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»Rogers Welt«

Zur Absage des geplanten Konzerts mit Roger von Blumentopf

Für den 18. Oktober 2008 war im Conne Island ein Solo-Konzert mit Roger von Blumentopf geplant.
Aus für uns schwerwiegenden Gründen haben wir uns entschlossen, das Konzert abzusagen.
Eine Veranstaltung abzusagen ist in keinem Augenblick eine leichtfertige Entscheidung, sondern Ergebnis vielfältiger Diskussionen unseres Ladenplenums, in denen in einem „basisdemokratischen“ Prozess der Alltag, die Veranstaltungen und das Conne Island als solches beschlossen wird. Ein Grundsatz dieses Plenums und essentieller „Roter Faden“ im Selbstverständnis des Conne Islands ist, dass das Politische das Kulturelle bestimmt.

Was passieren kann, wenn diese Prämissen – auch nur temporär – zur Nebensache oder vollkommen aus dem Blick geraten, wurde 2006 zur Fußball-Weltmeisterschaft offenbar. Deutschland-Merch, eindeutige schwarz-rot-goldene Fan-Dominanz und bisweilen recht aggressive Bedrohungen gegen „andersdenkende“ Fußballfans hatten nicht zuletzt die BetreiberInnen des Conne Islands teilweise sprach- und handlungsunfähig gemacht. Die fatale Unterlassungsleistung – selbst wenn man sie vielleicht mit etwas Abstand als Ausrutscher gutreden kann – hatte mittelfristig enorme Wirkung auf die Selbstdefinition des Projektes an der Koburger Brücke: Einiges, was das Conne Island an Nonkonformität, antideutschem Sendungsbewusstsein und Nationenkritik die Jahre auf den Weg gebracht hatte, ging mit einem Schlag verloren. Die Differenz zur prolligen Eckkneipe war nur noch marginal.
In der Nachbetrachtung der damaligen Situation wurde u.a. konstatiert, dass der sonst so erfolgreiche Vermittlungsansatz von subkulturellen Gestus und politischer Reflexion in seine regressive Variante umgeschlagen ist. Das sich in den meisten Fällen im Conne Island selbst „regulierende“ und gegenseitig vermittelnde Begriffs-Duo „Kultur“ und „Politik“ scheiterte in einer Situation, in der sich der „quasi liberale“ und geläuterte deutsche Identifikationswahn in allen gesellschaftlichen Bereichen durchsetzte. Ja, selbst bei uns. Die politische Resignation, die sich angesichts ansonsten innig supporteter Sub- und Jugendkulturen, die sich auf einmal um ihre Heimat scherten – erinnert sei an den Punker mit Deutschland-Iro – im Conne Island breit machte, sprach jedenfalls Bände. Bände vor allem darüber, in welch seltsames Missverhältnis die politische Bestimmung unseres eigenen kulturellem Tuns geraten war. Nach unserer Ignoranz in der Anerkennung der Bedeutung der Fußball-WM der Männer im Jahr 2006 für den bundesdeutschen „Diskurs des Nationalen“, haben wir dieses Jahr unser Selbstverständnis und unsere Haltung zu Deutschland kritisch hinterfragt und neuerlich festgeklopft. Der Grund, die EM in der Schweiz und in Österreich, der erwartete und letztztlich stattgefundene Deutschlandtaumel war naheliegend (www.conne-island.de/nf/fussball_em.html).
Wir wollen uns weiterhin der Vereinnahmung von Popkultur durch Nationalismus und Patriotismus entgegensetzen. Wir finden, dass Fußball durchaus politisch ist. Und wir erteilen dem neuen kosmopolitisch angehauchten, leichten, nationalen Wir eine Absage.
Die für uns logische Konsequenz war das bewußte Abschalten bei den Spielen der deutschen Nationalmannschaft.


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But what the heck?!

Im Laufe der EM, das Konzert mit Roger war schon lange geplant und teilweise beworben, wurden die RAPortagen Rogers und dem Rest des Topfes Gegenstand der Diskussionen. In diesen RAPortagen wurde eben diesem positiven Nationalgefühl gehuldigt, durch euphorische Zusammenfassungen ausschließlich der Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Blumentopf zelebrierte letztlich das, was wir seit Jahren kritisierten – ein popkulturelles, freundliches und modernes deutsches Selbstbewußtsein. In der auch vom Conne Island initierten Kampagne „I Can`t Relax in Deutschland“ wurden die Facetten dieses neuen Nationalismus viefach beschrieben und kritisiert.
Diese durchweg positive Identifikation mit dem Deutschen an der deutschen Nationalmannschaft sahen wir nicht mit den Grundsätzen unserer kulturellen Ausrichtung vereinbar.
Auch problematisch ist eine positive nationale Identifikation vor allem in Deutschland dahingehend, dass ein latenter Alltagsrassismus unkritisch hingenommen wird. Dieser kann schnell in rassistisch motivierten Ausschreitungen gipfeln, was u.a. Mügeln und die Ausschreitungen in Dresden – nach dem EM Halbfinale 2008 – oder letztlich vermutlich jedes zweite Dorffest beweisen.
Auch ohne jetzt einen Monolog über die Roots des Hip Hop halten zu wollen, lässt sich doch konstatieren, dass in dieser ehemals progressiven Sub- und Jugendkultur zunehmend ein deutlicher Anstieg an Nationalismen, Rassismen, Sexismen, Antisemitismen und anderen „-isms“ zu verzeichnen ist. Angesichts dessen, dass Blumentopf noch als eine der reflektiertesten Combos auf ihrem Gebiet gelten, ist ihr joint venture mit Deutschland für uns um so irritierender.
Diese Situation hielten wir für diskussionswürdig und erarbeiteten ein Interview, wollten wir Roger und Blumentopf doch gern die Möglichkeit geben, sich zu unserer Kritik zu äußern.
Dies geschah vorrangig noch in der Absicht, das Konzert durchzuführen und dabei kritisch zu begleiten.
Leider legten uns dabei Zuständigkeitsabwehr und/ oder Desinteresse Steine in den Weg, Roger und sein Management zeigten sich nicht kritikfähig oder an der Klärung der Situation interessiert, so dass unsere Anfrage nach Diskussion mit den Beteiligten knapp abgelehnt wurde.
Dies war der Punkt, an dem das Plenum entschied, das Konzert abzusagen.

Conne Island, August 2008


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last modified: 24.8.2008