff auf eine offene Gesellschaft“ (Ekstrabladet, 2.1.2010). Doch aus welchem Teil dieser Gesellschaft kam der Mann, der versuchte, Westergaard zu töten? Nach Polizeiangaben ist er gemeldet in einem als problematisch geltenden Stadtteil Kopenhagens. Um die Problematik dieser Herkunft zu veranschaulichen, seien hier einige Eindrücke aus einem vergleichbaren Stadtteil wiedergegeben: Brabrand in Westergaards Heimatstadt Århus.
Brabrand, einst ein Dörfchen in tiefster dänischer Pampa, wurde in den 1960ern im Zuge eines groß angelegten Städtebauprojekts als Satellitenstadt im Großraum Århus neu konzipiert. Innerhalb weniger Jahre entstand der Gelleruppark: riesige Wohnblöcke, sekundiert von allen Einrichtungen, die ein selbständiger Wohnort erfordert: Schulen, Supermärkte, Kindergarten, Spielplätze, Grünanlagen, Arztpraxen. Die Wohnungen in Brabrand sind groß und billig, mithin familien- und WG-tauglich. Bis heute kümmert sich die Brabrand Boligforening, die Wohnungsverwaltung, um Müllbeseitigung und Bepflanzung, sodass der Gelleruppark bürgerlich nett anzusehen ist. Es gehört zur dänischen Ironie, dass inmitten des gefährlichsten Viertels des Landes der Rasen tadellos hergerichtet ist und kein einziges Kaugummipapier den guten Eindruck beeinträchtigt.
Der Gelleruppark geriet bald nach seiner Entstehung in den Geruch des Asozialen und Kriminellen. In den Anfangsjahren zuvörderst von Studenten, Rentnern, Sozialhilfeempfängern und arbeitslosen Grönländern bewohnt, hat sich die Mehrheit inzwischen deutlich auf Einwanderer aus der Türkei, den arabischen Ländern, Somalia und Vietnam verschoben. Heutzutage haben 84% der ca. 6000 Bewohnerinnen und Bewohner Brabrand Vests einen migrantischen Hintergrund: astronomische Zahlen, nicht nur für ein Land, dessen durchschnittlicher Ausländeranteil kaum höher ist als in den neuen Bundesländern. – Das Brabrander Straßenbild genügt allen Klischees, die einem zur Lebenswelt muslimischer Migranten einfallen: Kopftuch- und Burkamuttis nebst Kinderwagen und prallen NETTO-Tüten links und rechts; kleine verschleierte Mädchen; grässlich herummackernde Jungsbanden, die Frauen Schweinereien und Alkoholkonsumenten Flüche hinterher rufen – was sie nicht daran hindert, gelegentlich Hasch zu verticken –; eine Art Kreuzberg-Dänisch als Verkehrssprache; Palästinaflaggen in den Schaufenstern und -tücher um die Hälse. (Die Tage der Gaza-Offensive im Januar letzten Jahres, als sich aufgebrachte Massen durch den Stadtteil wälzten, bewirkten, dass der Austauschstudentin mit dem I love Israel-Federmäppchen in der Tasche wirklich angst und bange wurde.)
Es gibt, und das entspricht ausnahmsweise skandinavischer Sitte, abgesehn von den stromernden Jungs keinen Menschen, der sich draußen aufhielte, die Grünanlagen stehen selbst bei schönem Wetter leer. Alles soziale Leben spielt sich in den Wohnungen ab; wobei zusätzlich die großen Fenster – gedacht, möglichst viel vom knapp bemessenen dänischen Tageslicht hereinzulassen – mit dicken Stoffbahnen verhängt sind, damit kein Blick auf die weiblichen, zu Hause barhäuptigen Familienmitglieder fällt. Zwischen den Blocks spazieren zu gehen, ist etwas enorm Ungewöhnliches.
Davon, dass man sich in einem in ganz Dänemark als Ghetto verschrienen Bezirk befindet, der auch aufgrund seiner baulich bedingten Autonomie sehr abgeschlossen wirkt, künden des Weiteren die Sicherheitsvorkehrungen, von denen alle Institutionen umgeben sind. Die Kontrolleure in der Buslinie, die nach Brabrand hinausfährt, sind muskeldicke Bollos mit grimmigen Gesichtern. Im Gelleruppark sind die Wohnungen billig, aber ein Auto versichern zu lassen, kostet ein Vermögen: Fahrzeuge werden ständig geknackt oder abgebrannt. Vorm NETTO stehen finstere Sicherheitsmänner. Der Sitz der Verwaltung befindet sich in einem alten Bauernhaus, das mit Alarmanlage und Zäunen zum Hochsicherheitstrakt aufgerüstet wurde. Der Geldautomat ist ständig zerstört; vor kurzem wurde die Filiale der Danske Bank, die einzige Bankfiliale im Gelleruppark, aus Sicherheitsgründen geschlossen. Das sprechendste Schicksal jedoch erlitt die Tankstelle, kriminalstatistisch als am häufigsten ausgeraubte Tankstelle Dänemarks ausgewiesen und schließlich endgültig abgebaut. Es hatte einfach zu viele Überfälle und eingeschmissene Scheiben gegeben.
An der Stelle der einstigen Tankstelle befindet sich heute der Basar, das soziale Zentrum von Brabrand Vest: eine große Halle, in der Lebensmittel, Kleidung und Gebrauchsgegenstände für orientalisch geprägte Konsumbedürfnisse zu bewundern sind – und in der man sich als weiße Frau mit sichtbarem Haupthaar schnell deplatziert fühlt, was einem mittels Blicken und den offiziell selbst für dänische Verhältnisse horrenden Preisen bestätigt wird …
Es ist wahrlich schwierig, mit diesem ständigen Unbehagen im Nacken herumzulaufen und dabei nicht zur Rassistin zu werden. Xenophobe Reflexe stellen sich ein, wenn einem prompt die Reifen aufgeschlitzt werden, sobald man das Fahrrad eine Nacht draußen stehen lässt; wenn man sich nicht traut, den Laptop im Wohnheim stehen zu lassen, der unglaublichen Einbruchsrate halber; wenn es zum Alltag gehört, angestarrt, angerempelt und gar begrapscht zu werden. Irgendwann, aller angestrengten Selbstreflexion zum Trotz, gewöhnt man sich in Vierteln wie Brabrand Vest an, von jedem dunkelhäutigen Jungspund im Kapuzenpulli Übles zu erwarten und nachts lieber nicht alleine heimzukommen.

Welch antizivilisatorische Sprengkraft diesem Zustand innewohnt, den man treffend Parallelgesellschaft nennen mag, dämmert der Tonio-Kröger-romantischen Beobachterin spätestens dann, wenn es im Bus Randale gibt oder der Kindergarten brennt, wenn sich Migrantengangs mit den Hell's Angels Standortgefechte liefern, nächtens plötzlich Schüsse knallen oder in den Lokalnachrichten von Stichwunden und Vergewaltigung die Rede ist – zutiefst verstörende Ereignisse, zumal fürs dänische Empfinden, dem eine umgeknickte Buche auf Bornholm schon fast die Titelmeldung wert ist.
Die exorbitante Kriminalitätsrate, für die Brabrand in den letzten Jahrzehnten berüchtigt geworden ist, ist ein verlässlicher Parameter für Unsicherheit und als unbefriedigend empfundene soziale und ökonomische Verhältnisse. Sie zeigt an, dass eine nicht unbeträchtliche Zahl Migranten nicht völlig in Dänemark angekommen ist und sich dem dänischen Staat und der dänischen Gesellschaft nicht verpflichtet fühlt, vielmehr deren Gesetze und Wertvorstellungen verachtet. In diesem Zusammenhang nimmt es nicht wunder, dass Migrantinnen und Migranten auch Jahrzehnte nach der Einwanderung in ein ethnisch homogenes Gefüge von Familien- und Clanstrukturen eingebettet sind, innerhalb deren der Bezug zur alten Heimat intensiv gepflegt wird: in Wohn-, Kleidungs- und Esskultur, claninterner Heiratspolitik bis hin zu weiblicher Genitalverstümmelung und unsäglichen Erziehungsgepflogenheiten, die aus Mädchen unsichtbare, gebärfreudige Haushaltshilfen machen und aus Jungs sadistische, empathisch unfähige Krawallschläger: eine Sozialisation, die später in der dänischen Öffentlichkeit und auf dem Arbeitsmarkt keine Anerkennung findet und daher einigermaßen zwangsläufig in der Verzweiflung endet. – Dem Hörensagen nach existiert in Brabrander Migrantenfamilien eine patriarchale Gerichtsbarkeit, durchaus bereit, jemanden aus den eigenen Reihen, der in ihren Augen gefehlt hat, zeitweise nach Somalia zu verbannen, wo derjenige für eine Weile die Annehmlichkeiten des Lebens im Exil entbehren müsste.
(Es bleiben dies natürlich Außenansichten – was unauflöslich damit zusammenhängt, dass ich keinen Dänen getroffen habe, der Freunde oder auch nur Bekannte mit muslimischem Migrationshintergrund besessen hätte. Dergleichen mag vielleicht unter Schulkindern vorkommen oder in besser integrierten Kreisen – Einwanderern, die nicht im Brabrander Ghetto gelandet sind.)

Um auf den Fall Westergaard zurückzukommen: Obwohl der Angreifer vom Neujahrstag vermutlich auf eigene Faust handelte, stellte sich schnell heraus, dass er Kontakte zur somalischen Terrororganisation Al-Shabaab pflegte; seine Verbindungsmänner zu Al-Quaida wurden ebenfalls in Ostafrika lokalisiert.

3. Das weltweite Aufsehen um die Karikaturen in Jyllands-Posten hat in der dänischen Gesellschaft – ähnlich wie in den Niederlanden nach dem Schock des tödlichen Angriffs auf den islamkritischen Filmemacher van Gogh – den konservativen Wertewandel beschleunigt, der seit einigen Jahren in Gang ist.
Es war ein Trauma fürs dänische Gemüt, den rotweißen Dannebrog – der normalerweise in Vorgärten weht sowie auf Geburtstagstorten und Sonderangeboten – von einer fanatisierten Menschenmenge verbrannt zu sehen. Todesdrohungen gegen einen Künstler, wahnwitzige Kopfgelder …! Im Århuser Kunstmuseum steht, auf 300 Einmachgläser verteilt, ein aus Gründen des moralischen Protests gegen den Vietnamkrieg geschlachtetes, zerteiltes und in Formaldehyd eingelegtes Pferd; davor steht die dänische Medienkonsumentin mit interessiertem Gleichmut. Wie sollte sie da in empörte Wallung geraten angesichts einer politischen Zeichnung?

Die Ängste, die das gewaltvolle Echo der islamischen Welt auf die Mohammed-Zeichnungen in der dänischen Öffentlichkeit auslöste, äußerten sich in einer Welle der Solidarität mit den bedrohten Karikaturisten und einer heftigen Debatte um die Besinnung auf dänische Werte. Der schnell zugespitzte Antagonismus zwischen islamistischem Gewaltexzess und friedlichem Dänentum, das auf die Macht des Wortes und angreifbarer Bleistiftzeichnungen setzt, erhitzte die Gemüter. Die Werte, für die Dänemark stehe, wurden dabei ziemlich eindeutig in einen abendländisch-aufgeklärten Kontext gesetzt: Demokratie, Liberalismus und die damit einhergehenden bürgerlichen Rechte der Presse-, Religions- und Meinungsfreiheit; dazu zur Säkularität abgekühlte christliche Tugenden der sozialen Fürsorge und der rücksichtsvollen Gemeinschaftlichkeit – vermittelt, wie könnte es anders sein, durch Arbeit. (Das Insistieren auf Lohnarbeit als unerlässliches Ticket zur Teilhabe an der Gesellschaft ist natürlich immer impliziert; aber ich habe es nie als derartig aggressiv empfunden wie hierzulande. In Dänemark mit seiner verschwindend geringen Arbeitslosigkeit gilt allgemeines Arbeiten-Müssen als Selbstverständlichkeit, war jedoch – zumindest bis zum Beginn der aktuellen Weltwirtschaftskrise – kein politischer Aufreger.)
In diesem Bemühen nach Selbstversicherung entstand ein abschreckendes Feindbild vom Muslim als solchem, das sich häufig genug in handfestem Rassismus äußert. Viele Dänen, aber auch viele Medien kriegen die Kurve nicht, islamkritisch, aber nicht islamophob zu urteilen. Dass sie diese Kurve derart virtuos verfehlen, scheint mir mit der spezifischen Umgangsweise alteingesessener Dänen mit den zugewanderten Mitbürgern zusammenzuhängen.
Beinah Symbolwert hat der Umgang der verschiedenen Bevölkerungsteile miteinander in den öffentlichen Verkehrsmitteln: Es stößt auf indigniertes Wegsehen, wenn Halbwüchsige arabischsprachige Unanständigkeiten durch den Bus krakeelen und Sitze aufschlitzen. Niemand weist sie zurecht; der weiße, mittelständische Mehrheitsdäne, vertieft in Zeitung und mp3, ignoriert das Phänomen, umgeben von einer Aura stillschweigender Missbilligung. – Es ist die Kehrseite der dänischen Toleranzmentalität, dass sie, in der Absicht, das aufgrund seiner Andersartigkeit Störende auszusitzen, sich zur Ignoranz steigert. Der soziale Code, den Mitmenschen höflicherweise völlig zu ignorieren – notfalls umzurennen, wenn dieser sich nicht dem durchschnittlichen Lauftempo auf dem Bürgersteig anpasst – funktioniert, solange der Mitmensch demselben Code genügt und seinerseits darauf bedacht ist, ruhig und reibungslos seiner Wege zu gehen. Der Konfrontation mit einem lauten, unangepassten und verächtlichen Gegenüber steht der solchermaßen codierte Däne mit einer gewissen Hilflosigkeit gegenüber; folglich fährt er fort zu ignorieren – und reagiert auf die als Bedrohung empfundene migrantische Aggressivität vielleicht damit, bei der nächsten Wahl das Kreuz ein Stückchen weiter rechts zu setzen.

Bereits seit 2001 ist die rechtsliberale Venstre-Partei, die mit einer rigorosen Asylpolitik firmiert, die stärkste politische Kraft Dänemarks; sie regiert zusammen mit der Konservativen Volkspartei. Seither ist das Asylrecht dramatisch beschnitten worden: Sämtliche Berechtigungskriterien wurden verschärft und finanzielle Zuschüsse gekürzt. Einige Gesetzesnovellen scheinen speziell auf muslimische Einwanderinnen und Einwanderer zugeschnitten zu sein: so die Bestimmung, dass, um arrangierte Heiraten und schwer integrierbare Zuzüge einzudämmen, ausländische Ehepartnerinnen erst nach genauer Prüfung des Einzelfalls und ab einem Alter von 24 Jahren importiert werden dürfen. In dieselbe Richtung geht die Aufnahme von FGM ins dänische Strafgesetzbuch: Weibliche Genitalverstümmelung, wie sie von einigen Einwanderern aus afrikanischen Ländern praktiziert wird, gilt seit wenigen Jahren als schwere Körperverletzung.
Ein großes Skandalon im Folketing bildet die Dänische Volkspartei, Bündnispartnerin der Venstre. Diese Partei, ein noch recht junger Zusammenschluss von Rechtspopulisten, wirbt unverfroren mit einer „warmen und starken nationalen Gesinnung“ (so die Parteivorsitzende Pia Kjærsgaard auf der offiziellen Homepage). Auf den Plakaten und in den Aussagen der Dänischen Volkspartei zeigt der possierliche dänische Vaterlandsstolz plötzlich Zähnchen: Muslime passten nicht nach Dänemark, weil sie – ähnlich wie die EU! – die kulturelle und politische Eigenständigkeit des Landes gefährdeten. Immer wieder tauchen in Kreisen der DFP herabsetzende Äußerungen gegenüber muslimischen Migranten auf; als Beispiel diene die Abgeordnete Louise Frevert, die auf ihrer Internetseite enthüllte, junge dänische Moslems wären der Meinung, nichtmuslimische Frauen zu vergewaltigen sei ebenso in Ordnung wie das Verprügeln nichtmuslimischer Männer. Öffentlicher Kritik auf solche Unzumutbarkeiten begegnet die Parteiführung mit dem Verweis auf den demokratischen Grundsatz der Dänischen Volkspartei; Rassismus und jeglicher Extremismus, als demokratiefeindliche Elemente, werden kurzerhand für „undänisch“ erklärt. Insofern bezeichnet sich die Partei als „in gewissem Maße antimuslimisch“ (Kristian Thulesen Dahl, DFP-Abgeordneter, in Politiken, 15.5.2008)
Kaum verbrämt setzt sich die DFP dafür ein, die Schotten dichtzumachen – und zwar recht erfolgreich: Bei den Wahlen zum Europaparlament im Juni 2009 bewog die Angst vor einem ungewissen, unkontrollierbaren, fremdartigen Anderen 15% aller Stimmberechtigten, jener populistischen Grütze zu vertrauen.
(Die Leipziger Besucherin freute sich über Hitlerbärtchen, die einige vernünftige Dänen dem DFP-Kandidaten auf den Wahlwerbeplakaten immerhin anmalten.)

In diese gesellschaftliche Tendenz, deren Auswüchse sich im Erfolg der rechten Parteien niederschlagen, passt Westergaards Kommentar, die Mohammed-Zeichnung sei Ausdruck seines Unbehagens über Terror und Unruhen, hervorgerufen von islamistischen Kräften – keine Analyse des Islam als Religion und politisches Konzept (vgl. Interview in der Fernsehsendung Ærligt talt, 2.2.2008 – also vor dem Mordanschlag).
Ich möchte, anhand des zugegebenermaßen krassen Beispiels Islamismus, den Akzent der Westergaard'schen Äußerung auf eine Eigentümlichkeit lenken, die mir signifikant scheint für die dänische Mentalität: ein Unvermögen, sich auf Abweichungen von der Norm einzulassen. Die provinzielle Note von Dänemarks Gesellschaft macht, dass es wenig sichtbare Abweichungen gibt; die Mehrheitsmeinung lautet, dass viele Wege möglich sind, aber der Danish way of life entschieden der beste. In dieser Ansicht liegt seit je ein skeptischer Konservatismus. Neuerungen werden nicht bekämpft, aber ebenso wenig für ganz voll genommen.
Die gemeine Dänin hat beispielsweise ein großes Vergnügen daran, jegliche political correctness ins Absurde zu wenden; das lässt sich an vielen dänischen Filmen beobachten. In meine Begeisterung über den wunderbar schwarzen und trockenen Humor, der noch jedes Luftschloss verdorren lässt, platzt plötzlich – wie in In China essen sie Hunde (1999)– der verkappt schwule Bankangestellte, hat zu allgemeinem Jauchzen an unpassendster Stelle sein Coming Out, trägt fortan eine tuntige Gangart zur Schau sowie ein hellblaues Poloshirt und wird schließlich in die Hölle verbannt … In der bunten Exzentrizität, durch die der Film-Schwule aus der Hetenmehrheit sticht, wird auffälliges, von der sozialen Norm abweichendes Verhalten lächerlich gemacht und mit Häme bestraft. Paradox genug, dass solche Späße in einem Land gedeihen, das 1989 als erster Staat überhaupt gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften juristisch möglich machte – und das mit umfassenden Rechten und Pflichten, die diesen Bund der traditionellen Ehe nahezu gleichstellten. – Ein (deutscher) Freund erzählte mir, dass erstaunlich viele User dänischer Homoforen ihren Status mit „bi“, „offen“ oder „nicht geoutet“ angeben und offensichtlich unter Pseudonymen angemeldet sind. Auf Anfrage erhielt er Antworten des Schemas: Treffen könne man sich gern; aber nein, ein Foto einzustellen sei nicht möglich, das könnte ein Bekannter sehen; außerdem sei man schließlich verlobt/verheiratet.
Die dänische Gesellschaft mag sich als offen charakterisieren; sonderlich vielfältig ist sie nicht.

Etwas zu tolerieren bedeutet auf Dänisch erst einmal, sich darüber zu amüsieren; aber nicht notwendig, sich damit auseinanderzusetzen. Das dänische Drama, das jüngst im Fall Westergaard eskalierte, begann damit, dass eine gar nicht kleine Zahl muslimischer Migranten (die beispielsweise vor dem Bürgerkrieg und der desolaten wirtschaftlichen Lage in Somalia geflohen waren) in Dänemark aufgenommen, in Stadtteilen wie Brabrand platziert und dort, versehen mit allen wohlfahrtsstaatlichen Annehmlichkeiten, fürderhin ignoriert wurden. Lange fiel nicht auf, dass diese Menschengruppe – trotz Sozialhilfe, unentgeltlichem Arzt- und Schulbesuch und staatlich angebotenem Dänischkurs – nicht automatisch Teil der dänischen Zivilgesellschaft wurde, von Gleichheit und hygge nicht sonderlich beeindruckt war und mithin nicht nach dänischer Façon selig zu werden gedachte.
In Dänemark hat niemand etwas gegen Muslime oder Schwule – solange man hinter verschlossenen Türen muslimisch oder schwul ist und äußerlich an den einigermaßen starren Regeln des Zusammenlebens festhält. In diesem Privatismus liegt Achtung vor den Freiheiten des bürgerlichen Individuums; aber auch eine gewisse Borniertheit und Bigotterie.

4. In den letzten Tagen verbreitete Nikoline Astrid Nielsen, eine junge dänische Bloggerin, via Youtube und Facebook einen „support song“ für Westergaard. In schiefsten, heliumgetränkten Tönen, vor Techno-Kulisse und mit der Attitüde eines überexaltierten Pophuhns, bekundet sie darin ihre Anhängerschaft an den Karikaturisten: „Ich liebe deine Zeichnung, ich liebe deinen Ruhm /Kann mit Drohungen leben, wenn du auf so was stehst /Du turnst mich an, du turnst mich an /Ich will dich, fuck, was die Andern sagen / Kurt Westergaard, ich liebe dich / Du und ich, eine gefährliche Romanze / Oh-oh-oh-oooh, eine gefährliche Romanze …“
Nielsen will ihr Lied als Geste der Solidarität mit Westergaard persönlich sowie als Hymne an die Meinungsfreiheit verstanden wissen, denn „kein Mensch soll so etwas durchmachen müssen […] jeder hat das Recht zu sagen, was er will, ohne Todesdrohungen zu bekommen“ (Kommentar auf Youtube, Farlig Romance med Kurt Westergaard). Zugleich jedoch verwahrt sie sich gegen explizite politische Stellungnahme: „Das ist meine Privatsache und hat mit dem Song nichts zu tun.“ Das Lied, dessen Refrain „Alla-ya-la-ya-la – ganz schön gefährlich“ lautet, bot dem internetfähigen Teil der dänischen Öffentlichkeit Diskussionsstoff, fand aber vorrangig stürmischen Beifall.
Gefährliche Romanze mit Kurt Westergaard gefällt mir in seinem eigensinnig dänischen Beharren auf den Fortbestand der gewohnten Welt und ihren Normen – darauf, wie es immer schon gewesen ist. Davon, dass die von Nielsen verteidigten Werte der Meinungs- und Religionsfreiheit als Selbstverständlichkeiten in der dänischen Öffentlichkeit verankert sind, zeugt die Selbstironie, die in Nielsens Groupiehaftigkeit liegt, und die hierarchieferne Respektlosigkeit, mit der hier ein älterer Herrn, der immerhin in Todesgefahr schwebt, der moralischen Unterstützung versichert wird.

Diese Weise, mit dem Anschlag auf Westergaard umzugehen, betont erst recht den Kontrast zu einer religiös-fanatischen Raserei, die mit Messer und Axt daherkommt: Gegen das revolutionäre Pathos islamistischer Propaganda, das sich seiner selbst mit Krawall und Pengpuff versichern muss, steht Nielsens albriges Lied ebenso wie Westergaards Zeichnung.
Es ist eine Art öffentlicher Kritik, die sich Waffen wie Ironie und Komik leisten kann. Der demokratische Gedanke, möchte ich behaupten, ist in Dänemark in einem Maße internalisiert, dass Raum für solcherlei vergleichsweise subtilen Umgangsweisen verlässlich besteht. – Satire sei demokratisch, betont Westergaard in oben angeführtem Interview. Angesichts der Spannungen zwischen westlicher und islamischer Kultur fühle er sich genötigt, sich voll und ganz auf westliche Seite zu stellen. Die Riots, mit denen Moslems 2005 auf die Mohammed-Karikaturen in Jyllands-Posten antworteten, begründet er dänisch nüchtern mit schlechten Regierungen, unfähig, die Bedürfnisse der Bevölkerung angemessen zu erfüllen. Somit befänden sich diese gewalttätigen Reaktionen außerhalb seiner Verantwortlichkeit.

In Dänemark ist man vor allem eins: eingesessen, im Guten wie im Schlechten. Möge Dänemark weiterhin in der Lage sein, sich Satire und Ironie leisten zu können.

Korinna Linkerhand

Eis

22.03.2010
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