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Die ungeheure Kategoriensammlung
als zusammenhangslose Aufzählung


Einige Anmerkungen und Fragen zum Text von Martin Dornis „Die ungeheure Warensammlung als prozessierender Widerspruch“ (Teil 1 und 2)



Sicherlich kann die Rubrik des „Tomorrow-Cafés“, in der der hier kritisierte Text erschien, nicht der Ort einer dezidierten Auseinandersetzung mit der Marxschen Wert-, Geld- und Kapitaltheorie sein, doch bedarf es aus meiner Sicht einiger kritischer Einwände, wenn jemand derart unbefangen, wie Martin Dornis, die Marxschen Kategorien zueinander ins Verhältnis setzt. Meiner Skepsis gegenüber solcher theoretischen Unbefangenheit möchte ich in der Form eines Streifzuges – einer nicht systematischen Auseinandersetzung – Ausdruck verleihen.

Martin Dornis bezeichnet die Marxsche „Wertformanalyse“ zurecht als „schwierigste(s)“ und zentralste(s) Stück des Marxschen Gesamtwerkes“. Er hat indes ihren kritischen Gehalt selbst nicht begriffen. Das zeigen seine kursorischen Ausführungen zur Marxschen „Kritik der politischen Ökonomie“, die bei ihm auf das Aufzählen einzelner Aspekte beschränkt bleiben. Das „Leben des Stoffs“, also die Darstellung des Zusammenhanges der Kategorien der politischen Ökonomie schrumpft ihm auf diese Aufzählung zusammen. Die Methode, die Marx in einem Brief an Ferdinand Lassalle als „Kritik der ökonomischen Kategorien oder (...) das System der bürgerlichen Ökonomie kritisch dargestellt“ bezeichnet und die „zugleich Darstellung des Systems und durch die Darstellung Kritik desselben“ zu sein beansprucht, geht darin gänzlich verloren. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich Unklarheiten und Fehler in jene mangelhafte Aufzählung einschleichen.

I.
Im ersten Teil seiner Arbeit (CeeIeh Nr. 106, S. 26-30)(1) will Martin Dornis (im Folgenden abgekürzt mit MD) das „Kapital als gesellschaftliches Verhältnis“ aus der „doppelten Form des Reichtums“ verstanden wissen. Er bezieht sich dabei zunächst auf die Marxschen Ausführungen im Kapital und Zur Kritik, die den Ausgangspunkt der Marxschen Analyse bilden und die mit dem Doppelcharakter der Ware und dem der Arbeit beginnen. Gebrauchswert und Wert, als auch konkrete und abstrakte Arbeit bilden ein Doppeltes, das es begrifflich zu entwickeln gilt. Dies vermochten die „Klassiker“ Smith und Ricardo nicht, wie MD im Anschluss an Marx zu verstehen gibt. Er zieht dazu u.a. eine Stelle aus den Theorien über den Mehrwert heran. Dort versucht Marx nachzuweisen, dass Ricardo mit der sich im Tauschwert darstellenden Arbeit, d.h. der Arbeit die Wertform angenommen hat, nichts anzufangen weiß und daraus die Konfusionen mit Bailey, einem Vertreter der subjektiven Wertlehre, entstehen. Die Stelle wird im Folgenden inklusive der wichtigen und bei MD ausgelassenen Passagen wiedergegeben:
„Der Charakter dieser ‘labour’ wird [von Ricardo] nicht weiter untersucht. Wenn zwei Waren Äquivalente sind – oder in bestimmter Proportion Äquivalente sind oder, was dasselbe, ungleich groß sind je nach der Quantität ‘Arbeit’, die sie enthalten – so ist es aber auch klar, daß sie der Substanz nach, soweit sie Tauschwerte sind, gleich sind. Ihre Substanz ist Arbeit. Darum sind sie ‘Wert’. Ihre Größe ist verschieden, je nachdem sie mehr oder weniger von dieser Substanz enthalten. Die Gestalt nun – die besondere Bestimmung der Arbeit als Tauschwert schaffend oder in Tauschwerten sich darstellend –, den Charakter dieser Arbeit untersucht Ric[ardo] nicht. Er begreift daher nicht den Zusammenhang dieser Arbeit mit dem Geld oder, daß sie sich als Geld darstellen muß. Er begreift daher durchaus nicht den Zusammenhang zwischen der Bestimmung des Tauschwerts der Ware durch Arbeitszeit und der Notwendigkeit der Waren zur Geldbildung fortzugehn. Daher seine falsche Geldtheorie. Es handelt sich bei ihm von vornherein nur um die Wertgröße. D.h., daß die Größen der Warenwerte sich verhalten wie Arbeitsquantitäten, die zu ihrer Produktion erheischt sind. Davon geht Ric[ardo] aus“ (Theorien über den Mehrwert 2, S. 161).
Affirmativ und unvollständig zitiert MD, dem es eigentlich nur um die Marxsche Feststellung des bei den Klassikern nicht gesehenen Doppelcharakters der Arbeit geht, die Stelle aus den Theorien über den Mehrwert. Doch genau an dieser Stelle geht es Marx nicht bloß um die Feststellung des Doppelcharakters, sondern um die damit zusammenhängende Verwechslung Ricardos von Wert und Tauschwert, sowie deren Implikationen für eine falsche Geldtheorie. Marx versucht dagegen den notwendigen und über den Tauschwert vermittelten Zusammenhang von Wert- und Geldtheorie hervorzuheben, den „Springpunkt“, der im Kapital mit der Wertformanalyse anhebt. Bei MD ist die Passage „Bestimmung des Tauschwerts der Ware durch Arbeitszeit“ fett gedruckt und soll höchstwahrscheinlich – so schließe ich aus dem umliegenden Text – erklären, dass die Verausgabung menschlicher Arbeit (ohne jede Formbestimmung) Substanz des Werts ist, die Ware also jene gespenstige und ungegenständliche Substanz mit sich führt, die im Kapital im Gegensatz zur „konkreten“ als „abstrakt menschliche Arbeit“ charakterisiert wird. Aber warum steht dann nicht „Wert“ statt „Tauschwert“? Könnte es sein, dass MD selbst nicht den Unterschied zwischen Wert und Tauschwert zu erfassen weiß? Die Probleme scheinen doch tiefer zu liegen. Marx versucht seinerseits anhand dieser oben zitierten Feststellungen klarzumachen, dass diejenigen, die wie Ricardo das Geld (also den Tauschwert) als bloßen Ausdruck der im Produkt verausgabten Menge Arbeitszeit zu begreifen versuchen, die eigentümliche Form – die Wertform gerade nicht begriffen haben. Wer also davon ausgeht, Geld als bloß neutrales Auskunftsmittel vorher schon bestimmter Werte zu verstehen, übersieht die zentralen Motive von Wertform- und Fetischkapitel. Man übersieht dann wie Ricardo, dass es sich bei der „Tauschabstraktion“ nicht nur um eine Reduktion auf qualitätslose gleiche menschliche Arbeit handelt, sondern darüber hinaus um eine „Reduktion auf Größengleiches“, die die verschiedenen Wertgrößen als gleichgeltende setzt. Angesichts dessen auf prämonetäre Werte (Werte die schon vor dem gesellschaftlichen Akt des Tauschs fixiert sind) zu schließen, wäre falsch. Der Warentausch, der diese Gleichsetzung oder Reduktion unterschiedlicher konkreter Arbeiten erst bewirkt und den Menschen als ein ihnen vorbestimmter Vorgang erscheint, in Wirklichkeit aber ihre eigene Praxis zur Voraussetzung hat, verkehrt sich im Bewusstsein dieser, sodass es so scheint, als sei die Gesellschaft ein Zusammenhang „sachliche(r) Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche(r) Verhältnisse der Sachen“.
An späterer Stelle der Theorien über den Mehrwert spricht Marx an, wie diese über den Tausch vermittelte „reale Abstraktion“ oder „reelle Reduktion“ – und damit die „Bestimmung des Tauschwerts der Ware durch Arbeitszeit“ vor sich geht. Er schreibt dort, das Wertgesetz vor Bailey verteidigend, „daß alle Waren, soweit sie Tauschwerte sind, nur relative Ausdrücke der gesellschaftlichen Arbeitszeit sind und ihre Relativität keineswegs nur in dem Verhältnis besteht, worin sie sich gegeneinander austauschen, sondern in dem Verhältnis aller derselben zu dieser gesellschaftlichen Arbeit als ihrer Substanz“ (Theorien 2, S. 169). Das heißt also, dass die „gesellschaftliche Arbeit“, d.h. die Gesamtarbeitszeit der Gesellschaft, vermittelt über die Konkurrenz, auf die verschiedenen Branchen und Einzelkapitale verteilt wird – und zwar in der Form eines Prozesses, in dem „sich in den zufälligen und stets schwankenden Austauschverhältnissen die (...) gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit als regelndes Naturgesetz gewaltsam durchsetzt, wie etwa das Gesetz der Schwere, wenn einem das Haus über dem Kopf zusammenpurzelt. Die Bestimmung der Wertgröße durch die Arbeitszeit ist daher ein unter den erscheinenden Bewegungen der relativen Warenwerte verstecktes Geheimnis. Seine Entdeckung hebt den Schein der bloß zufälligen Bestimmung der Wertgrößen der Arbeitsprodukte auf, aber keineswegs ihre sachliche Form“ (MEW 23, S. 89). Aufgrund dieses Sachverhalts wird die Bestimmung der Wertgröße über die „abstrakte Arbeit“ überhaupt erst plausibel. Denn sowenig wie es möglich ist, eine quantitative Bestimmung von „gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit“ ohne die gegenständliche Reflexion, d.h. ihrer Erscheinungsform im Tauschwert vorzunehmen, sowenig ließe sich von prämonetären Werten sprechen. Wert- und Geldtheorie stehen deshalb in unmittelbarem Zusammenhang. Dies ist der Marxsche Einwand gegen Ricardo, dem Wert und Wertgröße in eins fallen.

II.
Den Inhalt der Wertformanalyse gedenkt MD anschaulich wiederzugeben, als Verhältnis zweier Gebrauchswerte (im Text sind es Tomate und Gurke). Es spricht bei MD wie folgt aus der Ware in relativer Wertform: „Ich stelle meine zweite Seite, die gesellschaftliche an der Gurke dar, um selbst nichts als Tomate sein zu können.“ (S. 27). In dieser falschen Analogisierung geht genau das verloren, was als die gesellschaftliche Seite bezeichnet wird. Die Ware die ihren Wert (nicht Gebrauchswert wie die Analogie zum „Tomate sein“ nahe legt) ausdrückt, drückt dort eben nur ihr „Tomate sein“ an der Gurke aus – ihre Gebrauchswertseite – und nicht, wie bei Marx, etwas von ihrem Gebrauchswert verschiedenes – den Wert. Bei Marx heißt es stattdessen „Der Wert der Ware Leinwand wird daher ausgedrückt im Körper der Ware Rock, der Wert einer Ware im Gebrauchswert der andren.“ (MEW 23, S. 66). Erst wenn also die wesentliche Dimension des Wertausdrucks erklärt wird, kann dazu fortgeschritten werden, wie diese als Verhältnis zweier Gebrauchswerte erscheint. Und lediglich das bleibt dann bei MD als Analogie übrig, ohne dass der Ursprung der Erscheinungsform, also warum das Wertsein nur als eigentümliches Verhältnis zweier Gebrauchswerte erscheint, überhaupt noch einsichtig wäre. „Gebrauchswert wird zur Erscheinungsform seines Gegenteils, des Werts.“ (MEW 23, S. 70) heißt es dazu an späterer Stelle der Marxschen Wertformanalyse. Weiß Marx aber zwischen Wesen und Erscheinung des Wertverhältnisses zu unterscheiden, so wird die Sache bei MD nur auf die Erscheinungsseite heruntergebrochen und taucht letzten Endes als Warenverhältnis auf, worin sich die Waren bloß ihre Gebrauchswertseiten übertragen. Die Äquivalentform wird dann nur noch als ein nicht mehr auf die Ursache zurückführbarer Gebrauchswertwechsel charakterisiert: „Ich Gurke drücke den Wert einer Tomate aus. Ich bin zwar Gurke aber erscheine als Tomate und kann mich auch selbst gar nicht mehr als Gurke, sondern nur noch als Tomate sehen und denken. Als Ausdruck des Wertes der Tomate bin ich selbst Tomate.“ (S. 27). Gebrauchswert und Wert fallen im „Tomate sein“ verquer ineinander. Was „Wertausdruck“ überhaupt heißt, geht dabei verloren.
Doch nicht nur hier verschwindet der kritische Gehalt der Wertformanalyse, auch in der Verwechslung von Wert und Tauschwert zeigt sich die ungenügende Darstellung von MD. „Die eine [Ware] stellt dann in der anderen ihre abstrakte Seite, ihren Tauschwert dar und macht sie sich in diesem Verhältnis sich selbst gleich“ (S. 27) schreibt MD und vergisst, dass Tauschwert bereits die konkrete Erscheinung dieser „abstrakten Seite“, der Wertseite ist – der Wert sich folglich in der ihm einzig möglichen Erscheinungsform des Tauschwerts oder der Wertform darstellt. MD reiht sich hier in die lange Tradition der mangelhaften Charakterisierung der Ware als „Einheit von Gebrauchswert und Tauschwert“ ein. Was dann Tauschwert als „Erscheinungsform des Werts“ bedeutet, kann streng genommen auf diese Weise gar nicht mehr entwickelt werden.

III.
Weiter unten spricht MD das sich herauskristallisierende „allgemeine Äquivalent“ an – das Geld, oder besser gesagt die Geldform als Resultat der logischen Entwicklung der Wertformanalyse. Dass sich diese „Herauslösung des Geldes“ bei ihm durchaus auch als historischer Übergang lesen lässt, darauf deuten Hierarchisierungen der Kategorien hin: „Damit wird die Äquivalentform zur bestimmenden und der relative Wert zur untergeordneten.“ (S. 28). Selbst wenn hier die besondere Ware Gold, deren Stellung in der Wertformanalyse nur unter Zuhilfenahme der historischen Entwicklung erklärt werden kann, gemeint sein sollte und nicht die Kategorien, die exakt mit „relativer Wertform“ und „Äquivalentform“ und im entwickelteren Fortgang mit „allgemeiner Wertform“ und „Geldform“ benannt wären, so liegt die Deutung eines bloß historischen Übergangs nahe, bei dem die eine Ware die andere hierarchisch ablöst und zum bestimmenden Allgemeinen wird.(2) Nur warum werden dann noch die beiden angesprochenen Termini „Äquivalentform“ und „relativer Wert“ bemüht, deren Verhältnis MD ohnehin völlig unbestimmt lässt? Hier liegt m.E. erneut ein schwerwiegender Kategorienfehler oder schlicht begriffliche Schlamperei vor. Historisch müsste es „allgemeines Äquivalent“ bzw. „Gold“, statt „Äquivalentform“ heißen, wobei der Begriff „relativer Wert“ ganz fehl am Platze wäre. Oder man spräche im Sinne einer logischen Interpretation vom Übergang von Form II zu Form III bzw. von Form III zu Form IV und würde sich bei der Genesis der Geldform streng an die Wertformanalyse des Kapitals halten. Stattdessen herrscht bei MD kategoriale Konfusion.
Handelte es sich richtigerweise bei der Wertformanalyse und damit auch beim Übergang von der „allgemeinen Wertform“ zur „Geldform“ um eine, zwar problematische (siehe Fußnote 1), aber doch primär logisch zu interpretierende Entwicklung, dann ließe sich nicht mehr von einer Hierarchie der Kategorien untereinander sprechen, in der die eine „bestimmenden“ und die andere „untergeordneten“ Status besitzt, sondern höchstens von unterschiedlichen Abstraktionsebenen eines logisch-begrifflichen Gesamtzusammenhangs, aus dem auch nicht einzelne Kategorien hierarchisch extrahiert werden können.

IV.
In Teil 2 seiner Arbeit (CeeIeh Nr. 109, S. 30-35) klärt MD über verschiedene Formen des Kapitals auf und gibt – so scheint es – vereinzelt Hinweise auf die „Darstellung“ der „Kritik der politischen Ökonomie“. „Kapital ist in sich die Darstellung des Widerspruchs zwischen Arbeit in ihrer unmittelbaren lebendigen Verausgabung und in ihrer bereits verausgabten Form“ schreibt MD und Kapital sei eine dargestellte „Doppelstruktur“. Darin springe der Wert „stets von einer Form in die andere: von der Geldform in die Warenform und zurück in die Geldform und verwertet sich dabei.“ (S. 31).(3) Doch was heißt „Darstellung“ bei MD eigentlich?
Andauernd spricht MD im Laufe seiner Charakterisierung verschiedener Formen des Kapitals von „Darstellung“ oder „darstellen“. Nirgends jedoch geht es ihm dabei um die Marxsche Methode, der Darstellung der Kategorien untereinander. Marx hatte unterschieden zwischen „Forschungsweise“ und „Darstellungsweise“, wobei „Darstellung“ die Explikation der logischen Anordnung des Stoffs sein sollte und deshalb der „Forschung“ nachgeordnet sein musste. Das eine (Forschung) betraf die Aneignung der Kategorien der bürgerlichen Ökonomie, das andere (Darstellung) ihre logisch-begriffliche Anordnung. Bei MD scheint dies alles keine Rolle zu spielen. Sein Konzept ist – wie gesagt – das der willkürlichen Aufzählung. Begriffliche Patzer sind dabei keine Seltenheit. So heißt es unter anderem im angesprochenen Abschnitt: „Als konstantes stellt es [wahrscheinlich ist das in Doppelform erscheinende Kapital gemeint] das Kapital als Darstellung bereits vernutzter Arbeit dar und als variables seiner Darstellung in Form von Arbeitskraft.“ (S. 31). Was bitte ist eine sich darstellende Darstellung? Dass eine derart fehlerhaft mit dialektischen Begriffen verfahrende Kapitalanalyse, die von einem „sich an seinen Polen“ verdoppelnden Widerspruch und von einer „komplizierten Darstellungsform (...) als ständiges dialektisches Springen des Werts“ redet, auch den Inhalt durcheinander wirft, liegt fast auf der Hand: „Dabei [bei der wie auch immer gearteten Darstellung] kann das variable Kapital durchaus Geld sein (also konstantes Kapital), welches sich in lebendige Arbeitskraft umsetzt“ (ebd.). Wenn aber – wie hier behauptet – variables Kapital durchaus auch konstantes Kapitals sein kann, warum ist dann eine Unterscheidung notwendig? MD weiß es wohl selbst nicht ganz recht. Er hätte nochmals bei Marx nachschlagen können. Dort wird von der Kapitalformel G-W-G' aus, der Wert als prozessierender Widerspruch charakterisiert, der innerhalb des Formwandels zwischen Ware und Geld existiert – daher die Unterscheidung von Waren- und Geldkapital. Weil im Produktionsprozess mit dem Geldkapital ein Ankauf von konstantem Kapital (Produktionsmittel und Rohstoffe) und variablem Kapital (Arbeitskräfte) stattfindet, heißt das aber noch lange nicht, dass der variable Kapitalbestandteil plötzlich zum konstanten Kapitalbestandteil wird, wie oben behauptet. Auch hier wieder bietet sich eine Orientierung am Marxschen Original an, will man nicht MDs eigenartiger Interpretationsweise der Marxschen „Kritik der politischen Ökonomie“ aufsitzen.
An dieser Stelle möchte zunächst den Streifzug abbrechen und in einer der späteren Ausgaben des „CeeIeh“ auf den Rest des 2. Teils und hoffentlich auch auf den noch folgenden 3. Teil der Ausführungen von Martin Dornis eingehen.

Roman

Literatur:
. Backhaus, Hans-Georg: Dialektik der Wertform, Freiburg 1997.
. Backhaus, Hans-Georg/ Reichelt, Helmut: Wie ist der Wertbegriff in der Ökonomie zu konzipieren?, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge 1995, S. 60-94.
. Behrens, Diethard (Hg.): Geschichtsphilosophie oder Das Begreifen der Historizität, Freiburg 1999.
. Behrens, Diethard: Der kritische Gehalt der Marxschen Wertformanalyse, in: ders.(Hg.): Gesellschaft und Erkenntnis. Zur materialistischen Erkenntnis- und Ökonomiekritik, Freiburg 1993, S. 165-189.
. Heinrich, Michael: Die Wissenschaft vom Wert. Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition, 2. überarbeitete Auflage, Münster 2001.
. Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, 1. Band, in: MEW 23, Berlin 1974.
. Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert 2, in: MEW 26.2, Berlin 1987.
. Reichelt, Helmut: Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx (Neuauflage), Freiburg 2001.

Fußnoten:
(1) Die folgenden nur mit Seitenzahlen versehenen Zitate beziehen sich auf die beiden im „CeeIeh“ erschienenen Texte. Andere Zitate sind gesondert gekennzeichnet.
(2) Auch Interpretationen eines logischen Übergangs zur Geldform sind m.E. nur unter Hereinnahme der Historie in den logischen Entwicklungsgang zu verstehen. Im Kapital liegt diesbezüglich ein konzeptionelles Problem der Darstellung vor, worüber sich Marx anscheinend selbst nicht ganz im Klaren war. Darauf deuten die verschiedenen Versionen der Wertformanalyse von Zur Kritik bis zur 4. Auflage des Kapitals hin, anhand deren eine Rekonstruktion des Problems stattzufinden hätte.
(3) Die Vorstellung eines „Springens“ des Werts verdankt sich m.E. einer substanziellen Interpretation. Dabei wird sich Wert als eine bestimmte Menge verausgabter Arbeitszeit vorgestellt, die später in eine bestimmte Form gebracht werde. Da diese Form jedoch einem Formwandel unterworfen ist und sich empirisch an verschiedenen Dingen festmacht (Ware und Geld), müsse die Substanz irgendwie „springen“, obwohl dies natürlich empirisch nicht zu beobachten sei. Dass Wert mehr sein könnte als bloße „Substanz“ und darüber hinaus erst in der Form des Kapitals sein entsprechendes Existenzmedium, also erst in dieser Einheit von Substanz und Form das „übergreifende Subjekt“ über seine verschiedenen Bestimmungen ist (und damit auch seiner verschiedenen dinglichen Existenzweisen), fällt einer solchen substanziellen Interpretation nicht ein.


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last modified: 28.3.2007