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Aktuelles Heft

INHALT #182

Titelbild
Editorial
• das erste: Unsere Insel stinkt
„ …a Mala Beat is a Mala Beat is a Mala Beat is a…“
Springtoifel
Karnivool, The Intersphere
The Creator: Pete Rock & CL Smooth
Napalm Death, Immolation, Macabre
Hot Christmas Hip Hop Lounge
Paperclip Release Night
We can feel the mountains in our skin and bones
Clash of the Monsters
Weihnachts-Tischtennis-Turnier
Man overboard
Caliban
Snowshower
NYE @ Conne Island
Kritik und Ressentiment
Veranstaltungsanzeigen
Großbaustelle Conne Island
Konzertabsage Maroon
Zur Absage der Veranstaltung mit Justus Wertmüller
• doku: Vielfalt tut gut
• doku: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
Es gibt tausend gute Gründe
Resultat einer infantilen Inquisition
Zu den Texten in diesem Heft
• review-corner film: Keeping it unreal
• doku: Sizilianische Verhältnisse
• doku: Macker, verpiss Dich!
Sind die Dichotomien unser Unglück?
Anzeigen
Punktsieg für den Antirassismus oder Reproduktion rassistischer Ausgrenzung?
• das letzte: Voll leer

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Es gibt tausend gute Gründe

Hier ein paar von ihnen gegen eine Veranstaltung mit Justus Wertmüller

Eine Diskussion kann in der Sache hart sein, wenn es denn sein muss. Es gibt allerdings keinen Grund, Menschen, die eine andere Position haben oder Kritik üben, zu beschimpfen. Zumindest nicht, wenn man sie ernst nimmt und von ihnen ernst genommen werden möchte.
Justus Wertmüller begreift KritikerInnen seiner Position scheinbar per se als FeindInnen. Da kennt er keine Grenzen der Beschimpfungen und Verunglimpfungen. Das allein erzeugt bereits einen Ausschluss: wer Kritik übt, befürchtet zurecht, persönlich angegriffen zu werden. Die Bestätigung der eigenen Position scheint alleiniger Sinn und Zweck der Veranstaltung. Ein Klima, in dem andere herunter gemacht werden, in dem Fragen und Kritik belächelt werden, ist vollkommen unnötig und verhindert eben genau Diskussionen, statt sie anzustoßen.
Ich sehe keinen Grund darin, jemandem ein Forum für seine wüsten Beschimpfungen, z.B. gegen Linke und Feministinnen, zu geben. Diese haben überhaupt nichts mit Kritik zu tun, sondern sind nur tumber Hass. Wer kein Interesse an einer Auseinandersetzung, sondern nur an Konfrontation hat, kann seine vermeintlichen Wahrheiten in der eigenen Zeitung publizieren, braucht aber nicht die Island-Bühne. Wer Kritikerinnen vorwirft, hässlich und dumm zu sein, hat offenbar keine Argumente und hat es auch nicht so mit Meinungsfreiheit und Pluralismus oder besser gesagt nur dann, wenn es um die eigene Meinung geht.

Man muss ein Argument nicht teilen, um es zu hören!

Es scheint im Nachhinein egal zu sein – egal was, wie, von wem im Plenum gesagt wurde, es kam nicht an und wurde und wird wissentlich falsch weitergetragen.
Unwahr ist, dass keine Argumente gegen eine Veranstaltung mit Justus Wertmüller im Plenum vorgebracht wurden. Mit Zitaten aus Texten und Äußerungen von Justus Wertmüller wurde begründet, warum man ihn gerade zum Thema „Integration“ problematisch findet. Nur weil diese Interpretation nicht geteilt wird, ist das Argument nicht aufgehoben. Wer behauptet, eine Phalanx von Frauen hätte „Rassist“ und „Sexist“ gerufen und damit alles andere übertönen wollen, weiß, dass er/sie lügt. Anders als einige VertreterInnen des BgA wurde sich im Plenum um eine Diskussionsatmosphäre bemüht, die sich mit Argumenten auseinandersetzt und zur Kenntnis nimmt, dass es Gründe für und gegen die Veranstaltung im Plenum gibt.
Die, die im Plenum immer wieder formal geworden sind, waren BgA-VertreterInnen, die nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollten, wie eine Entscheidung im Plenum zustande kommt und die sich und das Plenum gefragt haben, ob wir überhaupt so eine Veranstaltung absagen können. Ehrlich gesagt, das Conne Island Plenum kann mit dem und im Conne Island machen, was es will.. Wir sind zu überhaupt nichts verpflichtet, weder dazu, eine Band spielen zu lassen, noch dazu, eine Band abzusagen. Wir müssen keine Stellungnahmen schreiben und weder die Saal- noch die Cafétür aufschließen, wenn wir keine Lust dazu haben. Aber natürlich muss man mit Konsequenzen von Entscheidungen rechnen. Vielleicht geht man pleite oder verliert ein paar Gäste. So ist das halt.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Nur, um das hier mal klar zu stellen: so weit ich mich erinnere, ist ein Wort wie Definitionsrecht überhaupt nicht gefallen. Darum ging es gar nicht. Sehr wohl aber darum, dass Wertmüller sexistisch und anti-feministisch und feindlich gegenüber Linken argumentiert. Das ist zum Beispiel meine Position, die ich auch vertreten habe und die mich dazu bringt, keine Veranstaltung mit Justus Wertmüller im Conne Island zu wollen.

Hier ein paar Gründe für meine Meinung:

Eine Aussage wie „ein Nein zum Ja machen, ist Verführung“ im Kontext von sexualisierter Gewalt und Vergewaltigungen ist ein Schlag ins Gesicht für Frauen mit Gewalterfahrung. Wertmüller verbreitet zudem das ewige sexistische Klischee von vermeintlich sexuell frustrierten Feministinnen, die Sex nur im Zusammenhang mit Sexismus sehen könnten. Statt Inhalte zu kritisieren, wird Frauen vorgeworfen, hässlich zu sein. Sich negativ auf Körper von Frauen zu beziehen und das Argument verstanden wissen zu wollen, ist nicht nur blöd, sondern in einer Gesellschaft mit hohem Normierungs- und Schönheitsdruck auch sexistisch.
Muslimische Frauen oder gar Türkinnen und Araberinnen homogen als Opfer zu sehen, ist sexistisch, weil es, genau wie falscher Feminismus, Frauen eigenen Willen, eigene falsche Entscheidungen und politische Subjektivität versagt. Männer sind die handelnden und Frauen werden behandelt. Das ist zudem noch die falsche Islamkritik, denn die patriarchale und bisweilen tödliche Ideologie des Islamismus wird eben sowohl von Männern wie auch von Frauen produziert und reproduziert.
Wenn man von einem rechten Konsens der Gesellschaft ausgeht, weiß man auch, welche Begriffe auf fruchtbaren Boden fallen – „Kopftuchmädchen“ ist so einer, ebenso die Rede von „weniger intelligenten Muslimen“. Solche Worte von Sarrazin gehören nicht verteidigt, sondern als Klischees, die eine richtige Kritik an Regressivität und patriarchalen Strukturen in islamischen Communities verhindern, entlarvt. Dieser Punkt wäre für mich einzeln in der Sache diskutierbar. Nur bin ich der Meinung, dass das bei einer Veranstaltung mit Justus Wertmüller nicht möglich ist. Und die Verlautbarungen der letzten Wochen aus der bahamas-Redaktion bestätigen dies nur.
Ich will keine Bühne bieten für jemanden, der immer wieder betont, wie schlimm er linke Läden, linke Gruppen und Linke überhaupt findet und dem es nicht darum geht, Positionen zu kritisieren, sondern Menschen zu diffamieren. Beispiele für diese Position existieren zuhauf: verwiesen sei hier auf Äußerungen wie „ich finde das [gemeint ist die radikale Linke] ein verachtenswertes Volk“. Jemand, der Begriffe wie „linksextrem“ und „militanter Arm der Zivilgesellschaft“ angebracht findet, um antifaschistische Politik zu verunglimpfen, der Linke als „verwahrloste Elendsgestalten“ und „abstoßend“ bezeichnet, kann seine Polemik doch auch außerhalb linker Orte verbreiten. Kritik an der Linken ist bei mir durchaus willkommen, sie muss auch nicht solidarisch oder konstruktiv sein, nur inhaltlich. Regressive Inhalte, die sich in linken Aktionen und Artikeln vielfach finden lassen, gehören entlarvt, kritisiert und verraten. Aber mithilfe regressiver Inhalte und Aussagen lässt sich dies nicht tun.
Justus Wertmüller straft Positionen, die nicht seiner Meinung sind, ab, in dem er Vergleiche zu Nazipositionen zieht und sie als staatstragend bezeichnet. So war die jungle world in seinen Texten schon ein „regierungsnahes Wochenblatt“ und einem ihrer Redakteure wurden NKWD-Methoden unterstellt. Sowieso scheint er sich als alleiniger Hüter der Wahrheit zu empfinden. Gottgleich soll es keine Zeitschrift neben seiner geben. Hermann Gremliza, der Herausgeber der konkret, wurde in Veranstaltungen mit einem „Nachruf“ bedacht, als dieser Wertmüller kritisierte. Und die Phase 2 besteht für ihn aus „illiteraten Opportunisten“. Und so weiter und so fort.
Wer so mit Menschen umgeht, die selbstverständlich kritisierbar sind, aber eben weit davon entfernt, als Feinde betrachtet werden zu müssen, muss nicht in meinem Laden spielen.

Die Einschätzung, dass Justus Wertmüller „ein Rüpel“ sei, bisweilen Kritik vehement abschmettert und DiskussionsteilnehmerInnen „herunter macht“ kam vom BgA selbst. Warum gerade so eine Person notwendig oder auch nur geeignet sein soll, um eine Diskussion zu führen, bleibt für mich eine offene Frage.
Warum soll jemand, der keine Gelegenheit unterlässt, um zu betonen, wie wenig er an einem Austausch, an Kritik und Debatte interessiert ist, Referent für eine Diskussionsveranstaltung sein?
Warum soll jemand ein Podium bekommen, der wahnhafte Hasstiraden von sich gibt und dabei KritikerInnen Wahnhaftigkeit vorwirft?
Warum sollen sich Leute, die das Conne Island als „ihren Laden“ empfinden, hier unsachlich und persönlich beschimpfen lassen?
Ich finde, sie sollen es nicht, denn Pluralismus hat Grenzen. Deshalb war und bin ich gegen eine Veranstaltung mit Justus Wertmüller.
Diese Positionen muss man nicht notwendig teilen, aber so zu tun, als wären sie argumentfrei, ist unredlich und unverschämt.

Quod erat demonstandum

Die persönliche Betroffenheit, auch in einem Laden wie dem Conne Island nicht herzlich willkommen zu sein, mag noch verständlich sein. Schließlich ist das Conne Island zumeist ein bemerkenswert schöner Ort – zum Trinken, Tanzen und Diskutieren beispielsweise. Es ist ein Ort, an dem das Palituch nicht getragen werden darf, gerade weil er sich als links versteht und damit emanzipatorische Werte verbindet, die nicht mit Antisemitismus zusammengehen. Verständlich, davon ein Teil sein zu wollen.
Doch als Reaktion auf die Absage in wilde Beschimpfungen zu verfallen, bestätigt für mich nur die Richtigkeit der Absage. Der Hass auf das Conne Island sowie Leute und Gruppen in unserem Umfeld wird nur noch einmal verdeutlicht und zwar in einem Ton und mit einer Wortwahl, die weitere Diskussionen für mich unnötig und unmöglich werden lassen. Nazivergleiche sind nicht nur vollkommen jenseits legitimer Kritik, sondern relativieren zusätzlich den Nationalsozialismus und seine SchergInnen. Hier geht es ja nicht ernsthaft darum, dass jemandem ein nazistisches Handeln vorgeworfen wird, sondern, dass gewagt wurde, Justus Wertmüllers Verhalten und einzelne seiner Positionen nicht zu hofieren. Frauen, von denen man gehört hat, sie hätten sich geäußert, als stotternde Kühe zu bezeichnen, ist purer Sexismus, ebenso wie der uralte antifeministische Reflex, eine geheime Macht von Frauen zu halluzinieren.
Mal ganz abgesehen davon, dass sich Antisemitismus unter anderem in Form von Verschwörungstheorien äußert: ein paar wenigen, ominösen im Dunkelnbleibenden wird die Macht zugesprochen, die Fäden im Hintergrund zu ziehen, und andere als ihre Marionetten auftreten zu lassen, die nur den Willen der Menschen im Hintergrund ausführen. Genauso wird jetzt von Seiten der bahamas argumentiert. Neben dem Fakt, dass diese Interpretation nichts mit der Realität des Conne Island-Plenums zu tun hat, scheint die Auseinandersetzung mit Antisemitismus innerhalb der bahamas-Redaktion wohl doch nicht weit her.

Warum ich gegen eine Veranstaltung mit Justus Wertmüller im Conne Island war und bin? Eigentlich kann der Verweis auf seine Reaktion ausreichen. Genau deshalb! Weil jemand, der so abhatet, keine Bühne von mir bekommen soll.

Susanne

Endnote:

Mir ist durchaus bewusst, dass ich mich mit diesem Text in die Schusslinie bringe. Die „Erklärung in Halle“ zeigt nur zu deutlich, dass der Hass von Wertmüller keine Schranken kennt und seine AnhängerInnen ihm fleißig nacheifern, ihm in persönlichen Beschimpfungen (Nazi, Stalinist, Karrierist, Opportunist), aberwitzigen Verschwörungstheorien (das Island steht still, wenn der AFBL es will), antifeministischen Klischees (Lustfeindlichkeit, Sexismusdiskussionen als Waffe zu benutzen), irrsinnigen Vorwürfen und überhaupt in der Härte des Umgangs nicht nachstehen zu wollen. Und dann wird sich gewundert, warum so wenige für eine Absage der Veranstaltung das Wort ergreifen.

 

30.11.2010
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
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