home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[17][<<][>>]

Exploited

Der Punk ist tot, es lebe der Punk.

Der Punk ist tot, so heißt es seit Jahren. Warum gibt es Bands, die sich ruhigen Gewissens zum Urgestein dieser „Bewegung“ zählen können, wie THE EXPLOITED immer noch? Warum rennen immer noch tausende Kids mit Iro durch die Gegend? Woher kommt das Ganze eigentlich?
Anfang der 70iger war’s, als sich der Mainstreamrock sich in bombastischen Soundkonstruktionen und die Hippie-Bewegung sich in sinnentleerten Peacegelabbere festgefahren hatten. Zu dieser Zeit also trug es sich zu, daß sich einige junge Männer und Frauen damit befaßten, häßliche Musik zu machen, sich selber im bürgerlichen Sinne häßlich zu kleiden, von der Bühne zu kotzen. Und es gab nichts, was Otto Normalverbraucher besser an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen konnte. Es dauerte nicht lange und die Industrie entdeckte, daß sich mit derartigen Antihaltungen sehr gut Geld verdienen läßt. Bands wie die SEX PISTOLS kreierten den „Great Rock’n’Roll Swindel“ und beherrschten die Medien. Kurzlebig waren die Meisten, doch einige „überlebten“. Und machen seitdem PUNK-Rock. (Dies soll kein musik- und gesellschaftshistorisch korrekter Abriss der Punkgeschichte gewesen sein, denn in Wirklichkeit war alles ganz anders und viel komplizierter).
Jedenfalls gibt es sie immer noch, die Punks und sie schaffen es nach wie vor, mit Aktionen wie den Chaostagen, die Medien in höchste Aufmerksamkeit zu versetzen, sie bringen dem Bürger wie auch der Polizei ihre Auffassung von Spaß und Party so nahe, daß dieselben ihre im tiefsten Inneren verborgenen (so sehr im Inneren sind die meistens gar nicht, gilt es doch, wie man weiß, heutzutage als regelrecht „chic“, derartiges mal mehr mal weniger offen zu äußern, siehe dazu auch SCHENGENER ABKOMMEN, HARMONISIERUNG DER EUROPÄISCHEN RECHTSORDNUNGEN oder PUBLIC JUSTICE AND ORDER BILL) Bürgerkriegsgelüste und Führerstaatsphantasien mal so richtig ausleben können.
Und wenn sich die, ich möchte hier mal global den Begriff Gesellschaft verwenden, nicht genügend andere Randgruppen mittels ideologischer Konstrukte geschaffen hätte, wie z.B. „Scheinasylanten und Wirtschaftsflüchtlinge“, d.h. Immigranten, wer weiß, vielleicht wären ja die Punks Opfer entsprechender staatlich gesteuerter Hysterien und Gesetzgebungen geworden. Übrigens gab und gibt es in diversen deutschen Großstädten sogannte Punkerkarteien der Polizei und zwar seit Anfang der 80iger.
Doch kommen wir jetzt zum eigentlichen Anliegen dieses Textes den alten Heroen EXPLOITED. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es sie schon und seit mehr als einem Jahrzehnt stehen sie für kompromißlosen Punkrock (im guten wie im schlechten Sinne, d.h. für dreiakkorden Punk und fast keinerlei musikalische Weiterentwicklung, wenn man von einigen Ausflügen in metallastige Gefilde absieht). Ihre Texte drehen sich - wie soll’s anders sein - um Polizei, das fucking political System, um Kriegsmaschinerien usw. Daraufhin angesprochen, ob denn das Ganze nicht etwas klischeehaft und, sagen wir, altmodisch wirken würde, antwortete Sänger Wattie in einem Interview mit einer obskuren Metalzeitschrift schon vor Jahren: „Worüber soll ich den sonst schreiben? Darüber, daß die Welt so schön ist? ...“. Ehrlich halt.
Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit EXPLOITED ist, das schon seit Mitte der 80iger Jahre herumgeisternde Gerücht einer wie auch immer gearteten Verbindung dieser Band mit den Faschisten der National Front, welches nie richtig bewiesen werden konnte, aber auch nie richtig aus der Welt geschafft wurde. Mißverständlicher Gebrauch faschistischer Symbolik und mißverständliche Texte, die dem provokativen Ansinnen des Punk geschuldet sind, kennen wir ja von einer Menge solcher Bands, ich denke da nur an den vielleicht bekanntesten Fall, das Auftreten SID VICIOUS mit einer Hakenkreuzarmbinde. Was ärgert Hippies und Gutmenschen mehr als so etwas? Daraufhin angesprochen, ob er denn ein Nazi sei, antwortete Sid Vicios, er würde sich lieber eine Hand abhacken, als Nazi sein zu wollen.
Es sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, daß ein Gutteil der ersten Naziskins und ihrer Bands direkten Wegs aus der „Punkbewegung“ kamen. Beachtung sollte auch weiterhin finden, daß das Land, in dem solch eine Provokation über die Bühne geht, eine eminente Rolle spielt, will sagen in England oder USA mag soetwas zwar hart an der Schmerzgrenze liegen aber noch o.k. gehen, in Deutschland freilich sollte solcherlei mit Blick auf die Vergangenheit aber tunlichst unterlassen werden.
Der einzige glaubwürdige Hinweis in dieser Richtung im Falle Exploited ist für mich ein Interview im ZAP, bei dem der Sänger, besagter Wattie, daraufhin angesprochen äußerte, daß er wohl mal Ärger mit einer Gruppe Pakistani in England hatte, allerdings nicht aus irgendwelchen rassistischen Motiven, und das auch öffentlich zum Besten gab. Das solche Sprüche bei einigen Menschen in den falschen Hals geraten, ist denke ich, nur verständlich. Unverständlich ist freilich, wie lange sich solche Gerüchte halten können. Liebe P.C.ler wenn ihr denn schon so strenge Maßstäbe anlegen wollt, schaut doch mal bei irgendeinem beliebigen Hippie in die Plattensammlung und achtet mal darauf, ob da nicht noch eine alte Eric Clapton Scheibe rumsteht und wenn ihr eine findet, dann, ja dann schimpft euren Hippiekumpel einen elenden Faschisten. Warum? E.Clapton hat während eines Konzertes allen Ernstes davon gesprochen, daß es das Beste wär alle Whogs (Schimpfwort für Pakistani in England) nach Hause zu schicken oder, besser noch, ins Meer zu schmeißen. Und im nächsten Satz rief er dazu auf, die National Front zu unterstützen...
Damit jetzt keine Irritationen aufkommen, Faschos gehört was aufs Maul und ich bin auch durchaus in der Lage, die Zusammenhänge zwischen Politik, Kultur und dem Darausfolgenden zu erkennen, nur werde ich mich immer gegen jede Art undifferenzierten Herangehens wehren.
EXPLOITED werden uns am 14.12. heimsuchen, mit ihnen kommen die BAFFDECKS von denen der eine oder andere schon etwas gehört haben dürfte. Soeben erfahre ich, daß dieses Package durch eine dritte Band vervollständigt wird, von der unser Local-Promoter keine näheren Infos rausrücken will, außer, daß es merkwürdige personelle Verbindungen zu einer nicht genannt sein wollenden Konzertagentur gibt und daß er das Promotape dieser Band angeblich beim Kehren im Saal gefunden habe.
In diesem Sinne, der Punk ist tot, es lebe der Punk. Kay

P.S.: Die zwei Eingangs gestellten Fragen sind jetzt zwar in keinster Weise beantwortet und ich muß auch gestehen, daß ich sie in der Kürze der Zeit nicht beantworten kann, kurz gesagt, es bleibt mir ein Rätsel. Vielleicht sind ja die Punks einer Transformation vom Nonkonformismus hin zum Traditionalismus zum Opfer gefallen?


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[17][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007