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Das Conne Island-Plenum hat das Verbot von T-Shirts u.ä. mit Motiven der Band Earth Crisis in unseren „heiligen Hallen“ aufgehoben. Das Verbot stammt aus dem Jahr 1998, die Band selbst hat z.B. 1995 noch im Conne Island gespielt. Ein Auftrittsstop wurde mehrere Monate zuvor beschlossen. Die damalige Entscheidung resultierte aus einer intensiven Auseinandersetzung über regressive Tendenzen in der Straight Edge-Szene. Sie wird nun nicht etwa aufgehoben, weil die damaligen Argumente falsch gewesen wären, sondern vielmehr weil sie heute kaum noch eine Relevanz besitzen: Die Band selbst hat sich aufgelöst, die T-Shirts werden kaum noch getragen – und wer sie trägt, weiß in der Regel nichts über den Schwachsinn, für den die Band stand. Dem Conne Island ist es wichtiger, sich mit aktuellen Entwicklungen auseinander zu setzen.

--Conne Island, 06.12.2004--


Nichtsdestotrotz gibt es diesem CEE IEH zwei Artikel, die die aktuelle Diskussion im Conne Island-Plenum und die Entscheidung zum Anlass für eine Betrachtung der Straight Edge-Szene nehmen. Einen guten Überblick über die damalige Debatte bietet der Text „no rules – hardcore rules“ aus dem CEE IEH #58 (mit Links zu den anderen Texten). Heute wie damals gilt: Texte von CEE IEH-AutorInnen repräsentieren nicht zwangsläufig die Meinung des Conne Island. Sicherlich gab es damals auf beiden Seiten (pro- und contra Straight Edge) im CEE IEH polemische Überspitzungen, verkürzte Argumentationen, falsche oder nicht belegte Behauptungen, für die das Conne Island gern haftbar gemacht wird. Dies ist jedoch falsch. Nur da wo Conne Island drunter steht, ist auch Conne Island drin!

--CEE IEH-Redaktion--

I love Hardcore-Boys!


    „Bedeuten? Wir, etwas bedeuten? Kurzes Lachen Das ist aber gut!“
    (Endspiel, Samuel Beckett)
    „...at least I can fucking think“
    (Minor Threat)
Es gibt keinen Bereich des Lebens, der nicht von der gesamt-gesellschaftlichen Regression befallen und durchfressen wäre. Subkulturen und ihre Knotenpunkte, seien das KünstlerInnen, Fanzines, Clubs, VeranstalterInnen und Labels, bilden da keine Ausnahme. Was sie voneinander unterscheidet, ist das Bewusstsein über die Regression und über die dunklen Zeiten – „richtiges Bewusstsein“ eben, das kein Zustand, sondern Kritik wäre. Es gibt Szenen in denen man nach so etwas nicht lange suchen braucht und wiederum gibt es welche, in denen gerade das Selbstverständnis, „kritisch“ zu sein, zumindest wachsam machen sollte. Eine solche Subkultur unter die Lupe zu nehmen, verleitet entweder schnell dazu, den Holzhammer auszupacken und umso härter zuzuschlagen oder sich revolutionsromantisch anzubiedern, „weil sie’s ja wenigstens versuchen und wir doch alle dasselbe wollen“. Einen Weg dazwischen sollte es wohl geben. Dieser Text wird keine Analyse der jüngsten Entwicklung der Hardcore-Szene im allgemeinen, oder der Straight-Edge-Szene im speziellen (vorausgesetzt es lässt sich von so etwas sprechen) leisten, sondern lediglich ein paar Gedanken formulieren, die einer Annäherung, auch einer polemischen, vielleicht zuträglich sind.
Spezialhaus für Pelzfutter aller Art, 34.8k Es ist eine Geschichte, das HC-Segment Straight Edge unter die Lupe zu nehmen und sich mit Recht zu fragen, wo die Grenzen liegen zwischen asketischer Verzichtsethik und der pragmatisch-kritischen Entscheidung, sich nicht die Birne zuzudröhnen, um – wie das mal so schön in diesem Blättchen geschrieben stand – „besser destruktiv sein können (...) ohne zu vergessen, dass immer noch die Kapitallogik an allem schuld ist“. Über so was redet man gerne und ist schnell dabei, den anti-emanzipatorischen Schwarzen Peter zu verteilen, den die meisten leider auch verdienen. Trotzdem ist es immer schwerer zu begründen, etwas nicht zu tun, als einfach jedes Angebot, das einem der Kapitalismus vor die Füße wirft, anzunehmen. Eine kritische Analyse müsste sich ebenso den protestantischen Verzichtsabklatsch, wie dem „Alles Muss!“-Hedonismus zuwenden und kein gutes Haar an ihnen lassen. Dass man heute die Straight-Edge-Szene kaum noch ohne ihren Zwilling Veganismus diskutieren kann, hat seinen Grund in der historischen Entwicklung. Um sich dem zu nähern, braucht es aber andere Fragen, damit man herauskristallisieren kann, wo sich regressive Naturideologie und Antihumanismus verstecken oder offen zu Tage treten. So etwas gehört nicht verschont, allerdings ist es eine andere Geschichte, Empathie für offensichtliches Leiden und die Infragestellung einer anthropozentristischen Moral vorweg als reaktionär zu verdammen. Von all diesen angeschnittenen, notwendigen Gedanken braucht es nicht sehr viel, um die Der Holocaust auf deinem Teller-Kampagne der Tierschutzorganisation Peta als unglaublich bescheuerten Mist zu begreifen. Genau sowenig Analyse braucht es, um jemanden, der ernsthaft meint, ein Tiermörder sei ebenso zu behandelt wie ein Menschenmörder, die Tür vor (oder selbige an) der Nase zuzuschlagen.
Es ist eine andere Sache sich mit dem Problem eines kulturell-politischen Jugendzentrums zu befassen, das sich, wenn es nicht bloßer Lieferant des sich bestverkaufenden kulturellen Opiums sein will, positionieren muss. Diesen Schritt hat das Conne Island selten gescheut und musste dabei immer den Spagat halten zwischen dem Fakt, dass man sich nie alle Idioten vom Leib halten kann und es anderseits auch nicht angeht, jede Liedzeile und jeden Interviewfetzen unwidersprochen hinzunehmen, weil es eben Leute und damit Geld bringt. Gerade Letzteres, dass sich all diese Entscheidungen an einer finanziellen Existenzgrenze abspielen, macht es nicht leichter. Wenn man sich entscheidet, ein Konzert nicht zu veranstalten, ruft das sofort die Spezialisten auf den Plan. Jene, die sich auskennen und die meinen, Erste-Hand-Erfahrungen mit Wasserträgern, Roadies oder Gittaristen entlasten von dem Vorwurf, inhaltlichen Bullshit verzapft zu haben. Überhaupt fransten solche Diskussion oft in den Wettstreit zwischen Checkern aus, wo der eine ein Interview hat, das dem anderen entgangen war und überhaupt erst mal recherchiert werden solle etc. pp. Diese Diskussionen kennt man zur Genüge und den OrganisatorInnen von Konzerten bleibt nichts anderes übrig, als den Kontakt mit der Band zu suchen und mehr oder weniger formale Kriterien aufzustellen, was geht und was nicht. Am eindeutigsten sind da immer noch Statements der Band oder des Künstlers selbst, in denen sich entweder distanziert wird oder eben nicht. Wer in zentralen politischen Punkten Ambivalenzen in seinen Aussagen aufrecht erhält oder sich nicht zur Distanzierung durchringen kann, der muss im Zweifelsfalle damit rechnen, dass man das Negative annimmt, anstatt die positive Gesinnung. Was die HC-Szene betrifft, war das Konzertverbot (bzw. das darauffolgende T-Shirt Verbot) für die us-amerikanische Band Earth Crisis wohl das prominenteste Beispiel. Hier durfte jeder Mal ran. Manche fühlten sich mit einer Kleiderordnung bereits im Faschismus angekommen, anderen ging das T-Shirt-Verbot noch nicht zu weit und andere wussten einfach nicht, was sie davon halten sollen. Über den ersten Einwand ist kein Wort zu verlieren und dass es etliche Bands aus der Vegan-SE-Ecke oder anderswoher gibt, die reaktionärer sind als Earth Crisis, entlastet kaum von den Vorwürfen, die damals gegen die Band und implizit gegen einen Teil der Hardcore-Szene ausgesprochen wurden. So lächerlich es jetzt ist, Earth Crisis im Nachhinein emanzipatorisch zu machen, so lächerlich war es damals, sich mit einem Würstchenstand auf der richtigen Seite zu fühlen. Zum Glück hat die Band ihre Karriere inzwischen beendet und abgesehen davon, fühle auch ich mich wohler, wenn Leute T-Shirts von weniger problematischen Bands anziehen. Es gibt immer noch genug Bands, die einem Bauchschmerzen machen, ob das nun holländische Lieblingsskinheads, sexistische Rapper oder antiamerikanische und geschichtsrevisionistische Punks sind. Indem man sich einer solchen Diskussion stellt, ist man zumindest einen Schritt weiter. Gerome


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last modified: 28.3.2007