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Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag aus dem Magazin iz3w (Informationszentrum 3. Welt). Es handelt sich hierbei um das Publikationsorgan einer 1970 in Freiburg gegründeten Initiative. Diese übt sich in internationaler Solidaritätsarbeit und verweist auf die Missstände, die durch die vorherrschende kapitalistische Produktionsweise erzeugt werden, wie bspw. die Schere zwischen Nord und Süd.
Der hier dokumentierte Artikel ist ein Nachdruck aus der aktuellen Ausgabe des iz3w, die mit einem Schwerpunkt zur faschistischen und nationalsozialistischen Kollaboration in der 3. Welt erschien. Weitere lesenswerte Texte in der gleichen Ausgabe nehmen unter Anderem die Spezifik der arabischen und islamischen Kollaboration mit dem Nationalsozialismus genauer unter die Lupe und seien hiermit zusätzlich empfohlen. (Die iz3w gibt es im Infoladen.)
dokumentation, 1.1k

»Die Fahne hoch...!«

Die faschistische »Internationale« von Buenos Aires bis Shanghai

Zweifellos haben auf allen Kontinenten mehr Menschen gegen die Faschisten gekämpft als an ihrer Seite. Doch es gab auch massenhafte und bedingungslose Kollaboration vieler Akteure aus der Dritten Welt. Die Befreiung vom europäischen Faschismus und vom japanischen Großmachtwahn wurde dadurch wesentlich erschwert.

Mit seinem Aufruf »Proletarier aller Länder, vereinigt Euch« rief Karl Marx die internationale Arbeiterbewegung dazu auf, sich über nationale Grenzen hinweg zusammenzuschließen. Die Gründung der Ersten Internationale war 1864 die Folge davon. Bis 1938 entstanden aufgrund interner Spaltungen der Arbeiterbewegung vier Internationalen. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch die faschistischen Bewegungen längst übernationale Zusammenschlüsse gebildet, selbst wenn diese nie unter dem Titel »Internationale« firmierten.
Die deutschen Nationalsozialisten gingen beim Aufbau ideologischer Außenposten in aller Welt zweigleisig vor. Zum einen spannten sie die im Ausland lebenden Deutschen für ihre Ziele ein und gründeten rund um den Globus Auslandsorganisationen (AO) der NSDAP. Zum anderen schlossen sie Bündnisse mit politischen Gruppierungen und Regierungen, die mit dem Faschismus sympathisierten und den deutschen Krieg gegen die Alliierten unterstützten.

Auslandsorganisation der NSDAP

Allein in Lateinamerika lebten in den 1930er Jahren etwa eine Million Deutschstämmige, von denen die große Mehrheit mit den Nazis sympathisierte. »Wanderredner der Nazipartei zogen durch Lateinamerika... Die nazistischen Feiertage wurden auf südamerikanischem Boden nach entsprechenden, aus Berlin kommenden Richtlinien unter dem Hakenkreuzbanner gefeiert. Flottenbesuche, Filmveranstaltungen, Winterhilfssammlungen, Eintopfsonntage hinterließen ihre Spuren.«(1) Vor allem in Chile, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Brasilien bedienten sich die Nazis eines weit verzweigten Netzes deutscher Vereine, Einrichtungen, Schulen und Kirchengemeinden.
Lokale Naziorganisationen waren in vielen südamerikanischen Staaten bereits 1931 entstanden (in Paraguay schon 1929). Die NSDAP-AO sorgte ab 1933 dafür, dass sämtliche Institutionen der Auslandsdeutschen gleichgeschaltet wurden. In den deutschen Schulen wurde faschistisches Gedankengut gelehrt, jüdische Kinder wurden der Schule verwiesen, und wo Eltern, wie in Buenos Aires, dagegen protestierten, drohten die Nazibehörden in Berlin, die finanziellen Zuschüsse zu streichen. »Überall bildeten sich kleine Gruppen, die, als Stoßtrupps verkleidet, den Arm zum faschistischen Gruß erhoben«, schrieb Pablo Neruda über die Nazis in Chile. »Die alten Feudaloligarchien des Kontinents sympathisierten mit jeder Art von Antikommunismus. (...) In jenen Tagen der dröhnenden Hitlersiege musste ich mehr als einmal Straßen eines südchilenischen Dörfchens oder Städtchens zwischen wahren Wäldern von Hakenkreuzfahnen überqueren.«(2)
Die NSDAP-AO und der in Berlin ansässige Verein für das Deutschtum im Ausland koordinierten Aktivitäten dieser Art in aller Welt. So hetzte ihre Zweigstelle in Ägypten gegen die »Judenhochburg« Alexandria. Im so genannten Hansa-Klub in Kairo hielten deutsche Referenten Vorträge über das »Judentum« und »südarabische Rassenfragen«. In Shanghai gründeten deutsche Geschäftsleute eine Ortsgruppe der Nazipartei, und eine »Arier-Union« rief zum »Boykott jüdischer Geschäfte« auf. Die Vertreter des NS-Regimes versuchten die japanischen Besatzer der chinesischen Hafenstadt dazu zu bewegen, die zehntausenden in einem Ghetto zusammen gepferchten jüdischen Flüchtlinge entweder verhungern zu lassen, mit manövrierunfähigen Schiffen im Meer zu versenken oder eine Gaskammer zu bauen, um sie zu vernichten.(3)
Auch im fernen Australien feierten deutsche Einwanderer in ihren Clubs den »Nationalen Tag der Arbeit« und »Führers Geburtstag«. Nazi-Redner konnten »mit freundlicher Unterstützung« des australischen Außenministeriums den Kontinent bereisen und Propagandafilme wie »Deutschland Erwache« vorführen. Dem Schriftsteller Egon Erwin Kisch wurde hingegen 1934 die Einreise zu einem antifaschistischen Kongress in Melbourne verwehrt.
Nicht nur die Auslandsdeutschen, auch manche Regierungen sympathisierten mit den faschistischen Regimes in Europa und zeigten sich von der autoritären Staatsführung sowie den militärischen »Erfolgen« der europäischen Kriegstreiber begeistert. In Lateinamerika z.B. übernahmen Nationalpopulisten wie der Brasilianer Getulio Vargas und der Argentinier Juan Domingo Perón Elemente faschistischer Herrschaft wie Führerkult, Massenaufmärsche und die korporative Einbindung der Gewerkschaften. Die meisten Regierungen Lateinamerikas brachen ihre diplomatischen Beziehungen zu Nazideutschland erst nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, dem japanischen Angriff auf die US-Flotte in Pearl Harbor und dem Kriegseintritt der USA im Jahre 1941 ab, zumeist erst auf massiven Druck der US-Regierung. Chile und Argentinien unterhielten noch bis 1943 bzw. 1944 enge Kontakte zum NS-Regime.

Statthalter in französischen Kolonien

Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Nordfrankreich unterzeichnete die in Vichy amtierende Kollaborationsregierung unter Marschall Philippe Petain im Juni 1940 einen Waffenstillstandsvertrag, der dem NS-Regime auch die Ausbeutung der französischen Kolonien zusicherte. Deutsche Offiziere kontrollierten dies vor Ort (der Film »Casablanca« erinnert daran). In Westafrika, Madagaskar und Nordafrika kontrollierten Anhänger Petains die Kolonialadministration und setzten dessen antisemitische Sondergesetze rigoros um. Für rund 500.000 nordafrikanische Jüdinnen und Juden bedeutete dies gesellschaftliche Ächtung, Ausplünderung und Verfolgung.
In Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen unterhielten die deutschen, französischen und italienischen Faschisten mehr als hundert Arbeitslager, in die neben politischen Oppositionellen und Deportierten aus Europa auch tausende Jüdinnen und Juden verschleppt wurden. Als Wachpersonal und Folterer volontierten Einheimische. »Zahlreiche Berichte von Augenzeugen belegen, dass arabische Soldaten, Polizisten und Arbeiter zu allem bereit waren – manchmal in wesentlichem, manchmal in geringerem Maße – um nach dem Vorbild der Judenverfolgung in Europa auch gegen das nordafrikanische Judentum vorzugehen (...) Von den Außenbezirken Casablancas bis in die Wüstengegenden südlich von Tripolis dienten Araber überall als Wächter und Aufseher in den Arbeitslagern«.(4)
Aus den von Vichy kontrollierten Kolonien bezog die deutsche Rüstungsindustrie zudem kriegswichtige Rohstoffe. So lieferten die französischen Behörden aus Indochina Kautschuk für die Bereifung deutscher Militärfahrzeuge, bis der Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion 1941 die Anlieferung des Rohstoffs mit der transsibirischen Eisenbahn unmöglich machte. Im Maghreb beschlagnahmte die Vichy-Administration Lastwagen, Zelte und Nahrungsmittel zur Versorgung des deutschen »Afrikakorps«, das 1941 in Libyen und Ägypten einfiel.
Auch einige der führenden Honoratioren und wohlhabenden Familien in Algerien sahen in Marschall Petain einen »ehrenwerten Herrn«. Sie halfen mit, tausende algerische Freiwillige für Arbeitseinsätze in deutschen Rüstungsfabriken anzuwerben. In Westafrika zeigten sich Dorfchefs – nicht selten gegen Bezahlung – bereit, die Vichy-Behörden bei der Rekrutierung von Kolonialsoldaten zu unterstützen. Auf ihren Befehl zogen Zehntausende junger Männer auf Seiten des Vichy-Regimes in den Krieg. In der westafrikanischen Hafenstadt Dakar, in der nordafrikanischen Wüste und in der französisch kontrollierten Levante (Syrien und Libyen) mussten sie gegen afrikanische Kolonialsoldaten ins Feld ziehen, die für de Gaulle und das Freie Frankreich kämpften.

»Mein Kampf« im Nahen Osten

Im Nahen Osten sympathisierten nicht nur bedeutende Teile der Bevölkerung, sondern auch höchste Regierungskreise mit den faschistischen Kriegstreibern. Und dies nicht trotz, sondern in vielen Fällen wegen des eliminatorischen Antisemitismus der Nationalsozialisten. König Ibn Saud von Saudi-Arabien empfand für Hitler die »größte Hochachtung«. Und Ägyptens König Faruk sandte ihm 1941 die Botschaft, er sei von »starker Bewunderung für (den) Führer und Hochachtung vor dem deutschen Volk erfüllt«, dessen Sieg über England er sehnlichst herbeiwünschte.(5)
Vielerorts entstanden faschistische Parteien und Nachwuchsorganisationen nach dem Vorbild der Hitler-Jugend, wie die »Syrische Volkspartei« (1932), das »Junge Ägypten« (1933) sowie die irakische (1935) und palästinensische Futuwwa (1936). Vertreter dieser Organisationen nahmen an Reichsparteitagen der NSDAP in Nürnberg teil. Zum Teil waren sie persönlich von Baldur von Schirach, dem Führer der Hitler-Jugend, eingeladen worden, als dieser 1937 mit einer Delegation von Damaskus über Bagdad bis Teheran reiste.(6) In Ägypten und Marokko, Irak und Libanon kursierten in der Vorkriegszeit Übersetzungen von »Mein Kampf«. Sie waren mit Hitlers Einwilligung um die Passagen gekürzt worden, in denen er seine rassistische Verachtung gegenüber Arabern offenbart hatte.
Während des Krieges gewährte das NS-Regime Kollaborateuren aus aller Welt, die vor den alliierten (Kolonial-)Mächten auf der Flucht waren, bereitwillig Exil und stellte ihnen Unterkünfte und Büros, Radiostationen und Mittel zum Druck von Zeitungen und Flugblättern in ihren jeweiligen Sprachen zur Verfügung. Politiker, Wissenschaftler und Journalisten aus zahlreichen Ländern ließen sich bereitwillig in den Propagandaapparat der Deutschen Abwehr eingliedern.
Auch zu Mussolini, der sich als »Schwert des Islam« gegen die britischen Kolonialherren anbiederte, unterhielten arabische Führer freundschaftliche Kontakte. Adlige in Äthiopien kollaborierten mit den italienischen Besatzern, und zehntausende Soldaten aus Libyen, Eritrea und Somaliland kämpften von 1935 bis 1941 in Ostafrika an der Seite der faschistischen Truppen gegen die Alliierten.
Bei seinen Großveranstaltungen in Rom umgab sich der »Duce« gerne mit ausländischen Anhängern, die bereit waren, bei seinen Inszenierungen den Hofstaat zu spielen. So reisten zu einem von Mussolini im Dezember 1933 eröffneten Kongress »orientalischer Studenten« Hunderte Sympathisanten aus Persien, Ägypten und anderen arabischen Ländern sowie aus Thailand, Afghanistan, Indien, Japan und China an. Unter ihnen war der indische Politiker Subhas Chandra Bose, der 1941 nach Berlin fliehen und dort zu den prominentesten Kollaborateuren des NS-Regimes gehören sollte.(7)

Aufteilung der faschistischen Welt

Nach Kriegsbeginn verständigten sich die faschistischen Achsenmächte darauf, die Welt, die sie erobern wollten, in Einflussbereiche aufzuteilen. Deutschland sollte Osteuropa, den vorderen Orient einschließlich Afghanistans und ein zentralafrikanisches Kolonialreich kontrollieren. Italien beanspruchte die Vorherrschaft in den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers vom Maghreb bis zum Nahen Osten sowie in Ostafrika. Japan wurden die Pazifikregion sowie weite Teile Asiens zugesprochen. Der 70. Längengrad (im Osten des heutigen Pakistan und westlich der indischen Stadt Mumbai) bildete die Grenze zwischen der deutschen und japanischen Hemisphäre. Dort wollten die Streitkräfte beider Länder nach der »Befreiung« Indiens »vom britischen Joch« zusammentreffen. In ihren jeweiligen Interessensphären installierten die drei Mächte überall dort, wo sie über die militärische Kontrolle verfügten, Marionettenregierungen. In den Ländern, die noch unter alliierter (Kolonial-)Herrschaft standen, warben sie Kollaborateure für Sabotageakte und Überläufer für ihre Streitkräfte an.
Nazideutschland und Italien verständigten sich darauf, gefangene Kolonialsoldaten untereinander auszutauschen. Das NS-Regime überführte Häftlinge aus dem Maghreb und dem Nahen Osten nach Italien, weil Mussolini eine Arabische Legion aus Überläufern formieren wollte. Italien schickte indische Gefangene nach Deutschland in ein Lager bei Annaberg. Dies sollte Subhas Chandra Bose die Aufstellung einer Indischen Legion der Wehrmacht ermöglichen. Obwohl Hitler und Mussolini jede definitive Zusage verweigerten, den arabischen Ländern und dem indischen Subkontinent nach Kriegsende die Unabhängigkeit zu gewähren, ließen sich tausende Überläufer bereitwillig in die faschistische Kriegsmaschinerie eingliedern.
Im weiteren Verlauf des Krieges wurde diese geographische Arbeitsteilung aufgegeben. Auch die Nazis stellten schließlich eine Arabische Legion auf und vom besetzten Griechenland aus schickte der Sonderstab F (für Felmy) arabische Untergrundkommandos zu Sabotageakten in die britischen und französischen Kolonien des Nahen Ostens. Mit Hilfe prominenter arabischer Politiker im deutschen Exil wie Hadj Amin el-Husseini aus Palästina und Raschid Ali al-Ghailani aus dem Irak konnte das NS-Regime auch in den Balkanländern und den besetzen Provinzen im Süden der Sowjetunion muslimische Freiwillige rekrutieren: 200.000 Soldaten für die Wehrmacht und Zehntausende für die Todesschwadronen der Waffen-SS in Kroatien, Bosnien und Slowenien. Um ihre muslimischen Kollaborateure bei Laune zu halten, sorgte das NS-Regime dafür, dass sie »nach islamischen Regeln verpflegt« wurden und die SS richtete mit Hilfe des Palästinenserführers Husseini in Dresden eine »Mullah-Schule« ein, um die religiöse Betreuung dieser Truppen durch Imame zu gewährleisten. Viele der muslimischen Freiwilligen hielten ihren Nazi-Befehlshabern bis zum letzten Kriegstag die Treue, nicht wenige auch darüber hinaus.

Treueschwüre für Japans Kaiser

1910 erklärte Japan Korea zu seiner Kolonie, 1931 besetzten japanische Truppen die chinesische Mandschurei, 1937 diente ein inszenierter Zwischenfall bei Peking als Vorwand für die Invasion des chinesischen Kernlandes, dem die Eroberung weiter Teile Asiens und der Pazifikregion folgte. In den unterworfenen Ländern verübten die japanischen Besatzer zahllose Massaker und trieben Millionen Menschen zu Zwangsarbeit und Kriegsdiensten aller Art. Trotzdem fand das japanische Kaiserreich zahlreiche willige Helfer in seinem Krieg zur Etablierung eines »großostasiatischen Reichs«.
In Korea gelang es den Besatzern, Teile der Elite in die Kolonialverwaltung einzubinden, vor allem Großgrundbesitzer, religiöse Führer und Intellektuelle. Die Kollaborateure durften ihre Kinder auf japanische Eliteuniversitäten und Militärakademien schicken, womit einheimische Kader für die Besatzungsbehörden herangezogen wurden. Die koreanische Oberschicht empfand es als Ehre, dass ihre Sprösslinge als Offiziere in China einmarschierten. In der Mandschurei installierte Japan den Vasallenstaat Mandschuko mit dem letzten chinesischen Kaiser Pu Yi an der Spitze, der in Peking vor Kriegsbeginn hatte abdanken müssen. (Eine Sequenz in dem Film »Der letzte Kaiser« von Bernardo Bertolucci erzählt davon.) Trotz des Vernichtungskriegs der japanischen Truppen mit Giftgasangriffen, Menschenversuchen und Massenmorden (allein in der damaligen chinesischen Hauptstadt Nanking massakrierten japanische Soldaten in wenigen Wochen mehr als 300.000 Menschen) waren auch chinesische Politiker der Nationalen Volkspartei wie Wang Jingwei bereit, in eine Pseudo-Regierung unter japanischer Oberaufsicht einzutreten.
Die französische Kolonie Indochina geriet ab Mitte 1940 unter die Kontrolle der Kollaborationsregierung in Vichy. Einheimische Feudalherren wie Bao Dai in Vietnam, Norodom Sihanouk in Kambodscha und Sisavang Vong in Laos ließen sich in Propagandabroschüren bereitwillig mit Marschall Petain ablichten. Die Vichy-Behörden gründeten paramilitärische Jugendverbände mit zehntausenden Mitgliedern, die mit dem faschistischen Gruß salutierten und aus denen »zukünftige Führer« hervorgehen sollten. Als die japanischen Truppen 1940/41 ihren Vormarsch auf die malaiische Halbinsel und Richtung Indien vorbereiteten, gewährte ihnen die französische Kolonialverwaltung Militärstützpunkte wie den Hafen von Haiphong.
Das von dem Offizier Phibun Songkram regierte Thailand, das als einziges asiatisches Land neben Japan nie unter europäischer Kolonialherrschaft stand, gewährte den japanischen Truppen bei ihren Feldzügen nach Südasien freies Geleit. Phibun, dem ein Militärputsch zur Macht verholfen hatte, machte keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Hitler und Mussolini. Er legte sich selbst den Titel »po nam« (»Führer«) zu und baute mit der »Yawachon thahan« (»militärische Jugend«) eine straff organisierte faschistische Jugendbewegung auf. Alle Zeitungen in Bangkok mussten mit der Kopfzeile erscheinen: »Ein Land: Thailand. Ein Führer: Phibun. Ein Ziel: Sieg.« Seine nationalistische Ausrichtung kulminierte 1939 in der Umbenennung des Landes von Siam in Thailand, was buchstäblich als »Land der Thais« zu verstehen war und die Ausgrenzung der chinesischen Minderheit bedeutete. Um auch Thais aus den Nachbarländern heim in sein großthailändisches Reich zu holen, zettelte Phibun 1940 mit japanischer Rückendeckung Eroberungsfeldzüge nach Kambodscha und Laos an.

Aun Sang und Sukarno

Aun Sang in Burma, der Vater der heutigen Oppositionsführerin Aung Sang Suu Kyi, stand ebenfalls bis kurz vor Kriegsende auf Seiten der japanischen Invasoren. Diese gewährten ihm eine militärische Ausbildung und ernannten ihn zum Generalmajor. Aun Sang unterhielt Kontakte zu dem indischen Politiker Bose und trat wie dieser dafür ein, gemeinsam mit den faschistischen Achsenmächten gegen die Kolonialmacht Großbritannien zu kämpfen. Seine Zukunftsvision für Burma lautete: »Wir wollen eine starke Regierung wie zum Beispiel in Italien und Deutschland. Es soll nur eine Nation, einen Staat, eine Partei, einen Führer geben. Jeder muß sich dem Staat unterwerfen, der Vorrang vor dem Einzelnen hat.«(8) Erst als die japanische Niederlage unausweichlich war, wechselte Aun San zur antifaschistischen Volksbefreiungsliga.
Die japanischen Militärs zogen nach der Besetzung der malaiischen Halbinsel tausende einheimische Kadetten ein, um Kader für ihr Besatzungsregime heranzuziehen. Die meisten von ihnen gehörten zur Bevölkerungsmehrheit der Malaien. Allein in Singapur verfügten die mit den Besatzern kollaborierenden Nachbarschafts-Organisationen im September 1943 über 55 Sektionen mit 80.000 Mitgliedern. Die »Malai Giyugun«, ein Korps einheimischer Paramilitärs, schworen bei ihrer Vereidigung »dem japanischen Kaiserreich... immerwährende Treue«. Die malaiischen Kollaborateure beteiligten sich an der brutalen Verfolgung von ChinesInnen, die immerhin 38 Prozent der Bevölkerung stellten. Sie wurden zu Zehntausenden in Arbeitslager eingewiesen und zu Tausenden massakriert. Unter den Indern Malayas konnten die japanischen Militärs mit Hilfe von Bose weitere zehntausende Soldaten für ihren geplanten »Marsch auf Delhi« rekrutieren.
Als die japanischen Invasoren von Singapur aus in Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, einfielen, bereitete ihnen die einheimische Bevölkerung einen triumphalen Empfang. Fast alle ehemals oppositionellen Politiker und religiösen Funktionsträger waren zur Kollaboration mit den japanischen Besatzern bereit. Achmed Sukarno, der spätere Präsident des Landes, war als Vorsitzender des »Zentralen Beratungskomitees« der höchste indonesische Funktionsträger in der japanischen Besatzungsbehörde. Zusammen mit seinem politischen Weggefährten Mohammad Hatta und einem Vertreter der großen muslimischen Gemeinde Indonesiens folgte Sukarno im November 1943 einer Einladung nach Tokio, wo der Kaiser öfters demonstrative Treffen mit Kollaborateuren aus verschiedenen Ländern inszenierte. Sukarno bedankte sich dort offiziell für die von den Japanern eingeleiteten »Reformen«. Selbst ihre Unabhängigkeitserklärung entwarfen die führenden indonesischen Politiker im August 1945 im Amtssitz des japanischen Admirals Maeda.

Antikoloniale Rhetorik, koloniale Praxis

Weitere Beispiele für die Kollaboration mit den japanischen Kriegstreibern ließen sich von Osttimor, den Philippinen, Mikronesien und anderen besetzten pazifischen Inseln aufführen. Für die massenhafte Unterstützung der japanischen Eroberungsfeldzüge liefert die antikoloniale Rhetorik der japanischen Führung (»Asien den Asiaten«) nur eine unzureichende Erklärung. Denn tatsächlich ließ Japan in keinem der besetzten Länder eine autonome Regierung zu. Die japanische Führung verachtete die Geschichte, Kultur und Sprache anderer Asiaten, ihr Überlegenheitswahn glich dem der westlichen Kolonisatoren. Japans Kaiser sollte zum »Führer der asiatischen Rassen« werden. Und Japans Militärs wollten sich dafür die Rohstoffe und das »Menschenmaterial« Asiens und Ozeaniens einverleiben, was Zwangsarbeit, Zwangsprostitution und Zwangsrekrutierungen von Millionen Menschen zur Folge hatte.
Ähnlich wie das japanische Regime suchten auch die europäischen Achsenmächte in anderen Kontinenten keinesfalls gleichberechtigte Bündnispartner, sondern Lakaien, die für ein wenig Beteiligung an der Macht bereit waren, sich dem deutschen und italienischen Großmachtwahn gefällig zu erweisen. Dabei sah Hitler z.B. in Arabern »lackierte Halbaffen, die die Knute spüren sollen«(9). Und die Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung waren für ihn »asiatische Gaukler«, weshalb er »als Germane Indien... immer noch lieber unter englischer Herrschaft sehe als unter einer anderen«.(10) Aber weder rassistische Tiraden wie diese noch die Vernichtungskriege Japans in China, Deutschlands in Osteuropa und Italiens in Ostafrika konnten die Kollaborateure der faschistischen Achsenmächte in aller Welt irritieren. Selbst den Holocaust nahmen sie billigend in Kauf, wenn sie sich nicht sogar – wie der Palästinenserführer Husseini – aktiv daran beteiligten.
Umso bemerkenswerter ist, wie durchgängig dieses Thema in der hiesigen Geschichtsschreibung vernachlässigt wird. WissenschaftlerInnen und PublizistInnen hierzulande unternehmen weitaus mehr Bemühungen, das Ausmaß und den Charakter der Kollaboration zu verharmlosen und zu entschuldigen, als diese kritisch aufzuarbeiten und ihre bis weit in die Nachkriegszeit hinein reichenden Auswirkungen zu analysieren. Die in den folgenden Beiträgen dokumentierten Geschichtsklitterungen deutscher WissenschaftlerInnen über Palästina, Indien und Argentinien illustrieren dies.

Karl Rössel

Anmerkungen

(1) Kießling, Wolfgang: Exil in Lateinamerika. Leipzig 1980. S. 57.

(2) Neruda, Pablo: Ich bekenne, ich habe gelebt. Darmstadt/ Neuwied 1974. S. 125.

(3) Finkelgruen, Peter: Erlkönigs Reich. Die Geschichte einer Täuschung. Hamburg 1999. S. 195 f.

(4) Satloff, Robert: Among the Righteous. Lost Stories from the Holocaust’s long reach into Arab Lands. New York 2006. S. 173 f.

(5) Mallmann, Klaus Michael; Cüppers, Martin: Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina. Darmstadt 2006. S. 43.

(6) Odermann, Heinz: Taktik gewinnt Schlachten – Strategie des Krieges. Zu einigen Aspekten der deutschen Nahost- und Nordafrikapolitik und -propaganda (1940-1942). In: Schwanitz, Wolfgang (Hg): Jenseits der Legenden. Araber, Juden, Deutsche. Berlin 1994. S. 105.

(7) Kuhlmann, Jan: Subhas Chandra Bose und die Indienpolitik der Achsenmächte. Berlin 2003. S. 94f.

(8) Zöllner, Hans-Bernd: Der Krieg als Vater der Unabhängigkeit. Subhas Chandra Bose und die Bedeutung des Zweiten Weltkriegs für Birmas Kampf um die Unabhängigkeit. In: südostasien informationen. 2/1995. S. 25.

(9) ADAP 1918-1945, Serie D, Vol. 7, S. 172. In: Wild, Stefan: National Socialism in the Arab East between 1933 and 1939. In: Die Welt des Islam. 25, 1985. S. 140.

(10) Hitler, Adolf: Mein Kampf. Zit. nach: Kuhlmann, Jan, a.a.O. S. 38.


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last modified: 20.5.2009