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Aspekte der Kulturtheorie Adornos

Eine kursorische Einführung

Ob man nun vehementer Verfechter oder Gegner der Gesellschaftstheorie Adornos ist, über eines ist man sich selbst im philosophischen Seminar einig: An Adorno führt kein Weg vorbei. – Nicht zuletzt deshalb, weil er es war, der zusammen mit Max Horkheimer in der „Dialektik der Aufklärung“ jene Kritik der Kulturindustrie formuliert hat, die als weichgekochtes Sublimat unlängst Einzug in nahezu jede Feuilletonredaktion gehalten hat. Die Kulturkritik im gleichlautenden Fragment „Kulturindustrie“ gilt wohl als eines der populärsten und meist gelesenen Stücke aus dem reichhaltigen essayistischen Fundus der Kritischen Theorie. So tadellos und schlüssig sich dieses hellsichtige Fragment über die Warenförmigkeit moderner Kulturprodukte auch heute noch lesen mag, so unvollständig muss doch seine separate Rezeption bleiben, die durch Exklusivität über jenen Zeitkern hinwegtäuscht, der kulturelle Erfahrung zum Ausgangspunkt und Movens der Kritik macht.

Im Kulturindustrieabschnitt der „Dialektik der Aufklärung“, deren erste Vorüberlegungen noch weit vor dem Kriegsausbruch datieren, war die Reflexion darauf, was Auschwitz für die Geistes- und Kulturgeschichte bedeuten sollte, nicht eingegangen. Dieses einzigartige Moment kultureller Erfahrung jedoch ist zentral für das Werk Adornos, dessen Philosophie sich den Opfern der nationalsozialistischen Diktatur verpflichtete. Auschwitz, so machen insbesondere die Schriften nach 1945 klar, muss Eingang in
Plakat der Norwegischen Arbeiterpartei, 32.5k
Plakat der Norwegischen Arbeiterpartei 1936
philosophische Reflexion finden. Die „Elemente des Antisemitismus“, jenes in Thesen geschriebene Fragment der „Dialektik der Aufklärung“, markieren daher eine Grenze, von der aus Philosophie eine radikale Wendung erfährt. Die Frage, „ob nach Auschwitz sich noch leben lasse, ob vollends es dürfe, wer zufällig entrann und rechtens hätte umgebracht werden müssen“(1), ist dabei nicht nur Ausdruck individueller Erfahrung, sondern stößt den Kritiker auf die Verfassung der Gesellschaft, die scheinbar nur noch über die Rolle der Juden zu erschließen ist. So schreibt Adorno in einem Brief von 1940 an Horkheimer: „Mir geht es allmählich so, auch unter dem Eindruck der letzten Nachrichten aus Deutschland, daß ich mich von dem Gedanken an das Schicksal der Juden überhaupt nicht mehr losmachen kann. Oftmals kommt es mir vor, als wäre das, was wir unterm Aspekt des Proletariats zu sehen gewohnt waren, heute in furchtbarer Konzentration auf die Juden übergegangen.“(2) Mit dieser intuitiven Einsicht nehmen die Autoren der „Dialektik der Aufklärung“ die Kritik des Antisemitismus zum Ausgangspunkt für das Verständnis des Nationalsozialismus und der modernen Gesellschaft überhaupt.

Adornos Schriften und Vorträge, die im Nachkriegsdeutschland immer wieder auf die Möglichkeit von Erziehung, Kunst oder Moral reflektierten, kehrten stets zu jenem neuralgischen Punkt zurück, der für ihn auch die Möglichkeit von Philosophie überhaupt zur Disposition zu stellen schien. Gleichwohl hatten die Emigranten Horkheimer und Adorno bereits im amerikanischen Exil die Frage gestellt, „warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt“(3) und damit indirekt ein Programm formuliert, das dem, was in den nationalsozialistischen Lagern geschah, Rechnung tragen sollte. Adorno führten diese Überlegungen später zu der praktischen Erkenntnis „Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“(4) Mit nicht weniger als einem „neuen kategorischen Imperativ“ verband er diese gegen ihre Begründung widerspenstige und handlungsleitende Aussage.

Das gescheiterte Bürgertum

Am Ende des „langen bürgerlichen Jahrhunderts“(5), zu dem sich Adorno als 1903 geborener noch zugehörig fühlen konnte, zerbrach im Debakel der Schützengräben des ersten Weltkrieges eine Hoffnung, die nicht nur die internationale Arbeiterbewegung, sondern auch eine Reihe bürgerlicher Intellektueller lange Zeit hegten. Es war die Hoffnung, die durch die kapitalistische Produktionsweise entfalteten Produktivkräfte könnten der Menschheit, ob mit oder ohne proletarische Revolution, ihren Fortbestand dauerhaft sichern. Doch stattdessen stürzten sich die Menschen in die todbringenden Materialschlachten, welche erstmals das ganze Zerstörungspotential der industriellen Ära offenbarten. Allen voran begaben sich die kulturell und industriell fortschrittlichsten europäischen Staaten, wie Deutschland und Frankreich in eine kriegerische Konkurrenz, die zugleich eine Vernichtung der durch Überproduktion geschaffenen Waren darstellte. Damit erledigten die kriegführenden Nationen, wie Gerhard Scheit schreibt, „das Geschäft der Krisenbewältigung“.(6) Massenhaft wurden Rüstungswaren vernichtet, unzählige überschüssige Arbeitskräfte kamen auf den Schlachtfeldern zu Tode. Mit diesem Ereignis endete zugleich auch diejenige Periode der Kunst, die Adorno für die avancierteste und radikalste hielt. Einige Exponenten dieser kurzen Phase, wie die expressionistischen Maler Franz Marc und August Macke starben im Schützengraben, andere wie Klee, Picasso, Kandinsky oder Arnold Schönberg überschritten, wie Adorno in „Jene zwanziger Jahre“ rückblickend schreibt, ihren künstlerischen Zenit mit einem spürbaren Ordnungsbedürfnis, das sich als Reaktion auf die Kriegswirren in Musik und Malerei einstellte.(7)
Weit lebendiger und prägender jedoch, dürfte für Adorno die Erfahrung des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkrieges gewesen sein. Als Sohn eines jüdischen Weinhändlers und junger Intellektueller, in dessen Umkreis viele Wissenschaftler und Künstler wirkten, gehörte er zu denjenigen, die durch die nationalsozialistische Herrschaft verfolgt und in die Emigration getrieben wurden. Seinen damaligen Mitarbeitern am Frankfurter Institut für Sozialforschung, vor allem dem damaligen Direktor Max Horkheimer, der schon frühzeitig für eine Übersiedlung des Instituts zunächst in die Schweiz und dann in die Vereinigten Staaten gesorgt hatte, verdankte er seine Rettung vor der nationalsozialistischen Barbarei. Andere, wie Walter Benjamin, der dem Institut nahe stand und enger Vertrauter Adornos war, fielen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zum Opfer.
Bruchlos war an jene furchtbare Entwicklung der Zivilisation nicht anzuknüpfen. Das Misslingen von Kultur hatte sich im kulturreichsten Volk Europas bewahrheitet. Von Deutschland aus hatte man mit den Mitteln der modernen Technik systematisch die Ausrottung der Juden betrieben. Fortschritt und Kultur hatten sich in Deutschland mit der Vertreibung und Eliminierung von Künstlern und Intellektuellen erledigt. Deutschland, das war für die emigrierten Mitarbeiter und Freunde des Frankfurter Instituts das Land der Täter. Und dennoch kehrte Adorno nach Kriegsende zusammen mit Horkheimer und Pollock in seine Geburtsstadt Frankfurt zurück. Nicht zuletzt durch seine Erfahrungen und Studien zum Nationalsozialismus und durch seine Kritik der zeitgenössischen Philosophie und Sozialwissenschaften, war es ihm später möglich, kontinuierlich in die deutsche Nachkriegsgesellschaft hineinzuwirken. Wichtig war ihm dabei die Aufarbeitung der Vergangenheit der Deutschen, was ihm mehrfach den Vorwurf des ewigen Mahners einbrachte. Am bekanntesten ist sicher jene Debatte, die sich an der Aussage Adornos entzündete, dass nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, barbarisch sei.(8)
Dieses und andere sehr apodiktisch klingende Urteile lassen eine Art des Philosophierens erkennen, die Adorno unter allen Protagonisten der Frankfurter Kritischen Theorie zum wohl radikalsten Vertreter machen. Die darin ausgedrückte Negativität, die auch die Individualität des Schreibens und Dichtens als vom Ganzen der gesellschaftlichen Verfassung und deren Misslingen nicht ausnimmt, beinhaltet jedoch nicht bloßen Defaitismus, wie manche Kritiker meinen, sondern verpflichtet sich dem von Hegel und Marx herkommenden Programm der „bestimmten Negation“, welches, anders als die moderne Sozialwissenschaft, Gegenstand und methodische Kritik nicht voneinander trennt. Der einzelne Gegenstand ist dabei immer Teil und Ausdruck der Ganzheit der Gesellschaft, die Adorno als Totalität, als „negative Totalität“, kennzeichnet. Wird der einzelne und besondere Gegenstand als durch das Allgemeine vermittelter identifiziert, ist er zugleich negativ auf das Allgemeine (die Totalität) bezogen. Das Identitätsprinzip, das jedes für sich Besondere als Teil eines übergeordneten Allgemeinen ausweist, hat am Tauschprinzip sein gesellschaftliches Modell(9) und wirkt bis in die Residuen privater Rückzugsräume hinein. Deshalb begreift Adorno auch jedes noch so ausgeklügelte Kulturgut innerhalb der Tauschgesellschaft als Ware und Ausdruck eines allgemeinen Prinzips.(10) Nur vor dem Hintergrund einer Totalität der Gesellschaft, in der kein Partikulares sich der Herrschaft des Allgemeinen entziehen kann, ist daher auch jenes bekannte an Hegel angelehnte Verdikt, dass das Ganze das Unwahre sei, zu verstehen.
Dass es Adorno um die Darstellung einer solchen negativen Totalität geht, zeigen auch seine im engeren Sinne kulturspezifischen Schriften. Sie alle tragen jenes geschichtliche Ferment des Rückfalls von Aufklärung in Barbarei in sich, das neben der traditionellen Gesellschaftstheorie von Marx und Freud einen zentralen Stellenwert gewinnt. Als historische Unhintergehbarkeit ist es sozusagen in die kulturtheoretische Basis des Marxschen und Freudschen Materialismus eingesprengt.

Eine materialistische Kulturtheorie

In Schriften wie der „Negativen Dialektik“ bezieht Adorno sich ausdrücklich auf Marx und den im „Kapital“ dargelegten „Fetischcharakter der Ware“, der als Schein von der „Dinghaftigkeit der Welt (...) aus dem gesellschaftlichen Apriori objektiv deduziert“ werden müsse.(11) Anders als jener Marxismus, der das Bewusstsein als bloßes Abbild des Gesellschaftlichen behauptet, erkennt er den Marxschen Materialismus zugleich als Kritik an der Ideologie des Marktes, die jenes „notwendig falsche[s] Bewußtsein“ (ebd.) sei, das durch die Produktion der „Tauschgesellschaft“ vermittelt ist.
Als einer der ersten, der sich mit modernen Kulturprodukten eingehender beschäftigte, hatte Walter Benjamin diese Verquickung von Warencharakter und Bewusstsein fokussiert. Im Anschluss an dessen Überlegungen über die bürgerliche Kultur des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts rekurriert Adorno auf Marx’ Kritik der kapitalistischen Produktionsweise, die für die Kulturproduktion maßgebend sei.
„An der Einheit der Produktion soll der Freizeitler sich ausrichten.“(12), schreiben Adorno und Horkheimer im Fragment über Kulturindustrie. Zu dieser wurde die Kultur, weil sie sich von der Gesellschaft der Warenproduktion einverleiben ließ. Weil es zur „Auflösung der letzten vorkapitalistischen Residuen“ kam, „schlägt“ Kultur heute „alles mit Ähnlichkeit“(13), heißt es im selben Abschnitt. Der Begriff der Kultur, so bemerkt Adorno in einem späteren Aufsatz, habe sich aus seiner liberalistischen Phase herausentwickelt, indem er „durch die Emanzipation von den realen Lebensprozessen, die er mit dem Aufstieg des Bürgertums und der Aufklärung durchmachte, in weitem Maße sich neutralisiert“(14) habe. Die Werke des bürgerlichen Zeitalters hätten sich zuletzt „als ungebändigter Ausdruck, als Träger des Einspruchs gegen die Organisation aufgeworfen“(15) und z.B. im Expressionismus eine „harmonische Einzelwirkung“ erreichen können. Dem mache „die Kulturindustrie durch Totalität ein Ende“(16), indem sie Kultur durch „Erfassung, Katalogisierung, Klassifizierung (...) ins Reich der Administration hineinnimmt“.(17) Begründet wird diese Verwaltbarkeit der Kultur mit der Entwicklung weg von alltäglicher Praxis, durch ihre „Emanzipation von den realen Lebensprozessen“ und ihrer Verwandlung „in ein Eigenständiges und der Beziehung auf mögliche Praxis Entäußertes“.(18) Der Kulturbegriff werde somit „selbst ein Moment des Betriebs; das herausfordernd Unnütze (...) zum schlechten Nützlichen, zum Schmieröl, zu einem für Anderes Seienden, zur Unwahrheit, den für Kunden kalkulierten Waren der Kulturindustrie“.(19)
In der Entwicklung hin zur Eigenständigkeit der Kultur, die im Besonderen die deutsche Kulturentwicklung auszeichne, sieht Adorno eine folgenschwere Differenz verkörpert. In einem Vortrag über die Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen amerikanischem und deutschem Kulturbegriff konstatiert er, dass „der Begriff der Kultur in Deutschland jene eigentümliche Vergeistigung erfahren hat“(20), die zu einer „Spiritualisierung“ oder „Transzendenz“ der Kultur geführt habe. Dies zeige sich folgendermaßen: „Die negativen Momente unserer eigenen Konzeption von Kultur [der deutschen] sind (...) ein bestimmtes Element des Unverpflichtenden der Kultur, des Verzichts auf Eingriff, des Vergessens daran, daß der Gedanke der Kultur als der bewußten Auseinandersetzung mit der Natur in und außer uns eben wesentlich auch eine Gestaltung der Wirklichkeit, zumal der politischen Wirklichkeit heißt.“(21) Im deutschen Kulturraum bedeutete der „Verzicht auf Eingriff“ schließlich die Beförderung eines kulturellen Nonkonformismus, der sich bis heute in Form eines „kulturkonservativen europäischen Antiamerikanismus“ äußere.(22) Nicht zu Unrecht stellt Adorno daher die „Vergeistigung“ im Zusammenhang mit dem „Verzicht auf Eingriff“ gerade für Deutschland heraus, wo jener Rückfall von Aufklärung in Barbarei stattgefunden hatte und noch heute nachwirkt. Im Gegensatz dazu, so stellt Adorno im gleichen Vortrag heraus, fiel die „ganze geistige Sphäre, die für das europäische Gesamtbewußtsein zentral ist, (...) in Amerika aus“(23), was dazu führte, dass sich Kulturindustrie in Amerika wesentlich konfliktloser durchsetzten konnte.
Von dieser Spezifik kultureller Entwicklung einmal abgesehen, setzte sich mit der Etablierung kapitalistischer Produktionsweise in allen Industrienationen eine allgemeine Tendenz durch. Die Kultur wurde im Zeitalter der kapitalistischen Warenproduktion selbst zur Ware und die „gesellschaftliche und wirtschaftliche Gesamttendenz zerfrißt die materielle Basis der traditionellen Kultur liberalen oder individualistischen Stils“.(24) Die einstigen Kulturerzeugnisse, die Werke, die sich bis zuletzt gegen eine Instrumentalisierung sperrten, waren voneinander unterschiedene. Das Prinzip der „Ähnlichkeit“ oder „Immergleichheit“ affiziert sie nun in Form des Warencharakters, der alle Besonderheiten der Allgemeinheit des Tauschzusammenhangs unterwirft. „Was widersteht, darf überleben nur, indem es sich eingliedert. Einmal in seiner Differenz von der Kulturindustrie registriert, gehört es schon dazu wie der Bodenreformer zum Kapitalismus.“(25), schreiben Horkheimer und Adorno in der „Dialektik der Aufklärung“. Aber auch die Menschen werden vom Mechanismus der „Reproduktion des Immergleichen“ eingefangen. Ihre Stellung im Produktionsprozess ist festgeschrieben. Als freie Lohnarbeiter und „Personifikation ökonomischer Kategorien“ sind sie den ökonomischen Verhältnissen zwar ebenso unterworfen wie Kapitalist und Grundeigentümer(26), nehmen aber innerhalb dieser ökonomischen Konstellation die Stellung jener doppelt Freien ein, die ihre materielle Reproduktion nur durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft organisieren können. Die Spaltung von Arbeitsprozess und Freizeit suggeriert dabei den vom Produktionsverhältnis Beherrschten, es gäbe eine autonome Sphäre, in der sie ganz individuell sein könnten – anders, denn als bloßes Anhängsel der Produktion. In Wahrheit aber verfügt die Kulturindustrie und mit ihr die kapitalistische Produktion auch dort über die Menschen.(27) Indem die Konsumenten übers Amüsement vermittelt sind, das die „Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus“(28) darstellt, bilden sie in ihrer Konsumtion der Kulturwaren zugleich den Arbeitsvorgang nach, von dem sie sich in dieser scheinbar autonomen Sphäre erholen sollen.
Horkheimer und Adorno unterscheiden zwischen Amüsement, das seinen Platz im Reich kulturindustrieller Massenreproduktion hat und wirklicher Triebbefriedigung, die auf einen Zustand individuellen Glücks abzielt, in der modernen Kultur aber verstellt bleibt. Bereits Freud erkannte in „Das Unbehagen in der Kultur“, dass „die Kultur auf Triebverzicht aufgebaut ist, wie sehr sie gerade die Nichtbefriedigung (...) von mächtigen Trieben zur Voraussetzung hat“.(29) In der Abhandlung Freuds wird der menschliche Lebenszweck als „Programm des Lustprinzips“(30) bestimmt, dem verschiedene Momente entgegenstehen. Insbesondere sind das die „Übermacht der Natur“ und das Verhältnis des Menschen zur Gesellschaft, welche ihnen ihre Triebbefriedigung versagen. In der Kultur, die den Menschen sowohl mit der Natur als auch mit anderen Menschen vermitteln soll, haben sich deshalb viele Formen herausgebildet, die den Triebverzicht kompensieren. All diese Formen bewirken eine Modifikation des Triebes. So spielt z.B. die Form der Triebsublimierung eine besondere Rolle in der Kulturentwicklung, da sie die Bindung an das ursprüngliche Triebziel(31) auf höhere psychische und intellektuelle Tätigkeiten verschiebt.(32) Die Mechanismen der Versagung oder Sublimierung stehen einer ungehemmten Triebbefriedigung unvereinbar gegenüber. Aber im Gegensatz zu Freud, der dieser Ambivalenz ratlos gegenüber steht, bemerkt Adorno, dass in dieser Rationalisierung der Lust selbst ein Problem steckt, das auf einen Widerspruch gesellschaftlicher Verfasstheit deutet. Er spricht vom „Januscharakter der Kultur“, der Freud so verunsichere, dass dieser nicht wisse, „ob er den Triebverzicht als realitätswidrige Verdrängung negieren oder als kulturfördernde Sublimierung preisen soll“.(33) Das Ich, das die zwischen den Trieben und der Außenwelt vermittelnde Instanz im Haus der Libido darstellt, muss permanent jene Rationalisierungen der Triebe zustande bringen, das Lustprinzip dem durch die Außenwelt verkörperten Realitätsprinzip unterwerfen. Zwar bildet sich so das Ich unter dem Zwang realitätsgerechter Vermittlung aus, das Subjekt lernt der Gesellschaft gemäß zu funktionieren, andererseits aber rationalisiert es damit zugleich jene tatsächlichen Konflikte, die mit der Außenwelt bestehen, durch Unterdrückung, Versagung, Verdrängung usw. Es komme daher mit Notwendigkeit, wie Adorno anmerkt, zur „Verleugnung der objektiven Wahrheit durch den Rekurs aufs Subjekt“(34), das sich selbst an die „Unwahrheit“, den „realen Lebensprozeß der Gesellschaft“ angleicht. Dieser Prozess schließe seine „eigene Negation ein: kein Maß bleibt fürs Maß aller Dinge“(35), urteilt Adorno über das Subjekt. Das Prinzip gesellschaftlicher Herrschaft werde im Subjekt so verinnerlicht, dass dieses selbst völlig verschwindet und nur noch gesellschaftliche Maßstäbe reproduziert. Auch die Psychoanalyse als Heilverfahren für psychisch kranke Menschen hat daran teil: „Sie zieht die Persönlichkeit als Lebenslüge ein, als die oberste Rationalisierung, welche die zahllosen Rationalisierungen zusammenhält, kraft deren das Individuum seinen Triebverzicht zuwege bringt und dem Realitätsprinzip sich einordnet.“(36) Die Rationalisierung der Triebe sei also immer auch an den Verlust individueller Entfaltungsmöglichkeiten gebunden und bewirke die Anpassung der Individuen an die Gesellschaft. Dies geschieht in der modernen Gesellschaft von Geburt an. Freud hatte dafür die Ausbildung der Triebstruktur am Menschen betrachtet, die auf den genannten Mechanismen der Unterdrückung, Sublimierung etc. basiert. Andererseits aber gehen diese Vorgänge auch mit der geschichtlichen Entwicklung der Kultur einher. Die Zivilisationsentwicklung unterliegt selbst dieser Rationalisierungstendenz, wie Adorno und Horkheimer feststellen: „Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt.“(37)
Im Odysseus-Exkurs der „Dialektik der Aufklärung“ entfalten Horkheimer und Adorno das Urbild des bürgerlichen Subjekts am Beispiel des Übergangs vom Mythos zum Epos. Aufklärung findet bereits dort ihren Ausgangspunkt, wo der Mensch durch zunehmende Rationalisierung seiner Umwelt, seine innere sowie die äußere Natur unterwirft, sie seinen Zwecken gemäß gestaltet.(38) Exemplarisch hierfür ist Homers Odysseus, dessen Kampf mit den mythischen Figuren, die bildhaft die Naturgewalten verkörpern, stellvertretend für die moderne Gesellschaft steht, in der „der Mensch das Bewusstsein seiner selbst als Natur sich abschneidet“(39), um dafür die auf Selbstbeherrschung und Unterdrückung beruhende „Herrschaft des Menschen über sich selbst“ einzusetzen. Die Selbsterhaltung des Menschen tritt so unmittelbar in den Dienst von Funktion und Rationalisierung der „Widervernunft des totalitären Kapitalismus“(40), deren Fortbestand sich wiederum negativ gegen die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse wendet. Adorno und Horkheimer rücken damit die Kritik der „zweiten Natur“ ins Zentrum ihrer Überlegungen.
Mit der Geschichte des Opfers begründen sie die Entwicklung der Zivilisation. Im Opfer wiederholen die Menschen zunächst noch einmal, was ihnen als Leidende in der Naturverfallenheit widerfährt und machen es damit erträglich: „Der ehrwürdige Glaube ans Opfer aber ist wahrscheinlich bereits ein eingedrilltes Schema, nach welchem die Unterworfenen das ihnen angetane Unrecht sich selber nochmals antun, um es ertragen zu können.“(41) Die daran anschließende Geschichte der Substituierung des Opfers knüpft sich, wie die Autoren festhalten, an die subjektive Entfaltung der List. Sie ist es, die zur Säkularisierung des Opfers führt, seine ursprüngliche Archaik ablöst. Odysseus, der als Opfer und Priester zugleich fungiert, kalkuliert den eigenen Einsatz genau, um die übermächtigen Gottheiten zu betrügen und selber Macht über das eigene Schicksal zu erlangen.(42) Am Ende dieser langen Rationalisierungsgeschichte stehe das „identisch beharrende Selbst, das in der Überwindung des Opfers entspringt“ und zugleich sich selbst opfert, indem es seine eigene Natur verleugnet. Diese Verleugnung, die mit dem Aufgehen der Subjekte in der Klassengesellschaft verbunden ist und Herrschaft institutionalisiert, sei letzten Endes „der Kern aller zivilisatorischen Rationalität“(43) und damit auch Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft, der Kultur überhaupt. Die Geschichte der Kultur oder Zivilisation sei deshalb, so die Autoren der „Dialektik der Aufklärung“, zugleich „die Geschichte der Introversion des Opfers. Mit anderen Worten: die Geschichte der Entsagung. Jeder Entsagende gibt mehr von seinem Leben als ihm zurückgegeben wird, mehr als das Leben, das er verteidigt. Das entfaltet sich im Zusammenhang der falschen Gesellschaft.“(44)
Das was Marx als den „historischen Scheidungsprozeß von Produzent und Produktionsmittel“ benennt – die „sogenannte ursprüngliche Akkumulation“ – gilt als die „Vorgeschichte des Kapitals“.(45) Die Geschichte der Kultur oder Menschheit, in die diese gewaltsame Einsetzung der kapitalistischen Produktionsweise, wie Marx schreibt, mit Blut und Feuer eingeschrieben wurde, hat ihre eigene Geschichte und gründete einst in der Natur und den frühsten Formen ihrer Beherrschung. Neben dieser Geschichte der Unterdrückung und Herrschaft, hieß Kultur aber auch immer Ablösung der Menschen aus Naturverfallenheit, in materieller Hinsicht Fortschritt. Aufklärung war daher für Horkheimer und Adorno kulturelle Entwicklung und Entsagung zugleich; insofern war sie dialektisch und enthielt in ihren historischen Formen schon den Keim zum Rückschritt, der sich vollends im Nationalsozialismus ereignete – der „Barbarei in der Wirklichkeit“.

Kultur nach Auschwitz

Einer bloß empirischen Betrachtung des Nationalsozialismus und besonders seiner Arbeits- und Vernichtungslager hat Adorno sich immer verwehrt. Akribisch hielt er gegen „Kasuistik“, dem „Herumwürfeln mit Zahlen“(46) an ideologiekritischer Analyse fest, die dem Zusammenhang von gesellschaftlicher Struktur und Bewusstsein auf den Grund zu gehen hatte. Dazu trugen auch empirische Untersuchungen bei.(47) Wie sehr es Adorno darüber hinaus aber auch um politische und erzieherische Einflussnahme ging, zeigen zahlreiche Vorträge und Aufsätze zu Politik und Kultur nach Auschwitz. Der aus dem Exil Zurückgekehrte wollte zum Verständnis des Geschehenen beitragen, auch indem er fragte, was das Spezifische einer deutschen Kulturentwicklung gegenüber anderen Nationen gewesen sein könnte. Und er wurde fündig: nicht allein der Fakt einer zu späten Nation, auch die Bildung einer eigenständigen Sphäre des Geistes, so Adorno, beförderten jene Konstellation kollektiven Narzissmus’, die er in der Wagnerschen Formel: „deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun“ ausgedrückt sah.(48) Da die Tauschsphäre und damit ihre Warenförmigkeit in der deutschen Kultursphäre nicht jene Universalität entfalten konnte, die sie in den kapitalistisch fortschrittlicheren Ländern hatte, wo sie beinahe alle Bereiche des Lebens durchzog, besaß die „geistige Produktion einige Resistenzkraft. Sie verstand sich als ein An sich, nicht nur als ein Für anderes und Für andere Sein, nicht als Tauschobjekt.“(49) Daher offenbarte Kultur in Deutschland jenen der gesellschaftlichen Entwicklung enthobenen Schein, der sich sowohl an Natur als auch an die Autonomie des Geistes klammerte und derart als Kontrapunkt zum westlich liberalen Lifestile verstanden wurde.
Der Nationalsozialismus war für Adorno nur als eine Bewegung des Volkes zu verstehen. Weder war er das Projekt einer eigenwilligen Clique, den Nazis; noch von Hitler allein bewerkstelligt und dem deutschen Volk aufgenötigt worden. Er war ein Produkt der deutschen Kultur, in der die NS-Ideologie und insbesondere der Antisemitismus auf fruchtbaren Boden stießen.(50) Die völkische Mission in ihrer ganzen Irrationalität hatte die Juden als ihr Gegenprinzip, das es zu vernichten galt, auserkoren. „Für die Faschisten sind die Juden nicht eine Minorität, sondern die Gegenrasse, das negative Prinzip als solches; von ihrer Ausrottung soll das Glück der Welt abhängen.“(51), schreiben Horkheimer und Adorno in den „Elementen des Antisemitismus“.
Der Antisemitismus hat deshalb für den Nationalsozialismus konstitutiven Charakter, weil er ein negatives Identifikationsmodell für die Massen bietet. Er ist, so bemerkt Adorno in einem seiner Vorträge, „ein Massenmedium; in dem Sinn, daß er anknüpft an unbewußte Triebregungen, Konflikte, Neigungen, Tendenzen, die er verstärkt und manipuliert, anstatt sie zum Bewußtsein zu erheben und aufzuklären. Er ist eine durch und durch antiaufklärerische Macht“.(52)
Die von Horkheimer und Adorno verfassten „Elemente des Antisemitismus“ in der „Dialektik der Aufklärung“, im Untertitel mit „Grenzen der Aufklärung“(53) betitelt, liefern einen ersten Beitrag, die Kultur vom Resultat ihres eigenen Scheiterns zu verstehen. Aufklärung stößt an Grenzen, wenn von „Kultur“ schon längst nicht mehr zu sprechen ist. Die planmäßige und bis ins letzte administrative Detail durchdachte Vernichtung der europäischen Juden markiert diese letzte Grenze.(54) An die Tat als solche ist, wie Detlev Claussen bemerkt, mit vernünftiger Anschauung schon gar nicht mehr heranzukommen. Man müsse schon, um zu begreifen, was wirklich in den Vernichtungslagern praktiziert wurde, „etwas von der Kälte des bürgerlichen Subjekts, die nach Adorno Auschwitz möglich gemacht hat“ mobilisieren, um nicht beim Anblick der Bilder des Grauens in totale Indifferenz zu verfallen.(55) „Die Tat wird wirklich autonomer Selbstzweck, sie bemäntelt ihre eigene Zwecklosigkeit.“(56), schreiben Horkheimer und Adorno 1944 über den ideologischen Wahn.(57)

Die Beiträge Adornos zur Kultur nach Auschwitz berühren nicht selten das Verhältnis von Kultur und Kulturkritik. Im Aufsatz „Kulturkritik und Gesellschaft“ macht er darauf aufmerksam, dass der Kulturkritiker selbst dem Zusammenhang entstammt, den er kritisiert: „Die Komplizität der Kulturkritik mit der Kultur liegt nicht in der bloßen Gesinnung des Kritikers. Vielmehr wird sie von seiner Beziehung zu dem erzwungen, wovon er handelt. Indem er Kultur zu seinem Gegenstand macht, vergegenständlicht er sie nochmals. Ihr eigener Sinn aber ist die Suspension von Vergegenständlichung.“(58) Kulturkritik ist bei Adorno nicht per se positiv besetzt. Sie soll vielmehr selbst Gegenstand der Reflexion sein. Oftmals aber verkommt sie zum bloßen Ressentiment, wenn sie wirkliche Werte gegenüber dem kulturindustriellen Zug reklamiert, der in Wahrheit schon jedem Produkt anhaftet: „Wann immer Kulturkritik über Materialismus klagt, befördert sie den Glauben, die Sünde sei der Wunsch der Menschen nach Konsumgütern und nicht die Einrichtung des Ganzen, die sie ihnen vorenthält: Sattheit und nicht Hunger.“(59) Unverstanden bleiben jenen Formen der Kulturkritik also die Gesetze der Warenproduktion, in der alles nach dem Profitmotiv gemodelt ist und nicht erst das, was nun wirklich keiner braucht. Man möchte zwischen richtigen und falschen Bedürfnissen, notwendigen und überflüssigen Konsum- oder Kulturgütern unterscheiden, bewährtes Gut aus schlechtem Kommerz herausdestillieren. – „Weil die Kulturkritik gegen die fortschreitende Integration allen Bewußtseins im materiellen Produktionsapparat sich auflehnt, ohne diesen zu durchschauen, wendet sie sich nach rückwärts, verlockt vom Versprechen der Unmittelbarkeit. Dazu wird sie durch die eigene Schwerkraft genötigt, nicht bloß von einer Ordnung angehalten, die jeden Fortschritt in der Entmenschlichung, die sie herbeiführt, mit Gezeter über Entmenschlichung und Fortschritt übertönen muß.“(60) Im antimodernistischen Gewand denunziert Kulturkritik die Kommerzialisierung der Kultur, die schon längst universell wurde und propagiert stattdessen ursprüngliche Werte. Damit nähert sie sich dem reaktionären Kulturkonservatismus, der ebenfalls tradierte Werte gegenüber dem materiellen Fortschritt fordert. Adorno konstatiert jener kulturtranszendenten Position schließlich die Nähe zur faschistischen Agitation: „Nur wenn die je etablierte Ordnung als Maß aller Dinge akzeptiert ist, wird zur Wahrheit, was sich bei deren bloßer Reproduktion im Bewußtsein bescheidet. Darauf deutet Kulturkritik und empört sich über Flachheit und Substanzverlust. Indem sie jedoch bei der Verfilzung von Kultur mit dem Kommerz stehenbleibt, hat sie an der Flachheit teil. Sie verfährt nach dem Schema der reaktionären Sozialkritiker, die das schaffende gegen das raffende Kapital ausspielen. Während aber in der Tat alle Kultur am Schuldzusammenhang der Gesellschaft teilhat, fristet sie ihr Dasein doch nur, wie, der ‚Dialektik der Aufklärung‘ zufolge, der Kommerz, von dem in der Produktionssphäre bereits verübten Unrecht. Darum verlagert die Kulturkritik die Schuld: sie ist soweit Ideologie, wie sie bloß Kritik der Ideologie bleibt.“(61)
Die Alternative gegenüber einer solchen kulturtranszendenten Position besteht Adorno zufolge nicht im Entweder-Oder. Weder ist die Kulturproduktion gutzuheißen, das hieße sich fraglos auf die Seite des Bestehenden schlagen, noch ist sie abstrakt zu negieren und durch ursprüngliche Werte zu ersetzten, wie von Antimodernisten propagiert. Stattdessen schlägt Adorno eine „dialektische Kulturtheorie“ vor, die auf die Verstrickung der Kulturkritik mit der Kultur reflektiert. Die „dialektische Wendung“ bestehe darin, dass „Kulturkritik nicht die Maßstäbe der Kultur hypostasieren“ darf. – „Sie hält sich dieser gegenüber beweglich, indem sie ihre Stellung im Ganzen einsieht.“(62) Damit sieht sich aber auch der dialektische Kulturkritiker Problemen gegenüber: Er muss an der Kultur „teilhaben und nicht teilhaben. Nur dann läßt er der Sache und sich selber Gerechtigkeit widerfahren.“(63)
In der „Negativen Dialektik“ greift Adorno dieses Problem erneut auf und insistiert einmal mehr auf der Untrennbarkeit von Kultur und Barbarei: „Alle Kultur nach Auschwitz, samt der dringlichen Kritik daran, ist Müll. Indem sie sich restaurierte nach dem, was in ihrer Landschaft ohne Widerstand sich zutrug, ist sie gänzlich zu der Ideologie geworden, die sie potentiell war, seitdem sie, in Opposition zur materiellen Existenz, dieser das Licht einzuhauchen sich anmaßte, das die Trennung des Geistes von körperlicher Arbeit ihr vorenthielt. Wer für Erhaltung der radikal schuldigen und schäbigen Kultur plädiert, macht sich zum Helfershelfer, während, wer der Kultur sich verweigert, unmittelbar die Barbarei befördert, als welche die Kultur sich enthüllte.“(64) Ausgesprochen ist damit aber weder die Unmöglichkeit von Kultur nach Auschwitz, noch die Unmöglichkeit ihrer Kritik.

Roman

Anmerkungen:

(1) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt am Main 1966, S. 355.
(2) Max Horkheimer, Briefwechsel 1937-1940, Gesammelte Schriften Band 16, S. 764.
(3) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main 1969, S. 1.
(4) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, S. 358.
(5) Vgl. Detlev Claussen, Theodor W. Adorno. Ein letztes Genie, Frankfurt am Main 2003, 15 f.
(6) Gerhard Scheit, Die Meister der Krise. Über den Zusammenhang von Vernichtung und Volkswohlstand, Freiburg 2001, S. 30.
(7) Theodor W. Adorno, Jene zwanziger Jahre, Gesammelte Schriften Band 10.2, S. 504.
(8) Ausführlich diskutiert Detlev Claussen diesen Gedanken. Er konstatiert einen häufigen Missbrauch des Diktums, der wesentlich auf Unkenntnis des zugrundeliegenden Aufsatzes basiere. Auch werde die Aussage oft als „lustfeindliches Tabu gedeutet“ gedeutet und damit schlicht aus dem Zusammenhang gerissen (vgl. Detlev Claussen, Nach Auschwitz kein Gedicht? Ist Adornos Diktum übertrieben, überholt und widerlegt?, in: Harald Welzer (Hg.), Nationalsozialismus und Moderne, Tübingen 1993, S. 240-247.). Zur Kontroverse siehe auch den Sammelband von Petra Kiedaisch (Hg.), Lyrik nach Auschwitz? Adorno und die Dichter, Stuttgart 1995.
(9) Vgl. Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, S. 149.
(10) Dieses allgemeine Prinzip, das von Adorno immer sehr vage als „Tauschgesellschaft“ oder „Tauschprinzip“ bezeichnet wird, meint ein selbstreproduktives System, welches die Vertreter der Kritischen Theorie mit Marx’ „Kritik der politischen Ökonomie“ als ein ökonomisch-soziales Verhältnis begreifen. Unter „Kapital“ ist, anders als in den bürgerlichen Wirtschaftswissenschaften, jenes historisch gewordene Totalitätsverhältnis zu verstehen, das seine gegenständlichen Bedingungen fortwährend aus sich heraus setzt und durch menschliche Arbeit vermittelt wird. Bei Marx heißt es: „Dies organische System selbst als Totalität hat seine Voraussetzungen, und seine Entwicklung zur Totalität besteht eben [darin], alle Elemente der Gesellschaft sich unterzuordnen, oder die ihm noch fehlenden Organe aus ihr heraus zu schaffen. Es wird so historisch zur Totalität.“ (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf), Berlin 1974, S. 189).
(11) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, S. 190. Alfred Schmidt erkennt im Spätwerk Adornos einen Übergang zum Materialismus, der sich wesentlich an der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie im „Kapital“ orientiert (vgl. Alfred Schmidt, Adornos Spätwerk: Übergang zum Materialismus als Rettung des Nichtidentischen, in: Iring Fetscher, Alfred Schmidt (Hg.), Emanzipation als Versöhnung. Zu Adornos Kritik der „Warentausch“ – Gesellschaft und Perspektiven der Transformation, Frankfurt am Main 2002, S. 89-110).
(12) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 132.
(13) Ebd., S. 128.
(14) Theodor W. Adorno, Kultur und Verwaltung, Gesammelte Schriften Band 8, S. 132.
(15) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 133.
(16) Ebd.
(17) Ebd., S. 139.
(18) Theodor W. Adorno, Kultur und Verwaltung, S. 132.
(19) Ebd.
(20) Theodor W. Adorno, Kultur und Culture, Wiederabdruck in: Bahamas Nr. 43 (2003/04), S. 64.
(21) Ebd.
(22) Siehe dazu: das Vorwort von Clemens Nachtmann zum Wiederabdruck des Vortrages, unter dem Titel „Es gibt keinen Nationalsozialismus in Amerika“, in: Bahamas Nr. 43 (2003/04), S. 61-63.
(23) Theodor W. Adorno, Kultur und Culture, S. 67.
(24) Theodor W. Adorno, Kultur und Verwaltung, S. 134.
(25) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 140.
(26) Vgl. Karl Marx, Das Kapital Band 1 (MEW 23), Berlin 1974, S. 16.
(27) Vgl. Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 144.
(28) Ebd., S. 145.
(29) Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur (1930), Gesammelte Werke Band 14, S. 457. Zum Zusammenhang von Freuds Kulturtheorie und der Zivilisationstheorie der „Dialektik der Aufklärung“ (vgl. Konstantinos Rantis, Psychoanalyse und „Dialektik der Aufklärung“, Lüneburg 2001, S. 67 ff.).
(30) Ebd., S. 434.
(31) Die genitalorientierten Sexualtriebe werden von Freud als die ursprünglichsten und stärksten im Haus der Libido angenommen, da sie mit direkter Befriedigung der „Organlust“ in Verbindung gebracht werden: „Zu einer allgemeinen Charakteristik der Sexualtriebe kann man folgendes aussagen: Sie sind zahlreich, entstammen vielfältigen organischen Quellen (...) Das Ziel, das jeder von ihnen anstrebt, ist die Erreichung der Organlust“ (Sigmund Freud, Triebe und Triebschicksale (1915), Gesammelte Werke Band 10, S. 218).
(32) Vgl. Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, S. 437 f.
(33) Theodor W. Adorno, Minima Moralia, Frankfurt am Main 1951, S. 72.
(34) Ebd., S. 76.
(35) Ebd.
(36) Ebd.
(37) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 40.
(38) „Horkheimer und Adorno dehnen den Begriff der Aufklärung über deren eigentliche Epoche hinaus – bis zum antiken Griechenland.“, schreibt Detlev Claussen. Daraus resultiere „der merkwürdig finalistische Charakter der Dialektik der Aufklärung – der falsche Schein, als ob alles ab ovo vorherbestimmt wäre.“ (Detlev Claussen, Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus, 2. überarbeitete Neuausgabe, Frankfurt am Main 1994, S. 43). In seiner an die „Dialektik der Aufklärung“ anschließenden Studie zur „gesellschaftlichen Genese des modernen Antisemitismus“ bemerkt er, dass aber genau jene verlorengegangene spezifisch historische Differenz, von der aus Aufklärung als ein Epochenbegriff verstanden werde, wesentlich für die Bestimmung des modernen Antisemitismus in Abgrenzung vom traditionellen sei (vgl. ebd.). Gerhard Schweppenhäuser hält dagegen an der Berechtigung jener finalistischen Geschichtskonzeption fest, da mit ihr eine „kritische Theorie des geschichtlichen Verlaufs“ vorliege, die den Marxschen Begriff der „Vorgeschichte des Kapitals“ vertiefe (vgl. Gerhard Schweppenhäuser, Theodor W. Adorno zur Einführung, Hamburg 2000, S. 43 f.).
(39) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 61.
(40) Ebd.
(41) Ebd., S. 58.
(42) Vgl. ebd., S. 57.
(43) Ebd., S. 61.
(44) Ebd., S. 62. Der Begriff der „Entsagung“ tritt in der „Dialektik der Aufklärung“ an die Stelle des neutralen psychoanalytischen Begriffs der „Versagung“, ebenso wie der Begriff der „Introversion des Opfers“ den der „Introjektion der gehemmten Aggression“ ersetzt, der bei Freud eine Folge des Triebverzichts durch Stärkung des Über-Ichs bezeichnet (vgl. Rantis, 82 ff. u. 72 f.). Damit lenken die Autoren der „Dialektik der Aufklärung“ das Augenmerk auf die äußeren Zwänge der Gesellschaft, die für die Subjektwerdung sowie dessen Konflikte ausschlaggebend sind.
(45) Karl Marx, Das Kapital Band 1 (MEW 23), S. 742.
(46) Theodor W. Adorno, Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, Gesammelte Schriften Band 20.1, S. 362.
(47) Im „Gruppenexperiment“, einer qualitativen Studie zum politischen Bewusstsein der Westdeutschen, die ähnlich wie die „Studien zum autoritären Charakter“ angelegt waren, interpretierte Adorno gesammeltes Protokollmaterial mit Hilfe Freudscher Kategorien. Im Kern der Sozialstudie stand die Analyse Adornos zu Schuld und Abwehr nationalsozialistischer Verbrechen (vgl. Rolf Wiggershaus, Die Frankfurter Schule. Geschichte. Theoretische Entwicklung. Politische Bedeutung, München 1988, S. 526 ff.).
(48) Vgl. Theodor W. Adorno, Auf die Frage: Was ist deutsch, Gesammelte Schriften Band 10.2, S. 693.
(49) Ebd.
(50) In einem Vortrag Adornos mit dem Titel „Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“ heißt es dazu: „Der Antisemitismus ist nicht erst von Hitler von außen her in die deutsche Kultur injiziert worden, sondern diese Kultur war bis dorthinein, wo sie am allerkultiviertesten sich vorkam, eben doch mit antisemitischen Vorurteilen durchsetzt.“ (Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, S. 382 f.).
(51) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 177.
(52) Theodor W. Adorno, Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, S. 366. Der hier zur Anwendung gebrachte Projektionsbegriff kann gar nicht überschätzt werden. Eine kritische Theorie des Antisemitismus ist ohne ihn nicht denkbar. (vgl. Lars Rensmann, Kritische Theorie über den Antisemitismus, Studien zu Struktur, Erklärungspotential und Aktualität, 3. überarbeitete Auflage, Berlin und Hamburg 2001, S. 96 ff.)
(53) Detlev Claussen spricht in seinem gleichnamigen Buch vom Antisemitismus als einer „Religion des Alltagslebens“, in der die kapitalistischen Verhältnisse in der Gestalt des Juden personifiziert und damit ideologisiert werden: „Der moderne Antisemit setzt Judentum und Kapitalismus gleich.“ (Detlev Claussen, Grenzen der Aufklärung, S. 172 ff.).
(54) In der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik hat sich die Interpretation durchgesetzt, dass die Vernichtung um ihrer selbst willen erfolgte, keinem äußeren Zweck, etwa Kriegsrationalität oder wirtschaftlichen Interessen, diente. Dafür wurde u.a. die Metapher vom „Zivilisationsbruch“ bemüht. Obwohl für die Vernichtungstat kein rationaler Grund anzugeben ist, wie auch die Theoretiker vom „Zivilisationsbruch“ (Dan Diner) meinen, muss das im Umkehrschluss jedoch nicht heißen, dass dem, was die Tat möglich gemacht hat (das deutsche Projekt der Volksgemeinschaft), nicht auf die Spur zu kommen wäre. Zur Diskussion der These vom „Zivilisationsbruch“ siehe den Aufsatz von Uli Krug: Ewiges Rätsel Auschwitz. Über die Unfähigkeit den säkularen Zivilisationsschwund auf den Begriff zu bringen (Bahamas 25/1998).
(55) Vgl. Detlev Claussen, Grenzen der Aufklärung, S. 180.
(56) Horkheimer/ Adorno, Dialektik der Aufklärung, S. 181.
(57) Die „Elemente des Antisemitismus“ stellen einen ersten grundlegenden Beitrag zum Verständnis von Nationalsozialismus und Antisemitismus dar. Zur Erläuterung: Lars Rensmann, Kritische Theorie über den Antisemitismus, S. 156 ff. sowie Konstantinos Rantis, Psychoanalyse und „Dialektik der Aufklärung“, S. 89 ff.
(58) Theodor W. Adorno, Kulturkritik und Gesellschaft, Gesammelte Schriften Band 10.1, S. 14 f.
(59) Ebd., S. 17 f.
(60) Ebd.
(61) Ebd., S. 19.
(62) Ebd., S. 23.
(63) Ebd., S. 29.
(64) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, S. 359 f.

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last modified: 28.3.2007