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Editorial


Da rast ein Kärntner Landeshauptmann mit Faible für den Nationalsozialismus einfach so in den Tod und schon steht die politische Arbeit wieder vor konkreteren Fragen:

  • Lohnt es sich manchmal, einfach nichts zu tun und abzuwarten?
  • Braucht die Sächsische Schweiz Serpentinen?
  • Und: ist es nicht engstirnig, auf einem Blutalkoholgehalt von 0,5 Promille am Steuer zu beharren, wenn manchmal 1,8 viel besser sind?
... schwierig, schwierig...

sisyphos


Kommissar Vorbeugung, 58.1k

das Erste, 0.9k

Neues Spiel, neues Glück?

Zur Antifa-Mobilisierung für den 03.10.08 nach Geithain.

„Geithain rocken – Nazis stoppen!“, so steht es zu lesen auf dem Mobilisierungsflyer für eine antifaschistische Aktion am 03.10. in Geithain. Rocken sagt man gerne in der Jugendantifa. Auch von „Erlebnisorientierung“ wird gern gesprochen – dieser augenzwinkernde Euphemismus für Gewalt, ausgesprochen von Gewalttätern für Gewaltversteher sagt auch so etwas wie: rocken. Die Hooligan-Sprache der „alternative(n), weltoffene(n) und emanzipatorische(n) Strukturen“* ist nicht für ältere Antifaschisten gedacht. Denn meist geht es sportlich zu: so ist die Polizei „Team Green“ – was nur hält die Linksradikalen davon ab, sich bspw. „Team Red", ihre Gegenseite „Team Brown“ zu nennen? (Nichts, wie man hört - „Team Schwarz“ für die Antifa sei durchaus im Schwange. Nur ich wusste es mal wieder nicht – das kommt davon, wenn man nicht von seiner Vergangenheit lassen mag und immer noch auf die Einsicht links-aktionistischer Hools rechnet.) Und auch der Slang des Ghettos – „Du Opfer!“ – wird weit links gut beherrscht. Zwar wissen auch normale, nicht subkulturell sozialisierte Jüngere kaum, wie eine Stadt gerockt wird, geschweige denn, wann sie gerockt ist. Der Eingeweihte allerdings ist im Bilde: Man geht rein, macht schwer moralisch Rabatz und wenn alles gut geht, findet man jemanden zum Verprügeln.

Von der Szene für die Szene ist der Flyer und trotz der aufgemöbelten Sprache wird tief in die Mottenkiste der 90er-Jahre-Antifa gegriffen: „Rechte Einstellungen reichen bis in die ‚Mitte der Gesellschaft“*, werden wir belehrt. Von der Unlogik mal abgesehen, dass Rechtes nicht in die Mitte reichen, allenfalls die ehemalige Mitte das neue Rechte bzw. das ehemalige Rechte die neue Mitte werden kann, ist auch das, was gesagt werden soll, aber nicht gesagt wird, so falsch wie nur was. Würden „rechte“ Einstellungen so weit verbreitet sein, könnten nicht bekennende Linke bei jeder Gelegenheit das Rechts-Sein mit dem Nazi-Sein in eins setzen. Das geht nur in einer linken Republik.

Beklagt wird, dass „... die ‚aufrechten Demokraten“ es bei Lippenbekenntnissen gegen rechts (belassen)...“*, statt was zu tun? Ganz radikaldemokratisch draufzuhauen auf alles, was nicht links ist? Höhnisch zwängt man die aufrechten Demokraten in Anführungszeichen und suggeriert so, sie seien gar nicht demokratisch – so demokratisch wie diejenigen, die die ganze Gesellschaft links haben wollen und für die die Mitte rechts ist?
Vielmehr wären doch die aufrechten Demokraten zu befragen, warum sie Lippenbekenntnisse gegen rechts abgeben und nicht verinnerlicht haben, dass Demokratie nun einmal links gegen rechts und rechts gegen links einschließt.
Was machen sie, diese höhöhö sogenannten (mit Zeige- und Mittelfinger die Gänsefüßchen andeuten!) Deeemooookraaten (Gesichtverziehen nicht vergessen!)? Na, was machen sie? Sie „ergehen sich lieber in der Gleichsetzung rechter und linker Politik“*. „Wo ist das Problem?“, fragt sich jeder, der seine Tassen alle noch im Schrank hat. Links und rechts sind nun mal die einander (in einer Demokratie friedlich) widerstreitenden Seiten. Insofern gehören sie exakt gleichgesetzt, wenn das Vergleichskriterium ihre Daseinsberechtigung sein sollte.
Als ob das Problem nicht die rechten und linken Extremisten wären, sondern eine angeblich rechte Hegemonie, deren auch gewalttätige Bekämpfung dem Schutz der Demokratie dient. Natürlich hat man in einem Milieu, das sich zur Gewalt rein instrumentell verhält, Angst, dass einem jemand auf den anti-anti-extremistischen Schwindel kommen könnte und gründet schon mal eine Initiative gegen gefährliche Begriffe, nämlich gegen „jeden Extremismusbegriff“. Doch das nur am Rande.

Und welches Problem hat man mit den Nazis vom „Freien Netz“? Diese seien „die größten Feinde einer emanzipatorischen, freien und gerechten Gesellschaft“*. Und ich dachte, man verabscheut die nazistische Gewalt, weil sie 1.) menschenfeindlich ist, wie jede Gewalt und 2.) als Mittel eingesetzt wird gegen alle, die sich der faschistischen Zwangsgemeinschaft nicht einfügen können oder wollen. Weit gefehlt – die Nazis wollen uns unseren hedonistischen Kommunismus kaputt machen ]– dafür hasst man sie! Dass die Drogen nehmenden, modisch angezogenen Nazis längst „Luxus für alle!“ fordern, dass sie exakt so viel gegen dummschwätzende Ökos haben, wie das coole Antifa-Kid, dass sie billiges Bier schätzen und unsportliche Loser verachten, so wie die Sportsfreunde der Gegenseite – keine Rede davon. Keine Rede auch davon, dass die Diskussionen in den einschlägigen Nazi-Foren des Internets (die Recherchelinke doch so gern heran zitieren) längst ergeben haben, dass man gegenüber Iroträgern tolerant zu sein und es nun um autonome Strukturen und die (nationale) Revolution zu gehen habe. Hier kann und will man sich nicht vorstellen, dass der von Volk, Nation, Heimat, Familie sprechende Normalbürger damit nicht für eine Wiederholung von Auschwitz eintritt, sondern eben einfach nicht linksradikal ist. Ein solcher Mensch kann also nie Gesprächspartner sein, sondern muss der Umerziehung anheim fallen.
Die läuft unter dem Motto, „dem geschichtsvergessenen Deutschland eine Absage zu erteilen“*. Da wird sich das geschichtsvergessene Deutschland aber ärgern, wenn genau der Teil seiner Schüler und Studenten, der später in irgendwelchen staatlich geförderten Antirassismus-Initiativen eben diesem Staat die Multikulti-Kampagnen organisieren wird, es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht so gut findet.

Die radikalen Töne verdecken, worum es – gerade im Osten – gehen müsste: um Werte. Zunächst: 1. Du sollst nicht töten. 2. Was Du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Und auf späteren Stufen dann: Rücksichtnahme, Toleranz ohne Gleichgültigkeit, Empathie und ja - Barmherzigkeit.
Das alles sei zwar nett, aber unangebracht, „weil es den betroffenen Jugendlichen vor Ort nicht hilft“, wird man sagen. Doch ob die „solidarische Unterstützung" derjenigen, die da von Zeit zu Zeit „Strafexpeditionen“ in die Provinz veranstalten, erfolgreich dabei sein wird, das Leben in ostdeutschen Landgemeinden etwas weniger gewaltvoll zu machen, ist mindestens ebenso unklar. Und auch Recherchen über Pulloverläden sind nun nicht direkt praktische Hilfe für nicht-rechte Jugendliche auf dem Dorf.

Diejenigen, die unterm Antifa-Aktionslogo reisen, haben seit Jahren nicht mehr zu bieten als: Vernichtungsgelüste gegen „die Zone“ (abschalten, smashen, fluten...) und die Hochnäsigkeit gegenüber Mandy und Rico vom Lande, denen Adorno nicht ganz so wichtig ist, wie den wohlabgesicherten linken Studenten aus der Stadt. Die Hartz IV-Bezieher Mandy und Rico werden sich durch das selbsternannte linke Gewissen in Markenklamotten allerdings wenig beeindrucken lassen und die coolen Checker werden am Ende wieder bestätigt bekommen, wie dumm die Zone ist. Deutscher Mob eben. Da kann man nur fluten. Jetzt aber husch husch, fix zur Elektro-Party, die überschäumende Individualität feiern. Und da soll man nicht lachen?

Holger

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last modified: 21.10.2008