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Quo vadis, Conne Island?

Die diesjährige Klausurtagung deines Lieblingsladens

Zum nunmehr achten Mal ging es auch diesen Frühsommer darum, das Conne Island-Geschäftsjahr Revue passieren zu lassen, Bestandsaufnahmen über die einzelnen Arbeitsbereiche anzufertigen sowie Perspektiven unserer kulturellen Ausrichtung zu diskutieren. An Reibungspunkten sollte es auch dieses Jahr nicht mangeln. Galt es im vergangenem Sommer primär die Binnen- wie Außenwirkungen des Finanzamtsstreits sowie heftiger kultur- und tagespolitischer Debatten zu verkraften und aufzuarbeiten, lagen die diesjährigen Streitkulturen eher in den klassischen Problemfeldern: die richtige Einschätzung kultureller Entwicklungen, interne (Personal- und BetreiberInnen-)Struktur, Generationenkonflikt und wirtschaftliche Perspektiven standen auf dem Programm. Die bisweilen zähen und anstrengenden Diskussionen offenbarten zweierlei Probleme: ein erhöhter gesellschaftlicher (Leistungs)Druck – Angst vor Hartz IV, an der Uni nunmehr auch Scheine machen zu müssen, seinen Lebensunterhalt nicht mehr verdienen zu können – auf jedes einzelne Conne Island-Individuum schlägt sich zwar leicht versetzt, trotzdem relativ direkt auf die primär auf Ehrenamtlichkeit und Freiwilligkeit basierende BetreiberInnenstruktur nieder. Und daraus resultierend: Die Stellung zu Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit hat sich verändert, Zeitmanagement, Engagement und Intensität bezüglich der am Laden zu leistenden Aufgaben werden zusehens knapper bemessen. Die besonnene Reaktion auf diese Veränderungen und mögliche Umstrukturierung einzelner Ladenbereiche könnten die nächsten großen Herausforderungen für das Conne Island werden.

... more than music!?

Es war mal wieder ein gutes Jahr. Wir sind wieder vorne dran. Das Conne Island hat nach einer leichten Durststrecke neben einer gewissen wirtschaftlichen Konsolidierung auch an kultureller Relevanz und somit verloren geglaubtes Terrain zurück gewonnen. Nicht dass wir das, was einst als Independent oder Subkultur beschrieben wurde, neu entdeckt haben und mit dem alten Modell von Abgrenzung und Distinktion gegenüber einem imaginären Mainstream punkten wollen. Nein, ganz nüchtern haben wir das, was innerhalb des Mikrokosmos Conne Island und dem großen Ding Namens Pop noch so geht, versucht auszuloten. Innerhalb dieses nicht unkritischen aber – im Vergleich zu früheren Zeiten – unaufgeregten Rahmens war es möglich, Knaller wie De La Soul zu veranstalten, eine neue elegante Disco-Reihe namens „electric island“ zu etablieren, die einst verschriene Straight Edge-Szene wieder in die Nähe des Ladens zu holen sowie das geliebt-gehasste Skinhead-Fest „Oi! The Meeting“ zum zweiten Male mit den üblichen Reibereien über die Bühne zu bringen. Bewusst ist uns dabei allemal, dass das gewisse Festhalten am Gestus subkultureller Traditionen bisweilen nicht mehr als eine Reminiszenz an bessere Zeiten sein kann und dass der Grad hin zu einem klassischen, rein kommerziellen Veranstalter gar nicht so weit weg ist, wie vielleicht manche noch annehmen.
Nach wie vor aber passiert Kultur im Conne Island unter einer explizit vollzogenen und implizit wirkenden politischen Prämissensetzung. Diese werden nicht beliebig – wie von unseren Kritikern gerne bemängelt – sondern differenziert angewandt. Unumwoben geben wir zu, dass natürlich tagespolitische Diskussionen – gerade auch die der am Conne Island agierenden politischen Gruppen und Institutionen – auf unsere Selbstbild abfärben. Die Debatten um Antiamerikanismus im Umfeld des Irakkriegs, der Nahost-Konflikt und die im Zuge dessen antisemitische und ressentimentgeladene Erinnerungsabwehr haben dementsprechend viel mehr Platz als andere, nicht unbedingt weniger wichtige Aktionsfelder.
Seit dem Bestehen des Conne Island, spätestens jedoch seit der Neuauflage um Deutschpop-Quote, Phänomenen wie Mia und erinnerungskulturelles Opfertum vermittelt durch deutsche InterpretInnen, ist das Intervenieren gegen den zusehens selbstbewusst wie identitär auftretenden deutschen Popdiskurs zum wichtiger Bestandteil der Ladenpolitik geworden. Unter anderem aus dem Laden und seinem weiterem Umfeld heraus entstand die mittlerweile bis ins liberale Feuilleton angelangte und nicht nur dadurch sehr erfolgreiche auftretende Initiative I Can't Relax in Deutschland. An ihr zeigt sich zum einen, dass „kritische Popkultur“ durchaus nicht in der Irrelevanz schlauer, aber alleingelassener Analysen dahindümpeln muss und in einem weiten Rahmen diskursiv hineinwirkt, zum anderen aber auch, wie schnell selbst ein Abgrenzungsprojekt gegen neu-deutsches Selbstbewusstsein in Gefahr gerät, just in diesem als ambivalenter Teil aufzugehen.
Aus dieser Analyse strategische Konsequenzen für den kulturellen Alltag des Conne Island zu ziehen, ist dabei durchaus nicht einfach. Das Unverständnis der Kritisierten ist immer noch groß, auch wenn wir uns dieses Jahr trotz unguten Gefühls dazu entschlossen, im Rahmen der Leipziger Pop Up Messe unsere Kritik dem doch eher den ästhetischen Fragen der Popkultur zugewandten Publikum zu präsentieren. Gebracht hat es wohl eher wenig. Naja, immerhin hatten wir damit innerhalb der Pop Up eine der best besuchtesten Veranstaltungen.

Postkarte Knallmax, 36.9k


Berufsjugendlich forever

Wie im richtigen Leben der Kampf ums Alter und die Jugendlichkeit tobt, so hat auch der Generationskonflikt das kleine Conne Island erreicht. Auch wenn der viel kolportierte Begriff vom „Krieg der Generationen“ bisweilen übertrieben scheint, als Konflikt angekommen ist er in seiner Wirkung wohl nicht zu unterschätzen. Die Gegensätze zwischen zehn-jähriger Ladenroutine- und Erfahrung und jung-revoltierendem Übermut liegen erst einmal auf der Hand. Genauso wie die alltägliche Situation am Laden – während das Conne Island in seiner Basis strukturell hauptsächlich von jungen und sehr jungen Leuten getragen wird, nehmen sie an dessen aktiver Gestaltung und kulturpolitischer Ausrichtung fast nicht teil. Dieses Missverhältnis, das sich mit den Schlagworten Verlust der Tuchfühlung, fehlender Integration, eingeschliffener Professionalisierung und mangelnder Perspektive bei angedachtem Ausstieg beschreiben lässt, galt es nunmehr in den Griff zu bekommen.
Ein Jahr zuvor schien der Generationswechsel, der vielbeschworen den neuen Wind in alte und betriebsblinde Strukturen bringen sollte, bereits gemachte Sache zu sein: Alle Positionen sollen innerhalb der nächsten Jahre möglichst ausgetauscht, verjüngt, zumindest aber eine Perspektive für eben dieses Vorhaben formuliert werden. Der mittel- und langfristige Wechsel der „Schlüsselpositionen“, so zumindest der dahinter stehende Gedanke, sollte die zukünftige Basis der Personalstruktur des Ladens bilden. Innerhalb der Geschäftsführung, dem Vorstand und Teilen der Gastronomie galt diese Verjüngung bereits als gelungen abgeschlossen. Was in den vergangen Jahren wie auf einem SPD-Parteitag gebetsmühlenartig heruntergebetet wurde, war dieses Jahr – zumindest in seiner praktischen Aus- und Fortführung – nicht mehr Usus.
Diese neue Konstellation konnte man primär daran festmachen, dass sich die Fronten, so wie sie einst verliefen, nicht mehr finden ließen. Die Amtsmüdigkeit der Generation Dreißig-Plus schien in dieser Saison teilweise wie weggeblasen, ambitionierte Projekte wurden in Angriff genommen, der Turbo eingeschaltet und somit der Wille zum „Bleiben“ signalisiert. Im Gegensatz dazu fiel es den nicht wenigen jungen Leuten, die sich Verantwortlichkeiten über Wasserträgerfunktion hinaus wünschten, deutlich schwerer, kontinuierlich am Ball zu bleiben. Jugendliche Unbekümmertheit konnte da schnell als Unbeständigkeit daherkommen, andererseits meinten nicht wenige im professionellen Agieren der „Alten“ eine Rückkehr des Zeitalters der „Dekrete von Oben“ wiederzuentdecken.
Die Frage, ob Jugendkultur vielleicht überbewertet sei, musste sich das Plenum daher gefallen lassen. Und überhaupt, ist Alter die richtige Kategorie? Bisher richtete sich ein weitestgehend eindimensionaler Blick auf das Problem, wie neue und engagierte Leute in den Laden reinkommen, nicht aber, wie man den alten Hasen den Ausstieg ermöglicht, oder wie man sie – besser noch – hochmotiviert am Laden hält.
Diese faktische Drehung in der Generationsplanung bedeutet nicht, dass es kein Problembewusstsein für die Situation von jungen Conne Island-MitarbeiterInnen – und denen, die es mal werden wollen – gibt. Nach wie vor ist deren Integration als gerade mal ausreichend zu bezeichnen. Zu oft scheiterten bisher Versuche, einer neuen Generation verantwortliche Bereiche anzuvertrauen, bereits am (Un)Willen der durch Wissens- und Erfahrungshierarchien besser gestellten Alteingesessenen. Ein Manko, das nicht wegzureden ist. Zumindest eine „Nachwuchsveranstaltung“, in der ansatzweise Einstiegsmöglichkeiten und alltägliche Conne Island-Praxis vorgestellt werden sollen, ist unter dem Arbeitstitel „Wer hat Angst vor`m Conne Island“ angedacht.
Beschlossen wurde letztlich unter emotionalen Verhältnissen ein, im Vergleich zum Vorjahr, abgewandelter Zustand: Theoretisch soll der Generationswechsel auch weiterhin zur angestrebten Umsetzung gebracht werden, jedoch nicht auf „Teufel komm raus“. Innerhalb einer Paralleldiskussion, die zum einen den Laden für junge Leute – und dabei insbesondere auch für Frauen – langfristig attraktiv macht, gleichzeitig aber auch der Situation Rechnung trägt, dass der Ausstieg für Mitarbeiter, die zehn Jahre Herzblut gelassen haben, gerade angesichts drohender ökonomischer Zwänge keine einfache Entscheidung ist und somit größeres strukturelles Vorausdenken benötigt als bisher angenommen.

Was sonst noch passierte

Die Diskussion der einzelnen Musiksparten glich denen der letzten Jahre. Der Drum&Bass wird zwar immer härter und lauter, bildet aber gleichzeitig die am erfolgreichsten laufende lokalenVeranstaltungsreihe, die einst hochgehandelten amerikanischen Indi-Hip Hop-Acts, die eine sowohl ästhetisch wie auch inhaltlich angenehme Abwechslung gegenüber sexistischem Dreck aus deutschen Landen bilden, werden von der Industrie zu wenig supportet und sind somit fast nicht mehr finanzierbar. Zum Latin-Ska kommt neben Hippies und Studenten auch unser Umfeld. Und wer sagt, Punk – wahlweise HC oder Rock'n'Roll – sei tot, der hat nichts kapiert und keine Ahnung.
Von manchen richtig übel wurde dem bisherigen Chefkoch der nunmehr bereits vollzogene Weggang genommen. Karriere, Frauen und eine versprochene eigene Kochsshow bei einem lokalen Radiosender schienen ihm scheinbar wichtiger.
Apropos Radio. Das im Dach angesiedelte Radio Island wird auch weiterhin den Äther unsicher machen und ist neben dem für politische Bildung zuständigem Eiscafe das upcomin' Ding für Junggebliebene.

Auch in Sachen Qualitätsmanagement soll in Zukunft nicht nur alles besser, sondern auch vieles anders werden. Das Bewerben unserer Veranstaltungen verläuft demnächst differenzierter und effizienter. Das Essen sollte warm und die Getränke kalt zu den Gästen kommen. Die geplante formelle Ausgliederung der Gastronomie aus dem primär an Kulturarbeit ausgerichteten Vereinszweck soll den Laden auch zukünftig auf finanztechnisch sichere Beine stellen. Ob das neu geplantes Gastronomiekonzept, das die Trennung von Kultur- und Geschäftsbetrieb im Kopf hat, zur richtigen Handhabung von Mikrowelle und Kühlschrank beiträgt, bleibt abzuwarten.

Conne Island-Plenum


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last modified: 28.3.2007