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das Erste, 0.9k

Neuigkeiten aus
dem Elfenbeinturm

Kritik im Zaubermantel

Seit 1994 besitzt das Conne Island einen monatlich erscheinenden Newsflyer, in dem die verschiedenen Themen, welche das Conne Island(-Umfeld) beschäftigen, aufgegriffen und untergebracht werden. In der gedruckten Konsequenz finden sich folglich die Bewerbung des monatlichen Kulturangebots und politische Debatten aus dem Dunstkreis des Conne Islands. Schon immer, so scheint mir, hat gerade letzterer Teil für Unruhe gesorgt, da die im CEE IEH geäußerten Meinungen und Positionen oft nicht mit einer nicht existenten Conne Island-Konsensmeinung d`accord gehen, aber dennoch als identisch wahrgenommen werden oder wahrgenommen werden wollen. Dieser Umstand ist im Prinzip eigentlich keine weitere Zeile wert, da es zum einen nicht von Nöten ist, „Conne Island-Meinung“ und CEE IEH-Positionen in Einklang zu bringen und zum anderen das Nicht-Identisch-Sein von Laden und Newsflyer oft genug Publik gemacht worden ist. Andererseits ergibt ein Conne Island-Newsflyer natürlich nur Sinn, wenn eine erkennbare gemeinsame Grundposition von Conne Island und CEE IEH für den Newsflyer zumindest prägend ist. Einige geheimnisvolle Unbekannte sehen das wohl nicht gegeben, ohne dass ich das mit Gewissheit sagen könnte, da Kritik am CEE IEH immer nur auf Ebenen Stabpuppe, 7.4k geäußert wird, die keine sind. Um das Sommerloch trotzdem mal zu eröffnen, will ich im Folgenden kurz über die Dogmen der Redaktionspolitik des Conne Island-Newsflyers sinnieren und potentielle Kritikpunkte herbeihalluzinieren. Ich verspreche auch, mich dabei zu bemühen, so wenig „Fremdwörter“ wie möglich zu benutzen und keine Schachtelsätze zu bauen.

Das richtige Gespür

Das CEE IEH kann, ähnlich wie das Radio Island ja auch, im weiteren Sinne als Sprechorgan des Conne Islands aufgefasst werden und wo immer dies notwenig und vor allem möglich ist, wird es dieser Funktion nachgehen. Das bedeutet, dass die Redaktion immer bemüht ist, Themen, die das Conne Island direkt betreffen, in geeigneter Form in den Newsflyer zu integrieren. Dies ist in keiner Weise so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint, da dem selbstverständlich eine persönliche Gewichtung und Interessenlage zu Grunde liegt. Hinzu kommt, dass es selten Artikel gibt, die aus einer intrinsisch motivierten Position heraus für den Newsflyer entstehen. Vielleicht war das schon immer so (keine Ahnung), darin sehen einige durchaus ein Problem, da die Redaktion dann wie erwähnt selber gewichtet, was wichtig und interessant erscheint und was nicht, um daraufhin „fiese“ Artikel zu inszenieren. Das ist eine mögliche Form der Findung von „relevanten“ Themen für das Conne Island. Doch eigentlich – und dass es nicht so ist, stimmt bedenklich – darf doch aus dem Umfeld eines Ladens, der sich die radikale Gesellschaftskritik in großen Lettern auf die Fahnen geschrieben hat und selbst von der Stadt und den dazu gehörigen Institutionen auf die Fahnen gemalt bekommt, erwartet werden, dass die aufbegehrende Jugend, die sich das Conne Island regelmäßig selbst bescheinigt, von allein auf die Idee kommt, Kritik zu üben, die auf subkulturelle Themen abzielt. In der Amtszeit der aktuellen Redaktion hat kein solcher Artikel die Seiten des Blättchens gefüllt, weder zur Unterwanderung von Subkulturen durch Nazis, noch zu einer Einlasspolitik im Conne Island, die es „Minderjährigen“ nicht gewährt, tanzen zu gehen, oder zu homophoben Tendenzen in der HipHop-Szene, die es selbstverständlich auch im Conne Island gibt. Es gibt keine Texte zu irgendwelchem christlichen Gebabbel von HC-Bands, keine Artikel zu Gewaltverhalten auf HC-Shows, Oi-Konzerten oder auch einfach nur bei Tanzveranstaltungen und keine Reaktionen auf das skandalöse Vorgehen der Landesoberen gegen linke Kulturzentren und Jugendclubs im Umland. Genau dies wären wohl Themen, die gemeinhin als „Conne Island-relevant“ akzeptiert würden, zu denen aber keine Artikel verfasst werden bzw. die von einer skrupellosen Redaktion abgeschmettert werden.
Einzigartig für Kulturzentren, die im Showbiz so hoch im Kurs stehen wie das Conne Island, ist die enge Verknüpfung von Kultur und Politik. Ausschlaggebend dafür sind die weitreichenden (infrastrukturellen) Möglichkeiten, die der Laden politischen Gruppen und Initiativen zur Verfügung stellt. So haben die Gruppen, welche diese Angebote nutzen, immer ihre Positionen im CEE IEH veröffentlicht, zum einen in Form von Dokumentationen ihrer Positionspapiere, zum andern in Debatten mit anderen Gruppen oder in LeserInnenbriefen zu bestimmten Artikeln und Auseinandersetzungen. Der Newsyflyer kann also immer auch als Spiegel der politischen Landschaft des Ladens gesehen werden. Dokumentiert wird weiterhin fleißig, debattiert eher weniger.
Summa summarum ist es ein festes Dogma, alle Conne Island-Themen im engeren Sinne und Positionspapiere der ProtagonistInnen des politischen Ladenumfeldes auf den Seiten des Politteils im Newsflyer unterzubringen, insoweit sie nicht wegen zu weniger Fußnoten oder fehlender „fremder“ Wörter ausgesiebt werden.

Eine Redaktion außer Rand und Band, und gegen jede Praxis

Da der Newsflyer nun mal keinen idealtypischer Selbstläufer darstellt – das wäre zum einen unmöglich, zum anderen sicher auch langweilig – gibt es eine Redaktion, die sich Gedanken macht, wie die Seiten des Politteils monatlich mit weiteren Themen gefüllt werden können. Hierbei sollen einerseits weitergehende und grundlegendere Artikel zu gesellschaftskritischen Positionen entstehen, andererseits auch neue Thematiken akzentuiert werden. So werden regelmäßig Filme und Bücher, selten auch Theaterstücke oder Internetseiten, rezensiert und aus einer linken Perspektive beleuchtet, die Rubrik des „Ersten“ versucht, aktuelle politische Geschehen aufzugreifen, und im „Letzten“ wird satirisch die ein oder andere deutsche Realität noch einmal aufgewärmt. Dazwischen untergebracht finden sich ellenlange Artikel zu Themen, denen nur die Redaktion und die jeweiligen AutorInnen nachgehen. Durch redaktionelle Entscheidungen wird das CEE IEH selbst zu einer politischen Gruppe des Ladenumfelds, immer mit dem Ziel, Stunk anzuzetteln. Durch die Aufnahme von Artikeln, die nicht das tägliche Geschehen des Conne Island betreffen (also „Conne Island-unrelevant“ sind) und im politischen Bewusstsein der alltäglichen Ladenpolitik eher eine untergeordnete Rolle spielen, bereichert der Newsflyer das Conne Island und prägt das Gesamtkonzept „Conne Island“ aus einer ganz eigenen Perspektive. Das Conne Island ist ein großes politisches Projekt, aus verschiedenen Ebenen bestehend – eine bildet der Newsflyer, der zwar enger an den Laden gebunden sein sollte als andere Projekte, aber sich trotz und gerade deshalb vorbehält quer zu schießen – wie crazy.
Anlässlich der 150. Ausgabe hielt Abe in seinem Editorial kurz folgenden Sachverhalt, der sich wohl auch auf das CEE IEH projizieren lässt, fest: „…so haben inzwischen alle DiskutantInnen das Kulturindustriekapitel in der Dialektik der Aufklärung gelesen und der Ort des Diskutierens hat sich in den Elfenbeinturm verlagert.“ Fragt sich nun, ob das gut oder schlecht zu bewerten ist, oder überhaupt eine moralische Einordnung braucht? Wie oben schon erwähnt, hat die politische Auseinandersetzung im CEE IEH nachgelassen, sicher aus verschiedenen Gründen. Zum einen hat gerade die jüngere Generation im Conne Island Umfeld weniger zu äußern und nutzt den Newsflyer praktisch nicht zur politischen Agitation, so wie das vielleicht vor fünf Jahren der Fall gewesen ist, zum andern hat sich die politische Landschaft in Leipzig bis in die engsten Nischen ausdifferenziert und die großen Schlachten sind geschlagen. Aber viel entscheidender für die mangelnden bis ausbleibenden Debatten und die Unterrepräsentiertheit von „Conne Island-relevanten“ Artikeln im CEE IEH ist, dass sich das CEE IEH nicht auf der Höhe der Zeit befindet und sich viel zu oft Fehltritte geleistet hat. Das CEE IEH ist ein verbohrtes, knöchernes und vor allem praxophobes Schwarz-Weiß-Heft, in dem man die Theorie mit Baggerschaufeln zu sich nehmen muss und dessen Redaktion darauf erpicht ist, die 15 %-„Fremdwörter“-Quote einzuhalten. So darf Gunnar Schuberts Äußerung aus der Maiausgabe, das CEE IEH sei ein People-Magazin, wohl nicht ganz für voll genommen werden. Schön wär`s, denn genau dahin geht der Trend, das muss das Ziel einer jungen, dynamischen und LeserInnen orientierten Redaktion sein: ein buntes Heft mit vielen kurzen Artikeln für die zwei Haltestellen zur Arbeit früh morgens. Das mit der bunten Farbe wurde im letzten Heft ja schon mal angetestet, aber kurze Artikel wären noch besser. So würde sich eine Win-Win-Situation einstellen. Die Artikel würden gelesen, es könnte den Schlange stehenden AutorInnen der Platz zum Schreiben eingeräumt werden und die Redaktion hätte nicht so viel zu diskutieren und könnte sich gegenseitig das Kulturindustriekapitel der Dialektik der Aufklärung zum 86-mal vorlesen. Vielleicht mal ein Heft, das nur aus Überschriften und Unterzeilen besteht, herausbringen! Aber so wie ich die erzkonservative Redaktion des CEE IEH kenne, wird aus diesem innovativen Gedankenspiel eher nichts. Das ist den Herren und der Dame aus der Redaktion sicher nicht theoretisch genug fundiert. Dabei bemerkt man in der Redaktion scheinbar nicht, dass auch deren derzeitiges Wirken durchaus praktisch veranlagt ist, denn ein CEE IEH-Heft kann man sehen und auch anfassen (ja, ja), und man will wohl auch nicht wahrhaben, dass selbst CEE IEH-RedakteurInnen atmen, essen und zwinkern müssen. So frage ich mich, wie in der Redaktion das CEE IEH-Selbstverständnis „Gegen jede Praxis, wirklich jede“ interpretiert wird? Diesen offensichtlichen Widerspruch sollte man denen mal flüstern.

Aber zurück zum People-Magazin und zum Sommerloch! Lasst euch nicht vom Chef ärgern und für den Juni noch ein paar Lifestyle-Tipps mit auf den Weg geben:

in ist im Juni:

– trotz Sonne ins Fitness-Center gehen à keine Mückenstiche und Sonnenbrände
– Beck`s Ice à minzig im Geschmack, transparent in der Optik
– mal was ganz Verrücktes machen à z.B. die Uni schwänzen
– und natürlich Praxis à ist immer in

out ist im Juni:

– Die Dialektik der Aufklärung zum 86-mal lesen à langweilig
– immer nur „anti“-sein à auch mal für etwas eintreten
– Bionade à einfach zu „old-school“ und zu wenig Zucker

Euer Bruno

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last modified: 20.5.2008