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Sponsoring und Kultur im Conne Island

Die nächste Tour des Musikers Mocky wird durch Motorola gesponsert. Für das Publikum ein Segen, denn der Eintritt ist frei. Für uns Grund genug, die Debatte um das Konzert und unser Verhältnis zu Sponsoring transparent zu machen.

      „Es gibt Haltungen und Stile, die wir fest mit der Marke zu verbinden oder zum Synonym der Marke machen wollen.“
      (Allen Rosenshine, BBDO – Werbeagentur von Pepsi)

      „Sweet music what‘re you doing for me – what is the meaning of this life we live, living in a world of money and greed, when every single one of us is acting like puppet, because every single one of us really is a puppet – sweet music what‘re you doing for me?“
      (Mocky, are+be)
Die Debatte um das Sponsoring von Veranstaltungen des Conne Island ist so neu nicht. Nach wochenlangen Diskussionen wurde sich 1996 aufgrund des Toursponsorings durch eine große Zigarettenmarke gegen einen Auftritt von Alliance Ethnik entschieden, währenddessen nach einer Neuauflage der Debatte die Tour des Berliner Technolabels Tresor trotz des Logos einer anderen Zigarettenmarke auf dem Plakat nicht am Conne Island vorbeiging. Damals waren es Juan Atkins, Blake Baxter, Eddie „Flashin“ Fowkles, die das Conne Island kulturell nicht preisgeben wollte. Dieser Anpassung an die Entwicklungen des Popbusiness wurde die Entscheidung zur Seite gestellt, zumindest das kulturelle Ereignis an sich – also Konzert oder DJ-Set – ohne werbende Vereinnahmung durch Banner o.ä. im Raum zu ermöglichen. Dieser Versuch, einen Freiraum gegen den Trend zu erhalten, wirkt gegenwärtig jedoch schon fast naiv. Längst ist es nicht mehr das kleine Logo einer Rucksackfirma oder eines Getränkeherstellers, das dezent in der Ecke klebt, sondern immer häufiger wird das kulturelle Geschehen in Gänze in den Dienst der „Kommunikationskonzepte“ von Firmen gestellt. Dabei ist es kein Widerspruch, dass sich ein Mobilfunkkonzern eines innovativen Künstlers bedient, der eintrittsfrei in als alternativ, rebellisch und links geltenden Clubs auftritt, um als authentischer und kritischer Werbeträger Handys oder Klingeltöne als Symbol für Individualismus, Lifestyle und Selbstbestimmung glaubhaft zu machen.
Diese konsequent fortentwickelte Form des Sponsorings konfrontiert gegenwärtig das Conne Island – im Falle des Künstlers Mocky – mit selbstgesteckten Beschränkungen.

Warum debattieren?

In der Tradition gegenkultureller Entwürfe, in der das Conne Island entstanden und gewachsen ist, stand Kultursponsoring für die falschen, zu überwindenden Verhältnisse. Dieses Verständnis vom Subversionsmodell Pop hat sich jedoch seit Mitte der 90er Jahre entzaubert. Als Modell verhieß Pop die Möglichkeit, subversiv und mit Hilfe


Der Mohr I, 7.9k

Der Mohr II, 8.8k

gegenkultureller Mittel gesellschaftliche Werte und Kategorien wie Herkunft, Nation und Geschlecht zu überwinden. Diese Vorstellung wurde spätestens 1996 mit der Debatte um das Buch „Mainstream der Minderheiten“ sinnvoller Weise verworfen. Denn es wurde deutlich, dass die vermeintlich subversive, subkulturelle Dissidenz auf kulturelle Auseinandersetzungen beschränkt blieb und gut mit den Bedürfnissen des Marktes nach Unterscheidbarkeit einher zu gehen vermochte.
Wer heute im Musikgeschehen jenseits von D.I.Y.(1) mitspielen möchte, wird sich dem Sponsoring nicht entziehen können. Eine totale Verweigerung hieße, sich aus dem kulturellen Rennen zu schießen. Längst ist schon ein kritisches, distanziertes Verhältnis zu Sponsoring bei Künstlerinnen und Künstlern eher die Ausnahme und laufen Touren ab einer gewissen Größe kaum noch ohne finanzielle Unterstützung durch Firmen für Bekleidung, Rucksäcke, Tabakwaren, Getränke und Lifestylemagazine. Wenngleich von anderer Qualität, aber dennoch mit dem Ziel, das finanzielle Risiko zu senken und die als eigen begriffenen Strukturen zu unterstützen, greift auch das Conne Island selber auf Sponsoringmöglichkeiten durch den Platten-, Klamottenladen oder den Getränkehändler des Vertrauens zurück. Dies wird in Zukunft angesichts von Preissteigerungen und horrenden Gagenforderungen noch akuter werden. Der größte Sponsor des Conne Island bleibt dabei trotz jährlich sinkender Beträge jedoch weiterhin die Stadt Leipzig und damit die öffentliche Hand im Auftrag von Bildung, kultureller Grundversorgung und sozialem Frieden.
Warum also weiterhin über Sponsoring diskutieren, wenn sich in der alltäglichen Praxis längst dieser Möglichkeiten bedient wird?

Eine Frage der Balance

Nötig wird dies, da die selbst gesteckten Beschränkungen für Werbung und Sponsoring auf die zeitgemäße Anwendbarkeit hinterfragt werden müssen. Bisher wurde die Entscheidung für oder gegen einen künstlerischen Act in Verbindung mit aufwendigem Kultursponsoring anhand dessen kultureller Bedeutung und mit der Auflage eines Werbeverbotes beim Konzert oder DJ-Set selber gefällt.
Einem Eingriff in den Ablauf und die ästhetische Erscheinung von Veranstaltungen soll somit ein Riegel vorgeschoben werden. Vielmehr soll dabei das künstlerische Geschehen für sich stehen, ohne sich in erster Linie als Werbeträger zu inszenieren. In der Regel handelt es sich also um Plakat- und Flyersponsoring, so die Werbung in erster Linie für den Act und nicht für Jeans oder Musiksender etc. erfolgt. Aus diesem Grund wurde sich in den letzten Jahren gegen Club-Touren diverser Tabakfirmen verwahrt, bei denen die corporate identity, Glimmstängel und Hostessen im Rampenlicht und die Künstlerinnen und Künstler im Abseits standen. Wenngleich die Funktionsweise des Sponsoring immer die gleiche ist, so muss dennoch auf die qualitativen Unterschiede der Sponsoren hingewiesen werden. Dabei geht es nicht darum, eine Art PC-Liste der tragbaren Unternehmen zu schaffen, sondern darum, die Einflussmöglichkeiten von Sponsoren auf das Programm und die Wahrnehmung des Conne Island abzuschätzen.
Ein international agierender Mobilfunkkonzern hat das Potential sich das Conne Island für einen Abend zu kaufen und einen Artist der Extraklasse in seinem Dienst auf die Bühne zu stellen. Für das Publikum ist dies dann sogar kostenfrei. Das Werbeverbot im Konzertsaal, die Debatte um Sponsoring und die Selbstreflektion des Künstlers ist dabei das I-Tüpfelchen der realness. Der Plattenladen um die Ecke hat diese Möglichkeiten nicht. Die Reichweite von Firmen jedoch pauschal zum Politikum und Grund gegen ein Sponsoring zu erheben wäre jedoch das falsche Signal. Eine politische Entscheidung für oder gegen einen Sponsor hängt demnach von Auseinandersetzungen um diese oder jene Firma und unserem politischen Standpunkt dazu ab. Wenngleich – das muss selbstkritisch angemerkt werden – nahezu alle anderen Sponsoren unsere allgemeine Kritik gegen sich haben. Dies jedoch über eine widerspruchsfreies Sponsoring für einen Kulturbetrieb wie das Conne Island klären zu wollen ist ebenso absurd wie die „richtige“ Art zu konsumieren.
So wurde sich sehenden Auges für das Konzert mit Mocky entschieden. Ausschlaggebend dafür war die kulturelle Bedeutung des Künstlers und die Tatsache, dass ein Konzert ohne Hostessen, aufblasbaren Riesentelefonen und Leuchtreklamen möglich ist. Ob der Werbeffekt des Sponsors dennoch eintritt, muss letztlich das Publikum beim Kauf des nächsten Mobiltelefons entscheiden.

Veränderung der Gewichtung

Deutlich wird, dass die Frage, ob Sponsoring eine gesellschaftliche Oppositionshaltung aufweicht, heute kaum noch jemand stellt. So wird die Einschätzung, inwiefern eine bestimmte subkulturelle Praxis tatsächlich gesellschaftliche Veränderungen bewirken kann, heute anders gewichtet als noch 1996. Nach dem Niedergang der Poplinken hat sich der Glaube an kulturelle Verhandelbarkeit von gesellschaftlichen Normen und Werten und damit an eine Einflussnahme auf Gesellschaft mit kulturellen Mitteln weitgehend aus den Debatten um die politische Bedeutung von Pop verabschiedet. Er ist der Einsicht gewichen, dass rebellische oder politische Aussagen, Gesten und Codes kaum mehr sind als eine Frage des Stils und des Geschmacks. Sicher kann auch damit im begrenzten Rahmen noch ein gewisser gesellschaftlicher Konflikt provoziert werden – etwa mit dem offensiven Bekenntnis zum Punkrock in der sächsischen Provinz oder zur sexuellen Selbstbestimmung von Frauen in Oberbayern und Neukölln – ein revolutionäres Potential in Techno oder Hardcore wird wohl kaum noch jemand erkennen können. Zudem geht die Segmentierung und Innovation der subkulturellen Stile und Moden prima mit den Ansprüchen des Marktes einher und verkommt leider immer mehr zur Entscheidungshilfe für das richtige T-Shirt, Erfrischungsgetränk oder eben Telefon. Bei aller Kritik an dieser Funktion der Unterhaltungsindustrie ist das Conne Island dennoch Bestandteil eben jener und hat auch die eigene fundamentale Kritik(2) gegen sich.
Für einen Laden wie dem Conne Island gilt es mit dieser wenig aussichtsreichen Perspektive, dennoch den verbliebenen Formen kultureller Dissidenz eine Plattform zu bieten und sie gegebenenfalls zu politisieren. Sei es die Auseinandersetzungen um Graffiti, Plakatierung und die unkommerzielle Aneignung des öffentlichen Raumes oder das Stärken von antifaschistischen, antirassistischen oder antisexistischen Kulturpraxen. Zudem ist schon viel gewonnen, wenn es gelingt, in der Provinzstadt Leipzig einen Hauch von Metropolenkultur zu etablieren. Ebenso kann es nur einem Zentrum wie dem Conne Island, das auf einer beständigen, gegenseitigen Vermittlung kultureller und politischer Auseinandersetzungen beruht, gelingen, kulturelle Phänomene politisch zu deuten, zu werten und gegebenenfalls zu intervenieren. Subkultur wird nach diesem Verständnis nicht mehr primär als Mittel für gesellschaftliche Veränderung, sondern vielmehr als kritisch zu hinterfragender Bestandteil von Gesellschaft begriffen.
Der Erhalt dieser Ziele ist im Zweifel wichtiger als die Gefahr, ein Sponsor könnte diese Ausstrahlung des Conne Islands für sein „Kommunikationskonzept“ vereinnahmen. Diese Einschätzung klingt zwar pragmatisch, kennzeichnet aber vor allem unser derzeitiges Standing in den kulturindustriellen Zusammenhängen. Aktiv befördern werden wir das Verweben von Kultur und Marketing nicht.

Conne Island, März 2006

Fußnoten

(1) Vgl. „About the main independent stream“, in: CEE IEH #99, vgl. „Fanzines – Do It Yourself!“, in: CEE IEH #111
(2) Vgl. CEE IEH #93 „Das Ende der Rebellion“ von Hannes und Laila, vgl. CEE IEH #95 „Bleiben sie dran“ von Marvin.


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last modified: 28.3.2007