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108, Abhinanda Musik, Religion

Im Folgenden nun ein Text zu 108, neben Shelter wohl die bekannteste Hardcoreband, die Krishna Consciousness vertreten; die uns zusammen mit Abhinanda, einer schwedischen Band des gleichen Genres, am 24.September besuchen.
Dabei möchte ich weniger auf die Musik eingehen, sondern eher ein paar Gedanken zum Thema Krishna Philosphie darlegen.
Am Anfang aber doch einige Worte zur Band selber. 108 (one-o-eight, auf die Bedeutung des Namens werde ich später noch eingehen) kommen aus New York, am

Mikrofon steht Rob, seines Zeichens auch Sänger bei Ressurection, Gittarist Vic"Vraja Kishor Das" spielte früher bei Beyond, den legendären Inside Out und Shelter. Komplettiert wird die Band durch Kate -guitar, Simha Franklin -bass und Chris -drums.Musikalisch fährt die Gruppe eine "harte" Schiene.In den Songs liegt eine ungeheure Intensität, werden doch die inhaltlichen Anliegen perfekt verarbeitet. Bei näherer Betrachtung könnte man das vielleicht schon als Kirchenmusik ansehen.

Qualitative Vergleiche eben zu einer Band wie Inside Out braucht man nicht zu scheuen, ja ich würde sogar sagen, daß sie mit ihrer 94'er Lp "Songs of Separation" ein Meilenstein in der Hardcoregeschichte gesetzt haben.

Und die Texte? Hier liegt wohl für die meisten Leute der Stein des Anstoßes, drücken sie doch den Lebensinhalt der Bandmitglieder aus: Krishna Consciousness. Was bedeutet dies? Dazu ein kurzer Abriß. Die Anhänger der Hare Krishna Bewegung (=Devotees, von engl. devotion -Hingabe) verehren Krsna, die indische Bezeichnung für Gott. Die theologische Grundlage dafür bildet vor allem die Bhagavadgita, ein Teil des großen indischen Religionsepos Mahabharada, welches im 2.-3.Jhr. vor Christus zusammengestellt wurde. Sie beinhaltet ein Gespräch Krishnas mit Arjuna, einem altindischen Krieger, in dem sich Krishna als Gott offenbart und seine Lehren verkündet. Das Alter dies Werkes wird auf 5000 Jahre geschätzt. Für die Befreiung des suchenden Menschen kennt die Bhagavadgita drei Heilswege: Wissen (jana), Handeln (karma) und liebende Hingabe an Gott (Bhakti). Der dritte Weg, die sog. Bhaktifrömmigkeit, die im Mittelpunkt der Lehre steht, gewann durch den bengalischen Guru Caitanya Mahaprabhu (15.Jhr.) an Bedeutung: er gilt als der "goldene Avatar Krishnas", d.h. als die entscheidene Verkörperung (=Inkarnation) dieses Gottes; auf ihn gehen verschiedene, der heutigen Bewegung ähnliche Gruppen zurück. So steht auch der moderne Gründer der Hare Krishna Bewegung, A.C. Bhaktivedanta Swami Prahupada in dieser Folge. Die Bhaktifrömmigkeit wird vor allem durch das Chanten (=Singen) des Hare Krishna Mantras praktiziert. Dieser lautet: Hare Krishna Hare Krishna, Krishna Krishna Hare Hare, Hare Rama Hare Rama, Rama Rama Hare Hare. Dabei handelt es sich um eine Anrufung des höchsten Gottes in Form von Krishna und Rama, wobei Hare die Anrufungsform für die Kraft Gottes ist. Dieser Gesang soll bei den Gläubigen den Zustand der Ekstase auslösen, da durch seine transzendentalen (übersinnlichen) Lautschwingungen der unmittelbare Kontakt mit dem Göttlichen aufgenommen wird. Wie man sieht also kein Loblied auf Margarine oder ähnliches,und wahrlich, wer das Chanten einmal ernsthaft probiert hat, wird ein gewisses Wohlwollen bemerken können. Nicht zu bestreiten ist dabei aber auch, daß durch das endlose Chanten des Mantras, und das ist den Devotees vorgeschrieben, eine Fixierung auf Krishna nicht ausbleibt. Die Wirksamkeit des Chantens, dadurch wird Krishnas Bewußtsein erreicht, ist an die Einhaltung bestimmter Regeln gebunden, hierbei sind die vier "regulierenden" Prinzipen zu nennen, denen sich jeder Gläubige, sobald er im Tempel lebt, zu unterziehen hat:

  1. Der Krishna Verehrer lebt rein vegetarisch, er verzichtet auf den Genuß von Fleisch, Fisch und Eiern.
  2. Er meidet Rauschmittel, neben Drogen und Alkohol auch Kaffee, Tee und Tabak.
  3. Glücksspiele und jede Art "frivolen" Sports und Spiel sind ihm verboten.
  4. Die sexuelle Betätigung beschränkt sich innerhalb einer Ehe auf die Zeugung von Kindern.
In diesen vier Prinzipien liegt sicherlich einer der Gründe für die Anziehungskraft und Etablierung von Krishna Consciousness in Teilen der Hardcoreszene, gibt es doch eine nicht zu unterschätzende Richtung namens Straight Edge...

Ein weiterer wichtiger Eckpunkt der Lehre, und auf den möchte ich noch kurz eingehen, liegt in der Sichtweise der Devotees, ihren Körper nur als Hülle ihrer Seele zu betrachten: diese steht im Mittelpunkt.Sie befindet sich im ewigen Kreislauf von Geburt und Tod (samsara), durch Krishna bewußtes Leben kann man diesen Kreis durchbrechen und zu Krishna gelangen. Liedtexte wie "I am not this body" oder "No one no more" etc., die dieses Thema besprechen, dürften ja bekannt sein. Für viele ist diese sicherlich nicht nachvollziehbar, für mich wird sie es z.B. dadurch, daß ich mir Gedanken und Gefühle -praktisch meine Seele - auf materieller Basis nicht erklären kann.

Soviel also als Erklärung, sich gibt es noch viele Punkte zu diskutieren, was aber hier den Rahmen sprengen würde.Im Folgenden noch ein paar schwierige Antworten auf schwierige Fragen. Kurzum, der Versuch einer Zusammenfassung.
Oftmals kommt aus Mündern von Hardcoreaktivisten der Vorwurf, Krishna Consciousness vereinnahme, begünstigt z.B. durch eine schon bestehende Integrität in der Szene -bestes Beispiel ist wohl Ray Cappo, vormals Youth Of Today, nun Shelter- die Bewegung. Das Hardcore Kids nun auf einmal zu Krishna Devotees werden, halte ich für etwas weit hergeholt, findet doch eine aktive Beteiligung am Leben der Gläubigen, d.h. im Tempel, wohl nur auf Grund ehrlichen Interesses statt.

Dazu kommt, daß dieses "neue" Leben wohl recht beschwerlich ist, denn es kommt einer totalen Umkrämpelung des bisherigen gleich. So unterliegt der Tagesablauf im Tempel doch sehr strengen Regeln. Außerdem halte ich eine Beschäftigung mit der Philosophie nicht für schädlich, hat sie doch interessante Seiten zu bieten.

Ein weiterer, oft geäußerter Kritikpunkt bezieht sich auf die, im "Hintergrund" agierende Internationale Gesellschaft für Krishna Bewußtsein (ISKCON), die von Prahupada ins Leben gerufene Dachorganisation der Hare Krishna Bewegung. Sie ist es, die seit dem Tode Prahupadas Im Jahre 1977 die Geschicke der Bewegung leitet und das Geld verwaltet, das durch Spenden, Verkauf von Schallplatten und Büchern etc. sowie die Bereitstellung des Vermögens von Devotees beim Eintritt in den Tempel, hereinkommt. Kritik wird hier nun laut, da nicht ersichtlich ist, wie diese Organisation arbeitet. Weiterhin steht das erklärte Ziel der ISKCON, die Errichtung einer Varnasrama Gesellschaft, bestehend aus vier Klassen, ähnlich dem Kastensystem in Indien, sowie die Rolle der Frau im Mittelpunkt der Kritik. Da ich hier mit der Meinung der 108 Leute nicht vertraut bin, fällt es mir schwer viel dazu zu sagen. Auch hier gibt es noch etliche offene Fragen, z.B. die nach außen hin doch recht verwunderlich erscheinende Verehrung von spirituellen Meistern, wie z.B. Prahupada, die sich aber größtenteils daraus erklärt, daß zwischen Meister und Schüler, so ist es üblich, eine über Jahre hinweg gewachsene "Vater/Mutter-Sohn/Tochter" Beziehung entstanden ist.

Fast am Ende angekommen, noch ein Gedanke zu dem Vorwurf, 108 als Vertreter der Krishnas würden mit erhobenem Zeigefinger Andersdenkenden gegenüber auftreten, der ja sogar soweit geht, sie als faschistoid einzustufen. Vic sagt dazu:"The finger I am pointing is the materialist within myself." Meiner Meinung nach treten 108 toleranter auf, als manch andere Personen der SxE -Vegan Szene, die eher schon einen eingeschränkten Toleranzbereich aufweisen und einer sektiererischen Bewegung gleichen. Im Gegensatz zu der strikt rationalen Sichtweise, die gerade in dieser Szene prägend ist, liefern 108 den geistigen Hintergrund für eine tausendjährige Lebensphilosophie, mit der Natur und anderen Menschen zusammenleben. Vielleicht sollte die Beschäftigung mit diesem Thema mal dazu führen, sich mit unseren eigenen geistigen Wurzeln auseinanderzusetzen, natürlich ohne dabei irgendwelchen völkischen Utopien und Rassentheorien aufzusitzen.

So, viel theoretischen Kram habe ich jetzt geschrieben, wer zum Konzert kommt hat natürlich die Chance Krishna Consciousness praktisch zu erfahren. Und, den Spaß an der Musik sollte man ja auch nicht vergessen. Auf Fragen zum Thema werden Vic, Rob und Co. sicherlich bereitwillig Auskunft geben.

No! Spiritual Surrender !

Philipp

P.S. Der Zahl 108 Kommt im Krishna Consciousness eine vielseitge Bedeutung zu: so gibt es z.B. 108 Vedische Schriften über spirituelle Philosophie, die sog. Upanishaden. An einer Kette, die die Devotees zum Chanten benutzen, befinden sich 108 Perlen.
Und: "There's a 108 zillion other things it means".


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last modified: 28.3.2007