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Shed (Ostgut-Ton/SOA/Hardwax/Berghain/berlin) /live! ∴
Polo (schachmatt) /dj ∴ Rentek (caramba!) /dj ∴ Kernel Panic /vj

Nein, den konkreten Zeitpunkt, an dem sich aus den zahlreichen Strömungen der Dance-Music Techno als neue Konstante herausschälte, kann man nicht mehr bestimmen. Auch die historischen Entwicklungen, die territorialen Besonderheiten, kurzum: die Völkerwanderung der Bassdrum ist blass, verwaschen, viel zu eng mit dem Lokalkolorit der zahlreichen Epizentren, in denen die Musik Halt gemacht und sich niedergelassen hat, verwoben. Die Bombe ist explodiert, in tausende Teile zersplittert, vom Mainstream absorbiert und gleichzeitig in den tiefsten Untergrund zurückgewichen. Während House sich in den letzten Jahren als Sammelbegriff für einen Pool musikalischer Ideen erfolgreich reformiert hat, ist der Begriff „Techno“ nach wie vor im Winterschlaf. Zu viele Genres mit ihren spezifischen Bezeichnungen stehen ihm im Weg. Umso wichtiger, dass es Produzenten gibt, die genau diese brodelnde Ursuppe, von der niemand mehr wirklich weiß, was sich dahinter verbirgt, in den Vordergrund ihres Schaffens stellen und sich selbst hinter dem extatischen Funkenflug verschanzen. Shed ist einer von ihnen.
Sein Lebenslauf ist dabei ebenso klassisch wie seine Musik. Geboren 1975 in Frankfurt/Oder, war er Anfang der 90er fasziniert von diesem neuen Sound, der plötzlich im Radio lief – typisch für Berlin und Umland, wo es in dieser Zeit eine ganze Anzahl von hervorragenden Techno-Radioshows gab. DJs wie Marusha, Westbam oder Monika Dietl mixten Styles und Genres zu einem musikalischen Lexikon der neuen Musik. Während Sheds Umfeld sich voll und ganz auf HipHop konzentrierte, fühlte er sich zu der Sample-infizierten UK-Hardcore-Szene hingezogen, streifte kurz Gabba, um dann über das holländische Label DjaxUp Chicago und schließlich Detroit für sich zu entdecken. Im ewig währenden Dreieck der Faszination aus Beats, Samples und Breaks beschreibt Shed heute 1996/97 als seine persönliche Hochzeit des Techno. Und zog dann die Notbremse. Während die kommerzielle Blase immer größer wurde, verweigerte sich Shed komplett. Zwischen 1998 und 2002 kaufte er keine einzige Platte.
Losgelassen hat ihn die Musik aber dennoch auch in dieser Zeit nie. Vielmehr nutze er die Phase ohne Parties und Platten, um sich langsam an eigene Produktionen heranzutasten. Um die Jahrtausendwende herum werden aus Experimenten die ersten richtigen Tracks, die all das in sich vereinen, was er in den letzten Jahren so schmerzlich vermisst hat. „Ich bin ein Techno-Kind, durch und durch“, sagt er dazu und lacht.
Als er sich schließlich dazu entscheidet, Demos zu verschicken, ist das eigene Label der nächste Schritt. „Das selber zu machen ... von A bis Z ... plötzlich hab ich gemerkt, wie wichtig mir das war.“ Der Rest ist schnell erzählt. Seine erste EP auf seinem Label Soloaction verkauft sich gut, Veröffentlichungen auf dem holländischen Label Delsin folgen. Je öfter Shed nachlegt, je mehr er releast, umso klarer wird die musikalische Vision, die jetzt in seinem Album „Shedding The Past“ kulminiert. Fließend, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, verschmelzen hier rauhe, fordernde Dancefloor-Skelette mit bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Melodiebögen, gnadenlos mitreißenden Hooks und luftigen Arrangements. Eine Formel, die man auch in seinen DJ- und Live-Gigs zu spüren bekommt. Spannungsbögen, ein stetiges Auf und Ab, immer bestimmt von einem nicht enden wollenden Groove. Wie damals, in den Gründertagen der Musik, die heute Teil unserer Alltagskultur ist. Shed ist einer der wenigen Produzenten und DJs, die wissen, dass man nicht über die Zukunft schreiben kann, ohne die Tradition zwischen den Zeilen immer wieder aufblitzen zu lassen.

Label-Text


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last modified: 18.12.2008